23. Oktober 2025 · Fürs Theater zog Regisseurin und Schauspielerin Maria Schrader nach Hamburg, in die Stadt, in der sie ihre einzige Festanstellung hatte und die sie bis heute prägt. Hier führt sie zu den Orten, die ihr besonders viel bedeuten.
Övelgönne Elbstrand
Ich kam im Herbst 2013 nach Hamburg. Die Proben am Schauspielhaus hatten begonnen, und an einem der ersten Abende ging ich an den Strand. Die großen Kräne am anderen Ufer waren dunkle Silhouetten, die in den Himmel ragten. Ich lief direkt am Wasser, als hinter mir eine tiefe Schiffssirene ertönte. Es war die Queen Mary, die majestätisch und hell erleuchtet dicht an mir vorbei zog. Für die Hamburger mag das normal sein, aber ich hatte noch nie aus solcher Nähe ein so schönes und riesiges Schiff gesehen. Es entfernte sich langsam und verschwand im Dunkeln, vielleicht Richtung Atlantik und dann nach New York, und ich dachte, hier werde ich jetzt sein, vielleicht für Jahre, in einer Stadt mit Hafen, einem Tor zur Welt.
Övelgönne 62–89, 22605 Hamburg
Fischbeisl
Am Strand von Övelgönne weicht der dunkle Zauber im Sommer dem Ansturm vieler Menschen. An schönen Tagen steht man im Sand vor dem Kiosk Schlange. Eine gute Alternative ist das Fischbeisl. Es ist nicht weit weg, sehr lecker und erschwinglich.
Fischbeisl Volkmar Preis, Große Elbstraße 131, 22767 Hamburg
Flohmarkt im Karoviertel
Ein halbes Jahr kam ich bei Freunden unter oder fuhr nachts noch nach Berlin. Dann suchte ich eine Wohnung und fand sie in St. Georg. Meine Familie folgte. Wir entdeckten diesen Flohmarkt, der alles bietet, was der Mensch braucht und auch nicht braucht, und von einem Wochenende zum anderen wurde unsere Hamburger Wohnung ein Zuhause.
Neuer Kamp 30, 20357 Hamburg. Samstags, 8–16 Uhr
Chez Maliks Bar
Die Chez Maliks Bar liegt direkt hinterm Theater und neben einer Tankstelle, die sich für nächtliche Verpflegung eignet. Wenn die Premierenfeiern im Theater ausklingen, geht’s hier oft noch weiter oder erst richtig los. Der liebenswürdige und nicht aus der Ruhe zu bringende Wirt Malik steht selbst hinter der Bar und serviert hausgemachten Wodka namens 040.
Chez Maliks Bar, Kirchenweg 2, 20099 Hamburg
Schauspielhaus
Das Schauspielhaus – Dreh- und Angelpunkt meiner Jahre in Hamburg. Ich hatte in Basel, Berlin und Düsseldorf gespielt, dann immer öfter in Köln, weil mir die Arbeit mit Karin Beier wichtig war. Als sie nach Hamburg wechselte, ging ich mit und wurde Teil eines phantastischen Ensembles. Ich liebe das Schauspielhaus und seine Bühne. Es ist die schönste im deutschsprachigen Raum.
Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Kirchenallee 39, 20099 Hamburg
Zeise-Kinos
Ich weiß nicht, wie oft ich schon im Zeise war. Es ist ein engagiertes Programmkino mit drei Sälen und einem Schwerpunkt auf europäische Filme. Es zeigt Filmreihen, Sneak Previews und Originalfassungen. Mein Film „She Said“ hatte dort seine Hamburger Premiere. Es ist in den schönen Werkhallen einer ehemaligen Schiffsschraubenfabrik untergebracht, mitten in einer lebendigen Gegend von Ottensen, wo man schön essen und trinken oder spazieren gehen kann.
Friedensallee 7–9, 22765 Hamburg
Oberhafen
Lange Zeit war das „Kreativquartier“ ein „No Man’s Land“ mitten in der Stadt, alte Backsteingebäude und riesige Lagerhallen, wo früher die Sattelschlepper ihre Konservendosen abgeladen haben. Heute ist es ein offenes und interessantes Gelände mit Galerien, dem Requisitenfundus der Hanseatischen Materialverwaltung, einer Jazz- und Klassik-Venue (Halle 424) und der stadtbekannten Oberhafenkantine.
Nördlich der U-Bahn-Station Hafencity/Universität
Lichthof-Theater
Ich habe das Lichthof-Theater durch den Regisseur Henri Hüster kennengelernt, dessen Arbeit ich schätze und der hier öfter inszeniert. Es existiert seit 30 Jahren und hat ein auffallend junges Stammpublikum. Das liegt mit Sicherheit an der Vielfalt und Qualität des Spielplans, der sich mit den Fragen unserer Zeit beschäftigt und neben Theater auch Performance, Tanz, Musik und Gesprächsrunden bietet. Hier probt gerade die Tänzerin Chanel (Chantal Krasniqi), die eine Nachwuchsresidenz am Lichthof-Theater absolviert hat.
Mendelssohnstraße 15b, 22761 Hamburg
Dockland
Ein Gebäude direkt an der Elbe, gebaut in der Form eines Schiffs. Nachts leuchtet es wie die „Queen Mary“. Auf einer Seite führen zwei Treppen auf ein beeindruckendes Dach. Von dort sieht man kilometerweit über das Wasser und den Hafen, in der Dämmerung wahrscheinlich besonders romantisch. Ich stieg das erste Mal bei Nacht hinauf und traf oben auf ein Forschungsteam, das futuristische Wärme- und Nachtsichtkameras testete. Hier ging es um die Überwachung des „Tors zur Welt“.
Van-der-Smissen-Straße 143a, 22767 Hamburg
Restaurant Cox
Restaurant Cox – meine zugegeben äußerst luxuriöse „Kantine“, zwischen meiner Wohnung und dem Theater gelegen, nur sieben Minuten zu Fuß vom Bahnhof entfernt. Die netteste Belegschaft, die man sich wünschen kann. Sehr gutes Essen, auch mittags, da ist es ruhiger. Ein schön geschnittener Raum auf zwei Ebenen, zeitlos und klassisch, in dem man sich in jede andere Metropole Europas phantasieren kann.
Lange Reihe 68, Greifswalder Str. 43, 20099 Hamburg
Alter Ritter
Auf eins ist Verlass: Wenn alles und selbst das Chez Maliks schon zu hat, ist der Alte Ritter noch offen und ebenfalls in meinem Bannkreis um das Theater zu finden. Die älteste Kneipe der Stadt gibt es seit 1780: klein, holzvertäfelt und manchmal verraucht, wen wundert’s, wenn da der Ton mal knarzt? Wer aus Berlin kommt, fühlt sich zu Hause. Man kann mit einem verlässlich gemischten Publikum unerwartete Nächte erleben, und wenn man Glück hat, ist die Dartscheibe frei und die Musikbox nicht kaputt.
Zum Alten Ritter St. Georg, St. Georgstraße 1, 20099 Hamburg
Golden Pudel Club
Die Klub-Ikone ist abgebrannt und wieder aufgebaut, hat ein eigenes Plattenlabel, einen phantastischen Blick auf den Hafen und, ja, genießt inzwischen Weltruhm.
St. Pauli Fischmarkt 27, 20359 Hamburg
Bootsverleih am Stadtparksee
Jeder Hamburger weiß es, aber diese Seiten richten sich an Besucher: In Hamburg gibt es mehr Brücken als in Venedig, mehr Kanäle als in Amsterdam, und mit einem Boot die Stadt vom Wasser aus zu erkunden, habe ich mir jahrelang vorgenommen und bis heute noch nicht gemacht. Es ist also auch eine Empfehlung an mich.
Liebesinsel, Bootsvermietung, Stadtpark Hamburg, Südring 5a, 22303 Hamburg
Buchhandlung Felix Jud
In einer prächtigen Passage der Hamburger Innenstadt gelegen, ist diese berühmte Buch- und Kunsthandlung auch Antiquariat, Veranstaltungs-, Begegnungs- und Ausstellungsort mit eigenem Verlag. Ich empfehle, beim Betreten die Zeit zu vergessen.
Felix Jud, Neuer Wall 13, 20354 Hamburg
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