Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat erneut eine Fortsetzung seines Kurses in der Migrationspolitik angekündigt – trotz des jüngsten Gerichtsurteils zu Zurückweisungen von Geflüchteten an den Grenzen.
„Grenzkontrollen wirken und deswegen setzen wir sie auch fort“, sagte Dobrindt am Freitag im Bundestag bei einer Debatte zur geplanten Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete ohne Asylstatus. „Zurückweisung und Zusammenarbeit mit den Partnern: Das ist unser Motto“, sagte er weiter.
Familiennachzug ist kein Gnadenakt, er ist Voraussetzung für Teilhabe.
Schahina Gambir, Innenpolitikerin der Grünen
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte Anfang der Woche drei Menschen aus Somalia Recht gegeben, die sich gegen ihre Zurückweisung ohne Asylverfahren wehrten. Es erklärte die Zurückweisungen für rechtswidrig. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Dobrindt betonten im Anschluss, dass es sich bei dem Gerichtsurteil nur um Einzelfallentscheidungen handele – beide ließen keine Abkehr von ihrem Migrationskurs erkennen.
Seit Einführung der verschärften Grenzkontrollen sei ein Rückgang der Asylzahlen zu verzeichnen, sagte Dobrindt. Er bekräftige allerdings erneut, dass die Maßnahme „zeitlich befristet“ sein müsse. Dies hatte er bereits im Zuge der Anordnung der Maßnahmen Anfang Mai betont.
Dobrindt wandte sich auch gegen verbale Angriffe gegen das Berliner Gericht. „Was definitiv nicht geht, ist, dass hier Kritik in Form von Gewaltandrohungen gegenüber Richterinnen und Richtern stattfindet“, sagte der Minister im Bundestag.
Die geplante teilweise Aussetzung des Familiennachzugs löste im Bundestag eine teils emotional geführte Debatte aus. „Die illegale Migration, sie hat eine Grenze, und die Integrationsfähigkeit unseres Landes, sie ist erreicht – und deswegen müssen wir sie zurückdrängen, die illegale Migration“, sagte Dobrindt. Von Grünen und Linken kam scharfe Kritik.
Illegale Migration sei eine der großen Herausforderungen in der Europäischen Union, so Dobrindt. Man müsse sie national und europäisch gleichermaßen beantworten. Die Bundesregierung werde sich für die Umsetzung und Nachschärfung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems einsetzen. Dazu gehörten auch Asylzentren an den Außengrenzen der EU.
Auf nationaler Ebene brauche es die Aussetzung des Familiennachzugs, so Dobrindt. Auch werde man unter anderem die sogenannte Turbo-Einbürgerung abschaffen, die Liste sogenannter sicherer Herkunftsstaaten erweitern und auch an den verschärften Grenzkontrollen festhalten. Die Lösung beim Zurückdrängen illegaler Migration liege in der Summe vieler Einzelmaßnahmen.
Aus der Opposition kam scharfe Kritik an der geplanten teilweisen Aussetzung des Familiennachzugs. Dieser habe dramatische Folgen und bedeute menschliches Leid sowie die Verhinderung von Integration, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Schahina Gambir.
„Familiennachzug ist kein Gnadenakt, er ist Voraussetzung für Teilhabe.“ Der Schutz von Ehe und Familie gelte für alle. Sie erwarte von einer Partei, die sich christlich nenne, ein klares Bekenntnis zu Familien, und zwar zu jeder Familie.
Ihre Parteikollegin Filiz Polat zitierte sichtlich ergriffen den am Ostermontag gestorbenen Papst Franziskus, nach dem das Gegenteil von Liebe Gleichgültigkeit sei.
Sie rief Union und SPD dazu auf, nicht gleichgültig gegenüber denen zu sein, die Ehepartner, Kinder oder Geschwister in Herkunfts- oder Nachbarstaaten zurücklassen mussten, weil der Fluchtweg zu gefährlich oder zu teuer sei. Die Pläne seien ein Angriff auf das Grundrecht auf Familie und würden gerade einen legalen Einreiseweg einschränken.
SPD-Abgeordnete sind bei Migration zwiespältig
Clara Bünger (Linke) nannte das Vorhaben „antichristlich und familienfeindlich“. Deswegen zählten die Kirchen auch zu den schärfsten Kritikern. „Familien gehören zusammen.“ Mit dem Gesetz würden jedoch weitere Familien auseinandergerissen und weitere Menschen auf gefährliche Fluchtrouten getrieben. Bünger forderte stattdessen, den Familiennachzug zu beschleunigen.
SPD-Abgeordnete zeigten sich in der Debatte hin- und hergerissen. Die Innenpolitikerin Rasha Nasr etwa wies ebenfalls auf die Rolle des Familiennachzugs hin: Er sei wesentlicher Baustein gelingender Integration. Zugleich müssten aber auch andere Faktoren bedacht werden wie Steuerbarkeit, Kapazitäten und gesellschaftliche Akzeptanz. Es gehe um eine Abwägung zwischen Humanität, Ordnung und Integrationsfähigkeit. Man müsse aber offen über Härten sprechen.
Alexander Throm (CDU) sagte, die meisten anderen europäischen Staaten hätten den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten schon ausgesetzt oder begrenzt. Wer arbeite und gut integriert sei, könne zudem einen Arbeitsaufenthaltstitel bekommen und dann seine Familie nachholen. (AFP, dpa)