Eddie Palmieri gestorben: Für ihn war das Klavier auch Schlagzeug

vor 2 Tage 3

Kopfgeburten waren diese Klänge nie, eher somatische Stimulanzien, die sofort in die Beine fuhren. Für Eddie Palmieri war das Klavier immer auch ein Schlagzeug. Auf einem Bösendorfer-Flügel hätte er wohl vor allem Honkytonk-Töne produziert, mit denen mühelos der Geräuschpegel einer Tanzhalle oder vollen Kneipe übertönt worden wäre. Selbst wenn er einmal auf vollgriffige Blockakkorde in beiden Händen verzichtete und Töne aneinanderreihte, kamen keine Perlenketten dabei heraus, eher Geräusche wie von Chain-Gangs auf der Flucht.

Eddies Eltern waren aus Puerto Rico nach Spanish Harlem eingewandert. Das hat ihn geprägt. Leonard Bernstein, Stephen Sondheim und Jerome Robbins müssen Typen wie ihn im Sinn gehabt haben, als sie die Ideen für ihre gemeinsame West Side Story entwickelten. In die Gang der Sharks hätte Eddie perfekt gepasst. Seine Musik: eine Art Oxygen Cocktail aus Latin, Salsa, Jazz und Funk ebenso.

Mit Posaunen nach Mozambique

Im Alter von vier Jahren trat er mit dem älteren Bruder Charlie schon bei Talentwettbewerben auf. Mit sieben begann er mit dem Klavierspiel, mit vierzehn gründete er seine erste Band, und mit neunzehn wurde er professioneller Musiker, zunächst im Orlando Marín Conjunto, von 1958 an für zwei Jahre in Tito Rodríguez’ Bigband, wo er Klavier spielte und sang. Nachdem ihm dort mit dem Argument gekündigt wurde, er ruiniere mit seinem rabiaten Anschlag das Klavier, gründete er seine eigene Conjunto La Perfecta, für die er einen ganz eigenen Sound mit zwei oder drei Posaunen und Flöte im Bläsersatz entwickelte, etwa auf „Mozambique“ (1965).

DSGVO Platzhalter

Das Ensemble gehörte mit seinen rhythmisch vitalen Arrangements und dem kraftstrotzenden Klavierspiel Palmieris in den frühen Sechzigern zu den populärsten Latin Jazzbands von New York. Es nahm zahlreiche Platten auf, auch zwei sehr erfolgreiche mit dem Jazzvibraphonisten Cal Tjader, „El Sonido Nuevo“ (1966) und „Bamboleate“ (1967).

Ein Konzert im Gefängnis Sing Sing

Nach der Auflösung von La Perfecta setzte Palmieri seine Karriere in wechselnden eigenen Bands fort und erweiterte sein Spektrum um Fusionen von afrokaribischen Klängen und Themen aus dem Voodoo-Kult von Haiti, Kuba und Brasilien mit Rhythm & Blues und Rock. Mit seiner Soul-Band Harlem River Drive gab er 1974 ein Konzert im Gefängnis Sing Sing, das live mitgeschnitten wurde. 1983 lebte er zeitweilig in Puerto Rico, kehrte aber bald wieder nach New York zurück, wo er Aufnahmen mit David Sanborn, Brian Lynch und Mike Stern herausbrachte und zu einem der Exponenten des weltweiten Salsa-Booms wurde.

Mit der Einspielung von „La Verdad/The Truth“, die den Sänger Tom Vega präsentierte, gewann Eddie Palmieri 1987 seinen fünften von insgesamt acht Grammys. Eine seiner letzten Aufnahmen, „Sabiduría“ von 2017, zeigt noch einmal seine ganze rhythmische Präsenz am Klavier. Am Mittwoch ist er im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in New Jersey gestorben.

Gesamten Artikel lesen