In Pedro Almodóvars Film „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ spielt Carmen Maura eine Frau, die nicht aus dem Bett kommt. Pepa betäubt sich mit Schlaftabletten, seit ihr Liebhaber Iván sie verlassen hat, und zuletzt setzt sie mit einem entsprechend präparierten Gazpacho fast alle außer Gefecht, die bei ihr am Tisch sitzen. Aber nie hat eine Tablettensüchtige im Kino weniger verschlafen gewirkt. Pepa ist nicht nur das Herz, sondern auch die geballte Faust des Films, sie setzt ihre Matratze in Brand, steigt Treppen wie eine Zehnkämpferin und wirft mal eine Schallplatte, mal einen Anrufbeantworter aus ihrem Fenster im fünften Stock, und immer trifft es dabei die Richtigen. Sie ist die Frau, die auf dem drohenden Nervenzusammenbruch wie auf einem Hochseil balanciert, und Carmen Maura hält sie genau in der Schwebe zwischen steinerner Gemütsruhe und nackter Hysterie.
Das war vor siebenunddreißig Jahren. Der Film, wenn man ihn wiedersieht, hat nichts von seiner überschäumenden Energie verloren, sodass man sich fragt, warum Carmen Maura in den folgenden Jahrzehnten nicht zu einer sehr viel berühmteren, international bedeutenden Schauspielerin geworden, sondern immer nur eine Ikone des spanischen Kinos geblieben ist.
Zeugnisse einer symbiotischen Arbeitsgemeinschaft
Die Antwort hat abermals mit Almodóvar zu tun. Als sie ihn Ende der Siebzigerjahre bei einer Theaterproduktion von Sartres „Die schmutzigen Hände“ kennenlernt, ist sie einer gescheiterten bürgerlichen Ehe samt gerichtlichem Nachspiel entkommen, hat Nebenrollen bei Carlos Saura und Pilar Miró und sehnt sich nach Abenteuern vor der Kamera. Almodóvar bringt sie ihr. In seinem ersten Spielfilm „Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande“ ist sie der Mittelpunkt einer Gruppe von Frauen, die das wilde Leben der Madrider Movida-Jahre genießen, in seinem zweiten, „Das Kloster zum heiligen Wahnsinn“, die Schwester Chaos, die sich einen Tiger als Haustier hält. So geht es weiter: die schlagkräftige Hausfrau Gloria in „Womit hab’ ich das verdient?“, Psychiaterin Julia in „Matador“, die transsexuelle Tina in „Das Gesetz der Begierde“ – sie alle sind gleichermaßen Schöpfungen des Regisseurs wie seiner Schauspielerin, Zeugnisse einer fast symbiotischen Arbeitsgemeinschaft.
Und dann kommt „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“. Über den Grund ihres Zerwürfnisses nach den Dreharbeiten haben Carmen Maura und ihr Regisseur Stillschweigen bewahrt, aber man kann sich ausmalen, was passiert ist, wenn man die weitere Karriere der beiden betrachtet. Während Almodóvar auf der Erfolgswelle seines Films zu reiten versucht (und dabei schnell an einen toten Punkt gerät), probiert Maura sich aus. Sie dreht, jetzt als Star, ein Bürgerkriegsdrama mit Carlos Saura („Ay, Carmela!“) und einen Film über die baskische ETA mit Mario Camus. Sie arbeitet mit André Téchiné („Alice und Martin“) und Roger Planchon („Die Kindheit Ludwigs XIV“). Und sie entdeckt Alex de la Iglesia für sich, den neuen wilden Mann des spanischen Kinos, der sie in dreien seiner Filme besetzt, als Rächerin auf hohen Hacken, als Hexe und als Kämpferin gegen eine mörderische Hausgemeinschaft.
So vergehen die Jahre, und ganz allmählich wechselt Carmen Maura von den Mutter- in die Großmütterrollen. Sie war Anfang vierzig, als sie in „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ auftrat, und sie sah umwerfend aus. Und sie ist immer noch umwerfend in „Paulette“ und „Nur für Personal!“, zwei französischen Komödien der Zehnerjahre, nur dass sie jetzt wieder an der Seitenlinie steht, während andere, meist jüngere Frauen das Spielfeld beherrschen. Almodóvar aber, mit dem sie sich endlich wieder versöhnt hat, schenkt ihr eine ihrer schönsten Rollen als von den Toten auferstandene Mutter von Penelope Crúz in „Volver“. So finden die Generationen vor seiner Kamera zusammen. Carmen Maura indessen hat längst noch nicht genug vom Kino. Anfang September lief ihr neuer Film „Calle Málaga“ beim Filmfestival in Venedig. An diesem Montag wird sie achtzig Jahre alt.