606 Euro mehr im Monat. Wer würde das schon ablehnen? Nun: die Bundestagsabgeordneten von AfD und Linken. Dennoch werden die Diäten der Parlamentarier zum 1. Juli um diesen Betrag steigen, und zwar per Automatismus. Das hat der Bundestag am Donnerstagabend mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen beschlossen. Was steckt dahinter? Und warum wird der Beschluss so stark kritisiert? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viel verdienen Bundestagsabgeordnete?
Die sogenannte Abgeordnetenentschädigung beträgt aktuell 11 227,20 Euro – vor Steuern. Hinzu kommt eine monatliche Kostenpauschale in Höhe von derzeit 5349,58 Euro, die etwa für die Miete des Wahlkreisbüros, dortiges Büromaterial oder die Wohnkosten in Berlin aufgewendet werden muss. Sie ist im Gegensatz zu der Diät steuerfrei. Ausgaben für das Berliner Abgeordnetenbüro werden bis zu einer Höhe von 12 000 Euro im Jahr darüber hinaus vom Bundestag direkt erstattet.
Ist das viel?
Das ist eine Frage der Perspektive. Im Grundgesetz ist festgehalten, dass Bundestagsabgeordnete „Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ haben. Aber ab welcher Summe ist das der Fall? Viele Politikerinnen und Politiker der Linken sind der Ansicht, dieser Betrag liege bei exakt 2800 Euro netto. Das sei das Durchschnittseinkommen in Deutschland. Viele Abgeordnete der Linken spenden alles, was über diesen Betrag hinausgeht. Zur aktuellen Erhöhung der Diäten sagt Christian Görke, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion: „Wir finden, das ist nicht nur ungerecht, sondern geht auch an der Lebensrealität der Leute vorbei.“ Parteichef Jan van Aken, bekannt für seine direkte Ausdrucksweise, sagte in der Debatte am Donnerstag: „Die Leute haben die Schnauze echt voll.“
Dirk Wiese, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, sieht das völlig anders. Sowohl die Höhe als auch regelmäßige Erhöhungen seien angemessen und vertretbar. „Wir kriegen als Abgeordnete immer dafür auf den Deckel“, sagte er vor der Abstimmung. „Manchmal hat man das Gefühl, am besten sollte die Arbeit ehrenamtlich stattfinden.“
Was hat der Bundestag genau entschieden?
Seit dem Jahr 2014 setzen die Abgeordneten die Erhöhung ihrer Diäten nicht mehr jedes Jahr selbst fest. Es gibt stattdessen einen Automatismus: Steigen die durchschnittlichen Nominallöhne, erhöhen sich im Juli des Folgejahres auch die Diäten entsprechend. Denkbar wäre theoretisch auch, dass sie bei einer negativen Lohnentwicklung sinken, was jedoch so gut wie nie vorkommt. Die Diäten sind also nicht etwa an die Inflation gekoppelt, wie es in vielen Branchen der Fall ist, sondern an die tatsächlich gezahlten Löhne im Land. Zu Beginn jeder Legislaturperiode muss der neu gewählte Bundestag diesen Vorgang einmal bestätigen. Genau das ist am Donnerstag passiert.
Warum kritisieren Linke und AfD den Beschluss?
Es kommt nicht oft vor, dass AfD und Linke bei einem Thema gleicher Ansicht sind. Sie gelangen jedoch auf verschiedenen Wegen zu dieser Ansicht. Für die AfD äußerte sich in der Debatte am Donnerstag der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner. Er sprach von einem „Diätenerhöhungskartell“. Für die Verwendung des Wortes „Kartell“ zur Beschreibung anderer Abgeordneter wurde er vom Bundestagsvizepräsidenten Omid Nouripour (Grüne) gerügt. Wenig später sprach er dann von den „Syndikatsparteien“, die beim Thema Diätenerhöhung gemeinsame Sache machten. Er schlug vor, die Gehälter jeder und jedes Abgeordneten sollten sich daran orientieren, was die entsprechende Person vor dem Eintritt in den Bundestag verdient habe.
Für die Linke sprach Parteichef Jan van Aken. Er wies darauf hin, dass „auch auf dem Bau und in der Kita“ hart gearbeitet werde. Er selbst habe sein Gehalt beschränkt und spende den Rest an Menschen in Not. Seine Ausführungen schloss er mit dem leicht rätselhaften Satz: „Sie müssen sich nicht wundern, wenn Sie in den nächsten Tagen irgendwohin kommen und gefragt werden: Was machen Sie eigentlich beruflich?“
Was wäre die Alternative gewesen?
Die Abgeordneten hätten sich auch dafür entscheiden können, fortan wieder selbst jährlich über die Höhe der Diäten zu debattieren und abzustimmen. Das hat in der Vergangenheit aber immer wieder zu massiver Kritik geführt, von einer „Selbstbedienungsmentalität“ war bisweilen die Rede, auch im Parlament selbst gab es immer wieder Streit um die Frage, woran sich die Abgeordnetenentschädigungen zu orientieren haben. Daher kam man seinerzeit zu dem Schluss, ein Automatismus sei die objektivste und transparenteste Lösung. Aber wer sich mit der Erhöhung nicht wohl fühle, so SPD-Politiker Wiese, der sei „frei, da möglicherweise auch Geld zu spenden“.