DOSB: Vorstandschef gefeuert - Streit an der Spitze eskaliert

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Vorstandschef gefeuert An der Spitze des DOSB eskaliert der Streit

Der Vorstandschef beim Deutschen Olympischen Sportbund muss gehen, weil er Kölner Oberbürgermeister werden will. Von Torsten Burmesters politischen Plänen erfuhr Präsident Thomas Weikert erst aus der Zeitung.

28.11.2024, 11.41 Uhr

 Viele hausgemachte Probleme

DOSB-Präsident Thomas Weikert: Viele hausgemachte Probleme

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Thomas Frey / dpa

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Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) gerät einmal mehr in schwere Turbulenzen. Das Präsidium des DOSB hat den Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester freigestellt. Burmester hatte sein Amt erst Anfang 2022 angetreten. Sein Vertrag war zu Beginn dieses Jahres offenbar noch bis 2029 verlängert worden.

Das Verhältnis zu DOSB-Präsident Thomas Weikert ist zerrüttet. Weikert muss sich seinerseits gegen eine Rücktrittsdebatte wehren.

In einer E-Mail an die DOSB-Belegschaft hat Weikert mitgeteilt: »Nach intensiven Gesprächen in den letzten Tagen hat sich das Präsidium des DOSB unter meiner Leitung dazu entschieden, Torsten Burmester zunächst freizustellen. Wir arbeiten aktuell an einer Lösung und werden euch über weitere Schritte zu gegebener Zeit informieren.« Die Freistellung ist offenbar nicht einvernehmlich erfolgt. Öffentlich gab es dazu keine Stellungnahme des DOSB.

Krisengespräche

Weikert hatte vor einigen Wochen nur aus Zeitungen erfahren, dass sein Vorstandsvorsitzender Oberbürgermeister von Köln werden will. Burmester wurde am Freitag als Kandidat der SPD für dieses Amt vorgestellt. Köln wählt im September 2025.

Burmester wollte seinen Wahlkampf und die Amtsführung des DOSB in der Zentrale in Frankfurt am Main parallel führen. Noch während seiner offiziellen Vorstellung als SPD-Kandidat in Köln verschickte der DOSB eine kurze Mitteilung und erklärte, dass der Posten neu besetzt werde, unabhängig vom Wahlausgang.

 »Intensive Gespräche«

Der bisherige DOSB-Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester: »Intensive Gespräche«

Foto: Marijan Murat / dpa

Mit dieser Konsequenz hatte Burmester offenbar nicht gerechnet, obgleich es zwischen ihm und Weikert in den Tagen zuvor bereits Krisengespräche gegeben haben soll. Weder Burmester noch Weikert wollten sich auf SPIEGEL-Anfrage detaillierter zu den Vorgängen äußern.

Burmester teilte lediglich mit, er kommentiere keine Personalentscheidungen. Weikert verwies auf seine Pressestelle, die wiederum erklärte, man habe nichts zu sagen, was über die Mitteilung vom vergangenen Freitag hinausgehe.

»Voll arbeitsfähig«

In seiner kurzen E-Mail an die Belegschaft behauptete Präsident Weikert, der DOSB bleibe »voll arbeitsfähig«. Am 7. Dezember findet in Saarbrücken die nächste Mitgliederversammlung statt. »Wir sind uns sicher, dass wir gemeinsam eine gelungene Veranstaltung stemmen werden.«

An der Arbeitsfähigkeit und an der Kompetenz der DOSB-Führung mehren sich allerdings ernste Zweifel.

Erst kürzlich hat die hauseigene Ethikkommission, geleitet vom ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) eklatante Defizite in der Amtsführung und in der Kommunikation zwischen Präsidium und Vorstand gerügt. Dabei ging es um das intransparente Verfahren der Benennung eines deutschen Kandidaten für die World Games der nichtolympischen Sportarten 2029. Hier hat der DOSB nachweislich Hannover zugunsten von Karlsruhe ausgebootet. Karlsruhe erhielt die World Games, ohne ein Finanzierungskonzept zu haben. Die Niedersachsen riefen die Ethikkommission an.

Aus einem Schreiben des Bundesinnenministeriums geht hervor, dass ein öffentlicher Finanzierungsbedarf in Höhe von 98 Millionen Euro besteht. Besonders delikat daran ist, dass im dubiosen Projekt World Games für Karlsruhe jene Agentur arbeitete, die in vielfältiger Weise auch für den DOSB und parallel für das Internationale Olympische Komitee (IOC) tätig ist: die Planungsberatung Proprojekt aus Frankfurt am Main.

Proprojekt war maßgeblich an mehreren gescheiterten deutschen Olympiabewerbungen beteiligt. In der Folge wurde die Firma sogar mit einer sogenannten »Vermächtnisanalyse« betraut, die vom Sport als angebliche Aufarbeitung des Scheiterns verkauft wurde.

Proprojekt hat für den DOSB zahlreiche andere Aufträge übernommen, etwa den Neubau der Verbandszentrale und die Planung der sogenannten Deutschen Häuser bei Olympischen Spielen. Seit 2023 wurde Proprojekt federführend auch wieder für die Olympiabewerbung verpflichtet, angeblich auf Grundlage einer Ausschreibung, für die der DOSB bislang keinen Nachweis erbringen konnte.

Der Umstand, dass Proprojekt seit Jahren zugleich für das IOC tätig ist, wird vom DOSB nicht als Problem angesehen. Es gebe da keinen Interessenkonflikt. Nach Aussage einer DOSB-Sprecherin »arbeitet Proprojekt weiterhin für das IOC, hat jedoch die ausdrückliche Genehmigung, den DOSB bis zu einem möglichen offiziellen Eintritt in das Bewerbungsverfahren beim IOC zu unterstützen«.

Kein Referendum für deutsche Olympiabewerbung?

Auf der Mitgliederversammlung kommende Woche will der DOSB genau über diesen Eintritt ins internationale Verfahren abstimmen. Eine Formalie. Konzepte für eine Olympiabewerbung liegen bislang nicht vor. Wohl aber ist keine Rede mehr davon, in Referenden und Volksentscheiden die Bürger über eine Bewerbung abstimmen zu lassen. Derlei Formulierungen wurden aus den Entschließungen gestrichen.

Nicht nur das Desaster rund um die World Games führte dazu, dass in Teilen der Politik die Fähigkeit des DOSB infrage gestellt wird, einen Prozess wie die Olympiabewerbung professionell zu handhaben. Kritik gibt es auch aus dem deutschen Sport selbst. Bereits vor den Olympischen Spielen in Paris hatte Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball Bundes, dem DOSB-Präsidenten Weikert den Rücktritt nahegelegt.

Inzwischen debattieren nach Informationen des SPIEGEL einige Verbandschefs und Landessportbünde, ob Weikert nicht eine Fehlbesetzung sei und man die Reißlinie ziehen müsse.

Ein Worst-Case-Szenario

Wie die Trennung des DOSB von Burmester weitergeht, wird spannend. Eine Abfindung zu zahlen, wird dem Dachverband schwerfallen. Denn zu den vielen hausgemachten Problemen kommt ein weiteres hinzu: Die Olympia-Tantiemen des IOC und DOSB reduzieren sich im kommenden vierjährigen Olympiazyklus um etwa 30 Prozent. Deshalb plant der DOSB in den kommenden beiden Jahren mit einem negativen Haushalt. Weikert spricht intern von einem Worst-Case-Szenario.

Wie viele Millionen dem DOSB fehlen, ist nicht bekannt, weil der genaue Betrag der IOC-Überweisungen traditionell verschleiert wird. Das Geld geht an die Deutsche Sport Marketing (DSM), die DOSB-eigene Agentur. Auch hier dominiert die Intransparenz.

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