Ein abgeklärtes Startelf-Debüt als Bewerbung für mehr: Beim 3:0-Sieg in Hannover zeigt Herthas Hoffnungsträger Kennet Eichhorn einen Mix aus Mut und Hirn.

Ausnahme-Talent: Herthas Kennet Eichhorn (im Zweikampf mit Maurice Neubauer) gab in Hannover ein bemerkenswertes Startelf-Debüt. IMAGO/Noah Wedel
Verkrampft wurde es - wurde er - erst ganz zum Schluss, im Wortsinne. Nach 88 Minuten lag Kennet Eichhorn auf dem Rasen der Heinz von Heiden Arena, ausgepumpt nach einem kräftezehrenden Spiel, mit streikender Muskulatur. Wenige Augenblicke später war Schichtschluss für Berlins Jüngsten - und neben einem fulminanten 3:0-Sieg beim zuvor in der Liga unbefleckten Tabellenführer brachte der Abend in Hannover den nächsten Beweis, dass bei Hertha BSC ein Hochbegabter heranwächst. Einen "Super-Jungen" und "unglaublichen Fußballer" nannte Kapitän Fabian Reese den Mittelfeldspieler nach Abpfiff. Und Coach Stefan Leitl, der mit Hymnen auf einzelne Spieler sonst eher sparsam umgeht, sagte: "Ich fand es unfassbar, wie der Junge heute hier gespielt hat. Er spielt gegen die momentan beste Mannschaft der Liga vor 50.000 Zuschauern und spielt so ein Ding runter. Hut ab einfach!"
Für den 16-jährigen Eichhorn kam der 17-jährige Lum
Eichhorn, der am 10. August im Alter von 16 Jahren und 14 Tagen mit seiner Einwechslung im Heimspiel gegen den Karlsruher SC (0:0) zum jüngsten Zweitliga-Spieler der Geschichte avanciert war, gab am Samstagabend auf der Doppel-Sechs ein bemerkenswertes Startelf-Debüt. Der Jüngste spulte sein Programm mit einer Selbstverständlichkeit ab, als habe er nie etwas anderes gemacht oder im Sinn gehabt. "Mit 16 Jahren so einen abgeklärten Auftritt: in der Zweikampfführung, in der Ballbehauptung, in der Spielfortsetzung - das ist unglaublich", konstatierte Leitl. Mitspieler Marten Winkler, dessen Tor zum 1:0 das Spiel in Herthas Richtung lenkte, sagte: "Ein unglaublicher Junge. So viel Talent sieht man selten."
In Eichhorns Veranlagung bündeln sich die Qualitäten eines Strategen, der in seiner Spielweise Mut und Hirn vereint. Er kann das Spiel der eigenen Mannschaft wahlweise beruhigen oder beschleunigen - und trifft auch in Bedrängnis auffallend oft die richtige Entscheidung, auch beim Ziehen einer Gelben Karte (82.), um eine potenziell gefährliche Situation schon im Ansatz gedankenschnell zu löschen.
Leitl: "Der Berliner Weg wird fortgesetzt"
Um den Kapitän der deutschen U-17-Nationalmannschaft hatten im Frühjahr und Frühsommer etliche Topklubs geworben, Anfang Juli hatte Eichhorn seinen Vertrag in der Hauptstadt langfristig verlängert. Bei Hertha bekommt er idealerweise beides: die Gelegenheit, sich zu zeigen und bei den Profis schon früh Verantwortung zu übernehmen - und die Zeit, weiter zu reifen. "Wir sollten ihn schützen und uns daran freuen, wenn er gut spielt, ihm aber auch die Zeit geben, wenn's mal nicht ganz so gut läuft", sagte Reese.
Seinen überzeugenden Auftritt beim Spitzenreiter hätte Eichhorn sogar mit einem Tor krönen können. Doch nach Husseyn Chakrouns missglücktem Rückpass blieb Eichhorn auf Höhe der Mittellinie an 96-Keeper Nahuel Noll hängen (59.). "Ich glaube, das war die einzige Entscheidung im Spiel, die er nicht optimal getroffen hat", befand Leitl, der in der Schlussphase mit Boris Mamuzah Lum einen 17-Jährigen für den entkräfteten Eichhorn brachte. "Der Berliner Weg wird weiter fortgesetzt", sagte Leitl. "Wir haben tolle Talente. Diese Talente brauchen aber auch Unterstützung und die älteren, erfahrenen Spieler." So wie in Hannover.
Steffen Rohr