Düsseldorf nomadisch: Kunsthalle droht Vergessen nach Schließung

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Streit um die Kunsthalle Düsseldorf springe „immer wieder wie ein Teufelchen aus der Kiste“, hieß es schon vor fünfundzwanzig Jahren in dieser Zeitung: Der Kunstbunker am Grabbeplatz müsse froh sein, nicht in eine Sparkasse umgewandelt oder gar abgerissen zu werden. Genau das hatte 1967, direkt nach seiner Eröffnung, eine Riege von Akademie-Professoren in populistischer Rhetorik gefordert. Auch von kommunaler Seite aus wurde der Bau im Stil des Betonbrutalismus später infrage gestellt.

Seit sie 2024 unter Denkmalschutz gestellt wurde, muss die Kunsthalle um ihren materiellen Fortbestand nicht mehr fürchten, wohl aber steht eine abermalige Sanierung für das Gebäude an, das auf Entwürfe von Beckmann und Brockes sowie dem Düsseldorfer Hochbauamt unter Friedrich Tamms zurückgeht und heutigen technischen wie ökologischen Standards nicht mehr genügt. Veranschlagte Kosten: dreißig Millionen Euro.

Seit geraumer Zeit schon grummelt es in der Künstlerschaft über ihre verblassende Strahlkraft – die Kunsthalle war mal Ort viel diskutierter Themenausstellungen –, jetzt sind die Pläne für die Interimsphase in die Kritik geraten, wenn mit ihr der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, der Szeneklub Salon des Amateurs und das Kabarett Kom(m)ödchen ab Frühjahr 2026 für drei Jahre werden ausweichen müssen.

Der Kunstverein, dessen durchaus erfolgreiche Direktorin Kathrin Bentele im Herbst an die schweizerische Kunsthalle Friart in Fribourg wechselt, hat sich für einen Standort in der Altstadt entschieden – mit dem Argument, dann nicht für jede Ausstellung einen neuen Spot suchen zu müssen. Genau umgekehrt lautet die Marschrichtung der Kunsthalle. Deren kommissarische Leiterin Alicia Holthausen favorisiert für die Zwischenzeit eine dicht gedrängte Agenda von Projekten in sämtlichen fünfzig Düsseldorfer Stadtteilen, dies nach Plänen, die noch mit Gregor Jansen geschmiedet wurden, dem aus persönlichen Gründen abgetretenen, langjährigen Direktor.

Das küsntlerische Programm soll in die Stadt getragen werden

Als Schauplätze schweben Holthausen Kindertagesstätten, Schulen, Vereine, Büchereien vor, leer stehende Ladenlokale, Parks, Spielplätze. „Das Programm in die Stadt hinaustragen“, „sich öffnen wollen“, „Personen erreichen, die von einer Institution eher abgeschreckt sind oder das Gefühl haben, sie finden da gar nicht statt“: Solche Stichworte der Leiterin fallen im Gespräch mit der F.A.Z., der Eindruck stellt sich ein, all die Vorhaben in Garath und Wersten, Lohausen, Bilk oder Lörick – Performances, Konzerte und was immer da konkret Gestalt annehmen soll – könnten nicht niedrigschwellig genug angelegt sein.

Gewiss: Die Kunsthalle war immer auch „Ort der Möglichkeiten“, Motto für eine laufende Ausstellungsreihe über den riesigen sogenannten Kinosaal, der lokalen und regionalen Künstlerinnen und Künstlern im Wochenrhythmus „für audiovisuelle Experimente“ zur Verfügung gestellt werden soll. Aber bei aller Wertschätzung für Partizipation und Abhol-Pädagogik stellt sich die Frage, ob die jahrelange Graswurzelarbeit im Kleingarten in der Vorstadt nicht forciert, was die Kunsthalle ausdrücklich vermeiden will: während der Überbrückung in Vergessenheit zu geraten.

Die Zustimmung von Beratungsagenturen wirkt nicht beruhigend

Wenig gemindert wird die begründete Skepsis gegenüber einer „nomadischen Kunsthalle“ durch die Zustimmung von Beratungsagenturen. Diese sollen im Zuge eines offenbar überall angesagten „Change Managements“ die Organisation und ihre Organigramme, Abläufe, Handlungsperspektiven straffen, wenn nicht gar neu denken lehren, so auch im Auftrag der Kunsthalle.

Ein hartnäckig sich haltendes Gerücht gilt es an dieser Stelle indessen zu entkräften: dass für die Kunsthalle und den Kunstpalast am Ehrenhof eine gemeinsame Leitungsstruktur, etwa eine „Generalintendanz“, installiert werden solle. Das höre auch sie immer wieder, aber daran habe sie als Möglichkeit noch nie gedacht, sagt Kulturdezernentin Miriam Koch (Grüne) auf Anfrage der F.A.Z. Ein „absolutes Nein“ dazu bekräftigt auch Alexander Fils, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kunsthalle: Eine Zusammenführung sei wegen der unterschiedlichen Trägerkonstruktionen der Kunsthäuser auch juristisch nicht machbar.

Allerdings sei zu erwägen, ob die Kunsthalle künftig mit ihrem Ableger, dem KIT (Kunst im Tunnel für Nachwuchskünstler) am Rheinufer, „zusammen gedacht“ und also gemeinsam geführt werden solle: „Um nichts anderes geht es in diesen sehr frühen Überlegungen.“ Das ist gewiss kein abwegiger Gedanke. Die Entscheidung solle frühestens in zwei, drei Jahren fallen, wenn auch eine neue Leitung für den Betonkoloss bestimmt wird. Es bleibt abzuwarten, ob man sich an die Kunsthalle dann noch erinnert.

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