Die neue Serie von Lena Dunham, „Too Much“, erinnert an „Bridget Jones“: Auf der Suche nach dem englischen Traum

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„Schokolade zum Frühstück“ hieß es im Sommer 2001 in deutschen Kinos, und es schlug die Stunde einer liebenswürdig chaotischen Heldin voller Selbstzweifel. Die Geschichte einer Frau, die mit ihrem Körper haderte, weil er nicht den Hungerhakenidealen der Modeblätter entsprach, und trotzdem ihr Glück findet, hatte allerdings einen in den Nullerjahren noch nicht so erkannten fiesen Effekt: Die unproblematischen Maße der Schauspielerin Renée Zellweger wurden im Film unentwegt zum Problem stilisiert. Manch einer wirft „Bridget Jones“ sogar vor, eine „kollektive Körperbildstörung“ verursacht zu haben.

Die romantische Komödie „Too Much“, die bei Netflix anläuft, erinnert beim ersten Blick stark an „Bridget Jones“: Eine zum Chaos neigende, mollige Frau sucht und findet in London ihr Glück. Selbst zwei Produzenten von damals gehören zum Team. Aber Lena Dunham hat sie geschrieben, die Schöpferin und Hauptdarstellerin der witzigen und frivolen Serie „Girls“. Sie hat mit dieser Serie viel für die Überwindung falscher Körperideale getan, aber auch unflätige Bemerkungen einstecken müssen. Für die Hauptrolle von „Too Much“ stand sie deshalb nicht zur Verfügung. Die stämmige Jessica, die zu Beginn der Geschichte zu Tode betrübt ist und dann ein Liebesleben mit Höhen und Tiefen führt, spielt Megan Stalter.

Der Wunsch: im Bett mit Mr. Darcy oder Hugh Grant

Eine ausgezeichnete Wahl – in der englischsprachigen Fassung. In der deutschen Synchronisation kommt Stalter anstrengend rüber; und Will Sharpe, der einen Musiker spielt, der sich mit Studioaufträgen und Kneipenauftritten durchschlägt (Pate stand Dunhams Ehemann, dem sie tatsächlich in London über den Weg lief), wirkt allenfalls halb so unwiderstehlich.

„Ich bin auf der Suche nach meinem englischen Traum, und ich wollte im Bett liegen mit Mr. Darcy oder Hugh Grant aus den ,British Jones‘-Filmen“, sagt Jessica in einer Streitszene. „Hast du gerade ‚„British Jones“-Filme‘ gesagt?“, entgegnet Felix und schmunzelt. Die Beiläufigkeit, die Stalter und Sharp in solche Sätze einbringen, ist mit den deutschen Stimmen dahin. Auch die vielen Dialoge, in denen es um Sex geht, in allen Details, wirken in der Synchronfassung wesentlich platter als im englischen Original. Die Culture-Clash-Elemente der Serie, ohnehin schwächer, als sie sein könnten, kommen nicht durch.

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Die Story läuft so: Jessica, eine Amerikanerin um die 30, Mitarbeiterin einer Fernsehfirma in New York, ist seit dem Ende ihrer Beziehung zu dem nicht wirklich sympathischen Zev (Michael Zegen) ein Häuflein Elend. Sie kann am Smartphone verfolgen, wie ihr Ex mit einer Influencerin (Emily Ratajkowski) ein neues Leben beginnt, und verarbeitet ihre Verzweiflung mit einem Social-Video-Tagebuch, das nur für sie selber gedacht ist. Eines Tages bekommt sie die Chance, für die Produktion einer Weihnachtssendung nach England zu gehen, und sagt zu. England ist für sie das Land großer Liebesfilme von „Stolz und Vorurteil“ über „Bridget Jones“ bis „Notting Hill“. Immer wieder spielt die Serie auf fernsehgeformte Sehnsüchte an. Schauspieler tauschen zum Beispiel ihre Klamotten für Sekunden mit nostalgischen Kostümen aus.

Das London, in dem Jessica landet, mit Nackedei-Hündin unter dem Arm, hat mit dem London der Filme wenig zu tun: „Notting Hölle“ statt „Notting Hill“. Auf dem Schmuddelklo eines Pubs kommt sie nach dem ersten Schock immerhin mit einem introvertierten, eilig nach Papier suchenden Indiemusiker ins Gespräch. Er geleitet sie höflich nach Hause; ist da, als der Abend durch ihre Tapsigkeit im Krankenhaus endet. Und im Bett landen sie auch.

Eine Liebesgeschichte setzt an, die mit einem One-Night-Stand beginnt und sich anschließend fragt, wie weit die Gefühle zwischen der lauten Jessica und dem leisen Felix wohl tragen. Beide haben Dinge hinter sich, die noch nicht verarbeitet sind. Ein Abendessen beim Chef (Richard Grant), bei dem intimste Themen besprochen werden, dass man sich als Zuschauer windet, wird ebenso zum Lackmustest der Beziehung wie ein Fernsehabend, bei dem er bei „Paddington“ schluchzt und sie vom Handy nicht wegkommt.

Wie alle guten Komödien hat auch diese traurige Szenen. Man hält es nur nicht für möglich im überdrehten und überdiversen Theater des Auftakts. „Too Much“ ist eine Serie, mit der man Geduld haben muss. Das Drehbuch wird die Charaktere noch sehr viel feiner ausleuchten, bekannte Schauspieler wie Naomi Watts oder Stephen Fry bringen Gravitas ein, auf der Tonspur läuft Britpop. Und so sehr ihre quirlige, verbal radikal ungenierte Jessica in der Pilotfolge nervt: Megan Stalter ist zauberhaft. Sie lässt völlig vergessen, dass diese Romcom-Heldin nicht die angeblichen Idealmaße hat. Es spielt keinerlei Rolle.

Too Much läuft bei Netflix.

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