Die Cloud hat gewonnen, lokale Anwendungen sind so 1999 – wenn man den Zahlen der Cloud-Risen glauben mag. Doch fein säuberlich im eigenen Haus programmierte Unternehmensanwendungen sind nicht mehr der Stand der Dinge. Vielmehr wandert die Entwicklung hin zu den Facharbeitern mit Low- und No-Code-Tools. Wir haben mit Thore Rabe von OutSystems über den Trend gesprochen.
Als Regional Vice President bei OutSystems verantwortet Dr. Thore Rabe den Vertrieb der KI-gestützten Low-Code-Plattform in der DACH-Region und Osteuropa. Mit über 25 Jahren Erfahrung im IT-Vertrieb bringt er tiefes Marktverständnis und umfassende Führungserfahrung mit. Zuvor verantwortete er die EMEA-Region bei der DevOps-Plattform Delphix sowie bei Dell EMC.
Sie beobachten, dass sich Unternehmen zunehmend gegen Software-Abos entscheiden. Über welche Größenordnungen sprechen wir denn dabei?
Wir sehen den Trend weg von reinen SaaS-Lösungen sowohl bei kleineren Mittelständlern als auch in Großunternehmen. Besonders auffällig ist, dass sich auch traditionellere Unternehmen mit Tausenden Mitarbeitenden zunehmend trauen, kritische Anwendungen selbst zu entwickeln, anstatt sie dauerhaft im Abo zu beziehen. Es geht hier nicht nur um ein paar kleine Tools, sondern teils um ganze Kernsysteme, die zuvor Jahre in teuren Lizenzverträgen steckten.
Handelt es sich bei den Entscheidungen gegen SaaS um klassische wirtschaftliche Gründe oder sind vielmehr Datenschutz und Regulierungen wichtiger?
Beides trifft zu. Wirtschaftliche Faktoren wie hohe Lizenzkosten oder wenig flexible Abo-Modelle, die Budgets langfristig binden, spielen hier eine wichtige Rolle. Gleichzeitig sehen wir aber auch einen starken Wunsch nach mehr Datensouveränität und einer eigenständigen Kontrolle über Systeme. Außerdem lassen sich maßgeschneiderte Lösungen einfacher an neue Vorgaben anpassen, wenn man selbst Herr über die Technologie ist.
Ein Versprechen der Cloud-Riesen ist, dass sie mit ihrer Expertise bessere Anwendungen bauen können – angefangen bei den Features bis hin zur Sicherheit. Wie kann sich da für KMUs mit schmalem Budget der Alleingang lohnen?
Dank Low Code und KI fällt die Einstiegshürde für eigene Softwareprojekte heute deutlich. Früher brauchte man riesige IT-Teams und ein immenses Budget – heute können schon kleine Entwicklerteams komplexe Systeme in Wochen statt Jahren aufbauen. Viele Low-Code-Plattformen und KI-Lösungen bringen Sicherheits- und Compliance-Funktionen gleich mit, sodass KMUs auf Enterprise-taugliche Standards zugreifen können, ohne selbst alles "von Null" aufzubauen.
Ein gutes Praxisbeispiel dafür ist einer unserer Kunden, ein familiengeführtes Unternehmen. Dieses hat seine automatisierten Ausgabeautomaten für C-Teile mit Low Code neu aufgestellt – und das in nur fünf Monaten mit einem zweiköpfigen Entwicklungsteam. Statt wie zuvor 150 verstreute Datenbanken manuell abzugleichen, laufen heute sämtliche Informationen in einer einzigen Plattform zusammen. Dort werden in Echtzeit die Warenbestände von mittlerweile rund 200 Automaten erfasst.
Dadurch dauert die Einrichtung neuer Automaten nun nur noch ein Zehntel der ursprünglichen Zeit, weil alles automatisiert zusammenläuft und keine zeitraubenden Vor-Ort-Checks mehr nötig sind. Das zeigt, dass auch mittelständische Unternehmen äußerst leistungsfähige, individuell angepasste Lösungen umsetzen können, ohne sich auf die teuren Out-of-the-Box-Angebote großer Cloud-Riesen verlassen zu müssen.
Herr Rabe, vielen Dank für die Antworten! Mehr zur Prozessautomatisierung mit No Code, zur Robotic Process Automation (RPA) mit Power Automate und dem Low-Code-Werkzeug FlowiseAI zum Verknüpfen von LLMs finden Interessierte in den aktuellen iX-Artikeln bei heise+.
In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.
(fo)