Ein Marsmensch in mindestens 2,20 Metern Höhe

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Ein Tor, das Geschichte schrieb. Cristiano Ronaldos Fallrückzieher in Turin im April 2018 verzückte die Fußballwelt. Unvergessen bleibt aber auch die spektakuläre Aufholjagd von Juve im Bernabeu, die in der 97. Minute jäh beendet wurde - von CR7.

 Cristiano Ronaldo gelang ein Tor, das man sonst nur auf der PlayStation sieht.

Bein gezeigt: Cristiano Ronaldo gelang ein Tor, das man sonst nur auf der PlayStation sieht. imago images/Shutterstock

Wie sehr sich doch die Gesichter von Juventus Turin und Real Madrid seit dem letzten Duell in der Königsklasse vor siebeneinhalb Jahren verändert haben. Bei der Alten Dame ist von damals nur Daniele Rugani übrig, in Madrid sind es noch Dani Ceballos und Dani Carvajal.

Auf dem Platz stand bei den beiden legendären Duellen im Champions-League-Viertelfinale 2018 aber nur Carvajal. Der Real-Rechtsverteidiger, der Cristiano Ronaldo an einem denkwürdigen Abend in Turin dazu trieb, sich Flügel wachsen zu lassen.

Es war nicht gerade die beste Flanke in Carvajals Karriere, aber für kaum eine dürfte ihm der geneigte Fußballfan dankbarer sein. Denn in der Mitte schraubte sich auf einmal CR7 in ungeahnte Höhen und erzielte per Fallrückzieher ein Tor, das als das schönste in seiner Karriere gilt. Eines, über das die spanische Tageszeitung El Pais schrieb: "Ronaldo hat mit seinem Fallrückzieher nach zehn Jahren endlich bewiesen, dass er fliegen kann."

Aber auch ein Treffer, der aus vielerlei Gründen eigentlich nie hätte fallen dürfen. Weil nach einem langen Ball von Marcelo ausgerechnet die beiden Juve-Routiniers Gigi Buffon und Giorgio Chiellini wirkten, als wären sie nur flüchtige Bekannte. Weil der torhungrige Ronaldo nach Chiellinis ziemlich verunglückter Rettungsaktion eben nicht direkt auf das Tor schoss, sondern zum besser postierten Lucas Vazquez auflegte. Weil Vazquez zu zaghaft abschloss und so dem schlecht postierten Buffon die Gelegenheit gab, das Leder zur Seite abzuwehren. Und weil Carvajal bei seiner Flanke kaum Ellbogenfreiheit hatte, da Alex Sandro ihm auf den Füßen stand, der Brasilianer die Flanke aber dennoch gestattete.

Und natürlich, weil dieses Tor aufgrund der geltenden physikalischen Gesetze nahezu unmöglich erschien. Cristiano Ronaldo hebelte sie aus und sich selbst in ungeahnte Höhen. Wie hoch genau, darüber stritten anschließend die spanischen Medien. Die Marca wollte gemessen haben, dass der damals 33-Jährige den Ball in einer Höhe von 2,38 Meter getroffen hatte, bei der AS waren es "nur" 2,20 Meter.

Es war jedenfalls hoch genug, damit sich Real-Coach Zinedine Zidane am Spielfeldrand in einer Mischung aus Erstaunen und Begeisterung mit der rechten Hand erst die Glatze rieb und sie anschließend schüttelte, als hätte er sie sich im strömenden Regen von Turin irgendwo verbrannt. "Ich bin Coach von Real, aber auch ein Fußballfan. Wenn ich so etwas sehe, ist es nur normal, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen", rechtfertigte sich der Franzose. Der Corriere dello Sport erkannte in Ronaldo einen "Marsmenschen". Auch, weil ihm vor dieser Wahnsinnstat ja schon der Treffer zum 1:0 gelungen war und er später den 3:0-Endstand von Marcelo vorbereitete. "Es gibt Abende, an denen man der Leistung huldigen muss. Gegen einen Cristiano Ronaldo in Partylaune gibt es kaum etwas auszurichten", schrieb die italienische Sportzeitung weiter.

Was sie für mich gemacht haben, ist unglaublich. Das ist mir in meiner bisherigen Karriere nicht passiert.

Das sahen auch viele Juve-Fans auf den Rängen so. Ein Schulterzucken, ein Blick im Sinne von "Kann man nichts machen" zum Nebenmann - und dann stehender Applaus für den Außerirdischen, der seinen Augen kaum traute. "Für mich war es ein unglaublicher Moment, als das Stadion für mich aufgestanden ist. Ich muss den Juventus-Fans danken. Was sie für mich gemacht haben, ist unglaublich. Das ist mir in meiner bisherigen Karriere nicht passiert", sagte Ronaldo und schloss mit einem "Grazie!".

Entscheidend für das damalige Viertelfinalduell war aber letztlich nicht dieser Wahnsinnstreffer aus elf Metern - sondern ein Elfmeter. Juventus schaffte im Rückspiel im Bernabeu schließlich das schier Unmögliche und holte das 0:3 aus dem Hinspiel auf. Zwei Treffer von Mario Mandzukic und einer von Blaise Matuidi egalisierten das Ergebnis. Schon ab der 61. Minute stand es 3:0 für die Italiener.

CR7 entscheidet auch das Rückspiel

 Cristiano Ronaldo dankt den Juve-Fans für den Applaus.

Grazie: Cristiano Ronaldo dankt den Juve-Fans für den Applaus. imago images/HochZwei/Syndication

In der letzten Szene der dreiminütigen Nachspielzeit köpfte jedoch Ronaldo das Leder zu Lucas Vazquez, der hinterrücks von Medhi Benatia angegangen wurde. Der Ex-Münchner traf Gegenspieler und Ball, Referee Michael Oliver aus England gab den strittigen Strafstoß. Das brachte Buffon dermaßen auf die Palme, dass er wegen Schiedsrichterbeleidigung vom Platz flog.

Nach endlosen Diskussionen musste sich somit Ersatzkeeper Wojciech Szczesny in der 97. Minute mit Ronaldo messen und war gegen ihn chancenlos. 1:3, Real hatte den Hals gerade so aus der Schlinge gezogen. Ende Mai gewannen die Königlichen dann das Finale gegen Liverpool um den unglücklich agierenden Keeper Loris Karius (und diesmal mit einem Bale-Fallrückzieher) 3:1.

Ein paar Wochen später verließ Ronaldo nach neun Jahren Real Madrid. Und nicht ganz zufällig verschlug es den Angreifer, der in so vielen Spielen Hohn und Spott von gegnerischen Fans ausgesetzt war, zu Juventus Turin. Dass ihn zu dieser Entscheidung auch die Reaktionen der Juve-Fans auf sein Traumtor bewogen hatten, daraus machte er keinen Hehl.

Christoph Laskowski

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