Englands Kinderschutzbeauftragte Rachel de Souza hat Dutzende Kinder im Land befragen lassen, um sich ein Bild von ihren Lebensumständen zu machen. Herausgekommen sind ihr zufolge »erschütternde Berichte«. Für viele Minderjährige in England seien Entbehrungen zur Normalität geworden.
De Souza warnte zudem vor einem »Dickens'schen Ausmaß« an Armut und bezog sich damit auf den Schriftsteller Charles Dickens. Dieser hatte im 19. Jahrhundert in Werken wie »Oliver Twist« immer wieder ein kritisches Schlaglicht auf die Themen Armut und soziale Ungerechtigkeit geworfen.
Laut einer Pressemitteilung der Kinderschutzbeauftragten wurden für den nun veröffentlichten Bericht 128 Minderjährige zwischen sechs und 18 Jahren in ganz England befragt. Die Erhebung fand demnach im Zeitraum von Januar bis März dieses Jahres statt. De Souza zeigte sich alarmiert vom Ergebnis.
Wunsch nach einem sicheren Zuhause ohne Ratten und Schimmel
Die Kinder hätten erschütternde Dinge erzählt, sagte sie. »Sie sprechen nicht über ›Armut‹ als abstraktes Konzept, sondern darüber, dass sie nicht über die Dinge verfügen, die die meisten Menschen als grundlegend ansehen würden«, so die Kinderschutzbeauftragte und zählte eine Reihe von Beispielen auf: »ein sicheres Zuhause, das nicht schimmelig oder voller Ratten ist, mit einem Bett, das groß genug ist, um sich darin auszustrecken. ›Luxus‹-Lebensmittel wie Speck. Einen Platz zum Erledigen der Hausaufgaben. Heizung, Privatsphäre im Badezimmer und die Möglichkeit, sich zu waschen. Ihre Freunde zu Besuch zu haben und nicht stundenlang zur Schule fahren zu müssen.«
De Souza sagte dem britischen »Guardian« zudem, dass sie eine deutliche Veränderung in der Art und Weise festgestellt habe, wie junge Menschen über ihr Leben sprechen, seit sie vor vier Jahren Kinderbeauftragte wurde. »Themen, die traditionell als ›erwachsene‹ Sorgen angesehen wurden, werden nun von Kindern sehr stark wahrgenommen«.
In dem Bericht heißt es weiter, es sei »zutiefst besorgniserregend, wie oft Kinder diese unzureichenden Situationen als normal zu akzeptieren scheinen oder beunruhigend niedrige Erwartungen an das haben, was ihnen zustehen sollte«.
De Souza nimmt Regierung in die Pflicht
In »einer der reichsten Gesellschaften der Welt« sollten sich die Regierenden »schämen, dass Kinder mit dem Wissen aufwachsen, dass ihre Zukunft von ihren finanziellen Verhältnissen bestimmt wird«, sagte sie.
Wie der »Guardian« berichtet, lebten im Vereinigten Königreich jüngsten Zahlen zufolge bis April 2024 4,5 Millionen Kinder in Armut. De Souza forderte von der Regierung Reformen.
Besonders kritisierte sie die Zwei-Kind-Grenze für bestimmte staatliche Leistungen wie etwa Kindergeld. Diese wurde 2017 von der konservativen Regierung eingeführt. De Souza sagte, es gebe »keine schnelle Lösung zur Beendigung der Kinderarmut«, aber es sei »ganz klar, dass jede Strategie zur Bekämpfung der Kinderarmut auf der Abschaffung der Zwei-Kind-Grenze beruhen muss«.