Der Tech-Milliardär und die Apokalypse: Peter Thiels Hoffnung auf Erlösung

vor 18 Stunden 1

Das alte Jahr ging düster zu Ende, doch das neue Jahr beginnt mit Hoffnung auf Erlösung. Zu dieser Ansicht kommt nicht etwa ein Kirchgänger nach der Messe. Es sind die Leser der Wirtschaftszeitung „Financial Times“, denen eine Offenbarungsgeschichte dargeboten wurde, die sie dort wohl eher nicht vermutet haben. So ist es auch nicht der Prophet Johannes, der von einer visionären Verheißung heimgesucht wird. Es ist der Tech-Milliardär Peter Thiel, der in seinem Kommentar „A time for truth and reconciliation“ die zweite Inauguration von Donald Trump als Anbruch einer neuen Zeit verkündet.

Es ist nicht neu, dass Thiel, der unter anderem Paypal und Palantir mitgegründet hat, als Unterstützer der rechten Republikaner auftritt. Doch seine heilsgeschichtliche Grundierung wird immer kruder. Thiel übernimmt die Apokalypse als Vorlage, um eine Zeitenlehre zu entwickeln, in der die Gegenwart so defizitär wie vergänglich erscheint, während das Kommende Fülle und Stabilität verspricht.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wie im biblischen Urtext erfahren wir wenig über die neue Zeit, dafür aber umso mehr über die Krise der alten Zeit, des sogenannten „ancien régime“. Statt das Buch mit sieben Siegeln zu enthüllen, das die Erde mit einer Serie von Katastrophen überzieht, reiht Thiel eine Verschwörungstheorie an die nächste. Es sind skeptische Fragen, die in sozialen Netzwerken wabern, wie die apokalyptischen Reiter durch das kulturelle Gedächtnis galoppieren: Hat Jeffrey Epstein tatsächlich Suizid begangen? Wer steht hinter der Ermordung von John F. Kennedy? War das Coronavirus eine im Reagenzglas erfundene Biowaffe? Und hat Brasilien die Plattform X etwa auf Geheiß der Biden-Regierung verboten? Er begibt sich in die Rolle des Propheten, der bloß die Botschaft verkündet, das Gericht aber tagt später, nach der Amtseinführung.

In der Apokalypse ist es die prachtvoll gekleidete „Hure Babylon“, über die gerichtet wird. Thiel zeichnet mit seinem Kollegen Eric Weinstein ein säkulares Bild, das aber mindestens genauso gut die Einbildungskraft entfesselt: Zu Trägheit und Korruption verführe ein „Distributed Idea Suppression Complex (DISC)“, also ein Netzwerk von Institutionen und Denkweisen, das Innovation unterdrücke. Um das Neue zu erschaffen, muss das Alte erst zerschlagen werden. Der Rückgriff auf die Apokalypse ­ermöglicht es, die Grenze zwischen Ungläubigkeit und Glauben zu überbrücken und das diffuse Misstrauen an eine radikale politische Idee der Erneuerung zu binden.

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