Wenige Tage vor der Eröffnung der Kulturhauptstadt Europas 2025 in Chemnitz sind Polizei und Justiz gegen eine einschlägig bekannte Rechtsextremistin vorgegangen. Die Sicherheitsbehörden stufen die 23-Jährige sowohl als gewaltbereit als auch als psychisch labil ein und halten es für möglich, dass sie einen Anschlag auf das Kulturfestival geplant haben könnte.
Wie ein Sprecher der Polizeidirektion Chemnitz auf Anfrage bestätigte, prüfe man derzeit »intensiv« rechtliche Maßnahmen gegen die Frau, »insbesondere mit Blick auf den 18. Januar« – den Tag der Eröffnungsfeier. Sie sei der Polizei »hinlänglich durch diverse Straftaten bekannt«. Nähere Angaben machte der Sprecher nicht. Nach SPIEGEL-Informationen wurde die 23-Jährige am Dienstag von den Behörden zur Gefahrenabwehr vorläufig in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Hinweise auf konkrete Vorbereitungen für ein Attentat fanden die Fahnder bislang offenbar nicht.
Der Übermächtige
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Gleichzeitig ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz gegen die Frau, die sich zuvor hauptsächlich in Rheinland-Pfalz aufgehalten haben soll. Es bestehe der Verdacht auf Verstoß gegen das Waffengesetz und Störung des öffentlichen Friedens durch Billigung von Straftaten, erklärte ein Sprecher der Behörde auf SPIEGEL-Anfrage. Unter anderem werde der Beschuldigten vorgeworfen, unerlaubt eine Pistole und in zwei Fällen eine Langwaffe besessen zu haben. Die Ermittler stützen sich dabei offenbar auf Fotos in sozialen Medien, die die Rechtsextremistin bei Schießübungen mit einer Handfeuerwaffe und einem Gewehr mit Zielfernrohr zeigen.
Altar mit »Tötungsliteratur«
Bereits im Dezember ließ die Generalstaatsanwaltschaft die Wohnung der Frau in Chemnitz durchsuchen. Dort entdeckten die Fahnder nach SPIEGEL-Informationen unter anderem eine Machete, diverse Messer und einen selbst gebastelten Kalender mit Bildern rechtsextremer Attentäter. Außerdem soll sich dort eine Art Altar mit Kerzen und »Tötungsliteratur« befunden haben. Ermittler stießen zudem auf eine verdächtige Chatnachricht: »Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, einen Menschen zu töten«. Schusswaffen wurden nicht gefunden. Auf Anfrage bestritt die Frau alle Vorwürfe. Auch habe sie nie einen Anschlag geplant.
Die 23-Jährige, die mit einem sächsischen Neonazi liiert ist, soll erst im Herbst nach Chemnitz gezogen sein. Der Polizei und den Sicherheitsbehörden war sie nach SPIEGEL-Informationen bislang mehr als 100-Mal aufgefallen. Seit vergangenem Jahr bewegte sie sich zunehmend bei Aktionen des rechten Spektrums. Sie nahm an einer AfD-Veranstaltung in Mainz und später an Demonstrationen der Neonazi-Parteien »Die Rechte« und »Die Heimat« (ehemals NPD) teil. Im Mai soll sie in Frankfurt am Main den Prozess gegen die mutmaßlich rechtsterroristische »Reuß-Gruppe« besucht haben und von der Polizei aus Gründen der Gefahrenabwehr einer Kontrolle unterzogen worden sein.
»How to be a serial killer«
Ab August nahm die Frau dann mit einer Gruppe junger Neonazis an queerfeindlichen Aufmärschen in Sachsen teil. Die Demonstrationen waren teilweise von Aktivisten der rechtsextremen »Freien Sachsen« angemeldet worden, die seit geraumer Zeit auch gegen die Kulturhauptstadt Chemnitz mobil machen. Bilder zeigen die 23-Jährige zudem beim Sommerfest der »Heimat« in Riesa, wie sie mit dem rechtsextremen »White Power«-Handzeichen für die Kamera posiert.
In der Vergangenheit war die Frau mehrfach mit Beiträgen in sozialen Medien zu Serienmorden und Attentaten aufgefallen. So soll sie ein Facebook-Profil mit dem Spruch »How to be a serial killer« im Titelbild betrieben haben. 2021 soll sie nach SPIEGEL-Informationen in einer Chatgruppe behauptet haben, online eine Schusswaffe aus den USA bestellt, diese jedoch nicht erhalten haben. Im Netzwerk Telegram suchte die Frau offenbar nach Gleichgesinnten. Sie soll Teil einer privaten Chatgruppe gewesen sein, deren Nutzer sich unter anderem über Serienmorde, Schulmassaker und Anschläge auf Moscheen austauschten. Mitglieder der Gruppe stammten offenbar aus Russland, der Schweiz und aus Ostsachsen.