Deutschland – Russland: Droht der nächste Eklat?

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Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti darf der russische Journalist Sergej Feoktistow nicht weiter aus Deutschland berichten. Der Aufenthaltstitel des Leiters der Vertretung des Medienkonzerns Rossija Sewodnija (Russland Heute) ist nicht verlängert worden, wie die Agentur berichtet. Er sei aufgefordert worden, die Bundesrepublik bis zum 19. August zu verlassen. Diese Angaben wurden der Süddeutschen Zeitung von deutschen Behörden bestätigt.

Ein ähnlicher Vorgang hatte im vergangenen November erhebliche diplomatische Spannungen zwischen Deutschland und Russland verursacht. Nachdem der Aufenthalt mehrerer russischer Journalisten nicht verlängert worden war, hatte Russland zwei Mitarbeitern der ARD, einem Korrespondenten und einem technischen Mitarbeiter, die Akkreditierungen entzogen. Ohnehin berichten nur noch wenige deutsche Journalisten aus Russland, es wird immer schwieriger, eine Akkreditierung zu erhalten. Nun wird befürchtet, dass Russland weitere deutsche Journalisten des Landes verweisen könnte.

Weder die Bundesregierung noch das deutsche Außenministerium wollen diesen einzelnen Vorgang bislang kommentieren. Dies auch, da das Berliner Landesamt für Einwanderung und nicht die Bundesregierung dafür zuständig ist, Aufenthaltstitel zu vergeben. „Russische Journalistinnen und Journalisten in Deutschland können völlig frei und ungehindert arbeiten“, heißt es in der Antwort des Außenministeriums. „Russland geht im eigenen Land massiv repressiv gegen freie Meinungsäußerungen und Pressefreiheit vor. Auch ausländische Journalistinnen und Journalisten bleiben hiervon nicht verschont.“

Es geht um die Beeinträchtigung der „Interessen der Bundesrepublik“

Auch das Berliner Landesamt selbst will zu dem Bericht der russischen Nachrichtenagentur keine Stellung beziehen, doch waren in der Vergangenheit bereits mehrere Fälle bekannt geworden, bei denen das Amt russischen Journalisten den weiteren Aufenthalt in Deutschland verwehrt hatte. Grundlage dafür ist der Paragraf 5 des Aufenthaltsgesetzes, in dem es unter anderem heißt, ein Aufenthalt können verweigert werden, wenn „aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet“ seien.

Im vergangenen Jahr waren davon vier Journalisten verschiedener russischer Medien betroffen. Darunter auch der Berliner Korrespondent des Perwyj Kanal (Erster Kanal) Iwan Blagoj und sein Kameramann. Das Landesamt begründete seinen Schritt unter anderem damit, dass von den Betroffenen Fehlinformationen und Propaganda verbreitet werde.

2016 hatte Iwan Blagoj für Aufsehen gesorgt. als er im Perwyj Kanal über eine 13-Jährige berichtet hatte, die in Berlin von Migranten entführt und vergewaltigt worden sei. Das Video des Berichts wurde in den digitalen Medien millionenfach geteilt, Rechtsextreme in Deutschland mobilisierten zu Demonstrationen. Selbst Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte damals Deutschland, nachdem die Polizei festgestellt hatte, dass das Mädchen weder entführt noch vergewaltigt worden war. Lawrow warf den Behörden vor, „die Realität zu übermalen“.

In der EU dürfen einige russische Medienunternehmen nichts mehr verbreiten

Das Agieren des Landesamtes und der russischen Behörden führte im vergangenen November zu gegenseitigen Anschuldigungen zwischen der Bundesrepublik und Russland. Das russische Außenministerium hatte behauptet, Deutschland habe das Büro des vom Kreml kontrollierten Senders Perwyj Kanal geschlossen. Dies bestritt sowohl ein Sprecher der Bundesregierung als auch das deutsche Außenministerium. „Wenn man aufenthaltsrechtliche Vorgaben nicht erfüllt, dann hilft es auch nichts, sich als Journalist beruflich zu betätigen“, sagte der damalige Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Unklar ist auch, ob die Bundesregierung über das Vorgehen des Berliner Landesamtes für Einwanderung informiert war.

Rechtlich ist das Vorgehen des Landesamtes für Einwanderung bislang jedoch unumstritten. Nachdem ein Journalist, der für ein russisches Medium arbeitete, Anfang 2024 gegen eine Entscheidung geklagt hatte, bestätigte das Verwaltungsgericht Berlin das Landesamt. Politisch jedoch wird die Behörde zumindest in Hintergrundgesprächen kritisiert, da ihre Entscheidungen einen diplomatisch sehr sensiblen Bereich beträfen.

Schon kurz nach der russischen Großinvasion in die Ukraine im Frühjahr 2022 versuchte die EU einen harten Schlag gegen Wladimir Putins Propagandaapparat. Brüssel verbot den Medienunternehmen RT und Sputnik, ihre Inhalte in der EU zu verbreiten. Auch die deutschen Ableger der beiden Plattformen sind seitdem offiziell nicht mehr zu erreichen. Ihre Artikel und Videos sind trotzdem weiter in deutscher Sprache im Umlauf, nur eben inoffiziell, meistens via Telegram. Zugleich ist es russischen Journalisten aber gestattet, in den Ländern der EU zu recherchieren und Interviews zu führen.

Das Staatsunternehmen Rossija Sewodnija, dessen deutsche Vertretung der nun zur Ausreise aufgeforderte Sergej Feokistow leitet, ist die Muttergesellschaft von RT und Sputnik. Dazu gehört auch die Nachrichtenagentur Ria Novosti, ebenso wie weitere Medien. Nach Angaben auf der Homepage von Rossjia Sewodnija verteilen diese Plattformen ihre Inhalte in 32 Sprachen und senden allein übers Radio in 19 Ländern. Das „Ziel“, so steht es auf der Website: „akkurate, schnelle, ausgeglichene und objektive Berichterstattung“.

Sergej Feoktistow war vor wenigen Jahren schon einmal selbst Gegenstand der Berichterstattung, nachdem 2022 neben der Vertretung von Rossija Sewodnija in Berlin-Steglitz ein selbstgebastelter Sprengsatz entdeckt worden war. Feokistow erklärte, dies sei nur ein Fall von vielen. „Es gab schon Dutzende solcher Fälle, die wir der Polizei gemeldet haben“, sagte er damals. Im Sommer 2024 wurde der Putin-kritische Russe Dmitry B. in Berlin wegen des Bombenfunds zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt.

Möglicherweise hat es Feokistow nicht ganz unvorbereitet getroffen, nun nicht mehr länger in Deutschland bleiben zu können. Er ist seit 2019 Mitglied beim Verein der ausländischen Presse (VAP), was ihm auch Zugang zu den Pressekonferenzen der Bundesregierung verschaffte. Bislang hatte Fejokistow seine Mitgliedsbeiträge immer gezahlt, in diesem Jahr aber nicht mehr. Deshalb sei seine Mitgliedschaft Anfang Juni „inaktiv“ gestellt worden, heißt es beim VAP.

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