Eine so seltsame Freundschaft wie die von Donald Trump und Elon Musk, das war zu erwarten, zerbricht nicht einfach so. Wenn zwei Egos von diesen galaktischen Ausmaßen sich trennen, dann tun sie das nicht nur mit Pauken und Trompeten, sondern auch mit Raketen und Stinkbomben. Und siehe da: „Es ist Zeit, die wirklich große Bombe zu zünden“, schrieb Musk im Zuge seiner Social-Media-Schimpfattacke über seinen eben noch besten Freund im Weißen Haus.
Donald Trump, so Musk, „ist in den Epstein-Akten“. Das sei der Grund, warum sie nicht öffentlich gemacht wurden. „Einen schönen Tag noch, DJT!“, schob Musk hinterher – wohl wissend, dass er gerade eine Linie überschritten hatte, hinter die es kein Zurück gibt. Denn er hatte den Präsidenten damit mehr als nur andeutungsweise mit einem der berüchtigtsten Sexualstraftäter Amerikas in Verbindung gebracht.
Eine seiner Parolen, die Donald Trump schon zu Beginn seiner Karriere ausgegeben hatte, lautete: „Es gibt keine schlechte Presse, es sei denn, du bist ein Pädophiler.“ Eine konkrete Verbindung zum Fall Epstein, wie Musk fast feierlich suggerierte, hätte aber allemal das Potenzial für schlechte Presse im Sinne Trumps.
Der Investmentbanker und Multimillionär Jeffrey Epstein war im August 2019 erhängt in seiner Gefängniszelle in New York aufgefunden worden. Die Ermittler schlossen, dass es sich um Suizid gehandelt habe. Ihm waren zuvor unzählige Sexualverbrechen zur Last gelegt worden, er soll unter anderem über Jahre hinweg an Sexhandel mit minderjährigen Mädchen beteiligt gewesen sein. An die 1000 Seiten an Gerichtsakten wurden zu dem Fall bereits veröffentlicht. Längst nicht jeder, der darin namentlich auftaucht, wird einer sexuellen Straftat bezichtigt. Aber diese Epstein-Dokumente sind so toxisch, dass jede noch so kleine Verbindung schwer rufschädigend sein kann.
Epstein war bestens vernetzt in der Welt der Reichen und Berühmten
In der Welt der Reichen und Berühmten, also der Welt von Donald Trump, war Epstein bestens vernetzt. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden sich aus New York und aus Florida kannten, so wenig wie Epsteins Bekanntschaft mit dem früheren demokratischen Präsidenten Bill Clinton oder mit Prinz Andrew, dem Bruder von König Charles, ein Geheimnis war. Im Jahr 2002 nannte Trump im Gespräch mit dem New York Magazine Epstein einen „großartigen Typen“, mit dem man sehr viel Spaß haben könne. Er kenne ihn seit 15 Jahren. Trump merkte sogar an, dass über Epstein gesagt werde, er möge „schöne Frauen“ so sehr wie er selbst, und viele von ihnen seien eher „on the younger side“. Nachdem Epstein im Jahr 2019 verhaftet worden war, distanzierte sich der damalige US-Präsident auch von dieser Freundschaft: „Ich war kein Fan“, sagte Trump über Epstein. Er habe seit 15 Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen.
Und jetzt also die plötzlich wieder brandaktuelle Frage: Weiß Elon Musk dazu mehr, als der Rest der Welt weiß? Und vor allem: mehr, als Trump recht sein kann?
Es liegt wohl in der Natur dieser höchst heiklen Sache, dass zum Fall Epstein seit Jahren unzählige Verschwörungserzählungen kursieren, nicht zuletzt deshalb, weil ein Teil der Akten bislang nicht veröffentlicht wurde. Vor allem in der extrem rechten Blogger-Sphäre hat sich eine Art Epstein-Obsession entwickelt. In diesen Erzählungen geht es häufig darum, dass der sogenannte „Deep State“ am Werke sei, um die volle Wahrheit zu vertuschen und den Siegeszug der Rechten in Amerika zu untergraben. Zu den bekanntesten Bösewichten dieser Verschwörungsgeschichten zählen Bill und Hillary Clinton sowie der frühere US-Präsident Barack Obama. Recht pauschal zusammengefasst wird in diesen Geschichten die These von Epsteins Suizid bestritten und stattdessen die Behauptung von einem Auftragsmord des Deep State in den Raum gestellt, um prominente Linksliberale zu schützen. Zu jenen, die solche Theorien verbreiten, gehört unter anderem auch der frühere Fox-News-Moderator Tucker Carlson, der mit Trump im Wahlkampf aufgetreten war.
Rechte Blogger und Podcaster drängen die US-Regierung seit Jahren dazu, die restlichen Epstein-Akten zu veröffentlichen. Das musste sich Trump genauso anhören wie sein Vorgänger Joe Biden. Einer derer, die Epsteins Suizid in der Vergangenheit immer wieder vor einem Millionenpublikum angezweifelt hatten, war auch Dan Bongino. Noch im Januar dieses Jahres erzählte er in einem Podcast von dem Verdacht, dass Epstein getötet wurde, weil er zu viel in der Hand hatte, um andere zu erpressen. Diese komplett haltlosen Gerüchte bezeichnete Bongino als „super wichtig“.
Inzwischen ist Dan Bongino aber der stellvertretende FBI-Chef. Es gehört zu den Absurditäten der USA im Jahr 2025, dass diese Behörde jetzt von jenen Menschen geleitet wird, die sie kürzlich noch mit Verschwörungsmythen überzogen haben. In seiner neuen Rolle sagte Bongino dieser Tage auf Fox News, es gebe „nichts“ in den Akten, das darauf hindeute, dass Epstein durch etwas anderes als durch Suizid gestorben wäre. Das sei im Übrigen alles gar nicht so spektakulär.
Nachdem Elon Musk den Fall nun aber auf die höchstmögliche Streitebene gehoben hat, dürften die Rufe nach einer vollständigen Veröffentlichung der Akten womöglich das politische Lager wechseln.