Der Bundespräsident verpackt seine Kritik in sehr viel Dank – aber sie ist trotzdem deutlich zu vernehmen. Isaac Herzog, der israelische Staatspräsident, ist am Montag ins Berliner Schloss Bellevue gekommen. Anlass seines Deutschlandbesuchs ist die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 60 Jahren. Frank-Walter Steinmeier würdigt die Beziehungen dann auch gebührend. „Für uns Deutsche war das ein Geschenk, das wir nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und des Zivilisationsbruchs der Shoah nicht erwarten durften“, sagt der Bundespräsident bei einer Pressekonferenz mit Herzog. Aber dann sagt Steinmeier eben auch den Satz, der von diesem Auftritt vor allem bleiben wird: Die israelische Blockade von Hilfsgütern in den Gazastreifen müsse aufgehoben werden, „nicht irgendwann, sondern jetzt“.
Steinmeier und Herzog sind gut befreundet. Wenige Wochen nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 ist der Bundespräsident zu einem Solidaritätsbesuch nach Israel geflogen. Er hat dort mit Herzog einen Kibbuz besucht, in dem die islamistische Hamas mehr als 130 Menschen getötet hat. Aber das Vorgehen der Regierung von Benjamin Netanjahu im Gazastreifen will der Bundespräsident nicht kommentarlos hinnehmen.
Der Bundespräsident fürchtet, dass das Leid der Menschen in Gaza „die Gräben immer tiefer macht“
Er erkenne das Dilemma, das die Hamas für die israelische Armee verursache, „indem sie sich feige hinter Zivilisten versteckt und dabei weiter Raketen auf Israel abfeuert“, sagt Steinmeier. Er sehe auch das Dilemma, das die Terrororganisation schaffe, indem sie die Hilfslieferungen ausnütze. „Aber ich befürchte auch, dass das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben immer tiefer macht.“
Steinmeier berichtet von seinen Reisen in arabische Länder, bei denen er eine Offenheit für friedliche Lösungen festgestellt habe, die er dort in der Vergangenheit nicht so erlebt habe. Der Bundespräsident spricht von einem „Fenster der Möglichkeit“, das es jetzt gebe. Und er warnt, dass sich solche Fenster wieder schließen können, wenn man sie nicht rechtzeitig nutze.

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Bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem versichert Außenminister Johann Wadephul Israel unverbrüchliche deutsche Unterstützung – er äußert aber auch behutsam Kritik an der Regierung in Jerusalem.
Steinmeier sieht sich als Freund Israels. Und er beklagt, dass sich die Feinde Israels nicht an internationale Regeln halten. Aber er ist der Ansicht, dass Demokratien und Rechtsstaaten nicht über das gewaltige Leid der Zivilbevölkerung in Gaza hinwegsehen dürften. Am Dienstagmorgen fliegt der Bundespräsident für zwei Tage nach Israel. Er wird nicht nur erneut zusammen mit Präsident Herzog den Kibbuz besuchen, er wird auch Premier Benjamin Netanjahu treffen.
Am vergangenen Donnerstag hatte Bundeskanzler Friedrich Merz mit Netanjahu telefoniert. Zumindest laut Mitteilung seines Sprechers übte Merz dabei nur vorsichtige Kritik. In der Mitteilung heißt es, Merz habe seine Besorgnis über „die humanitäre Not in Gaza“ geäußert und seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, „dass bald Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gang kommen“.
Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor - wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Trotzdem hatte Merz noch am Tag nach der Bundestagswahl gesagt, er habe Netanjahu für den Fall eines Deutschlandbesuchs versichert, „dass wir Mittel und Wege finden werden, dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist“.
Inzwischen äußert sich Merz deutlich zurückhaltender. Am Tag seiner Wahl zum Kanzler sagte er: „Israel macht uns allergrößte Sorgen.“ Und am Montag, während der Pressekonferenz von Steinmeier und Herzog, teilte der Regierungssprecher mit, es gebe derzeit keine Einladung an Netanjahu für einen Deutschland-Besuch.