Wichtige Updates
Pistorius: Brauchen bis zu 60 000 aktive Soldaten mehr
Merz zu Antrittsbesuch in Washington eingetroffen
„Free Palestine“: Zwischenfall im Bundestag
Bund will im Alleingang Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen
Kabinett billigt milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen
Weißes Haus ändert Zeitplan des Merz-Besuchs - mit Folgen?
Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine kleine Planänderung. Die Folgen könnten aber gravierend sein, schreibt Daniel Brössler aus dem Berliner Büro der SZ. Ursprünglich sollte Friedrich Merz mit seiner Delegation im Weißen Haus erst einmal mit Donald Trump zu Mittag speisen. Danach erst wären Präsident und Kanzler ins Oval Office gegangen – zur berüchtigten Begegnung mit der Presse. Die Hoffnung im Team des Kanzlers war: Nach einem guten Gespräch beim Essen würde auch die Stimmung im Oval Office freundlich bleiben.
Nun hat das Weiße Haus beide Programmpunkte umgedreht. Erst Oval Office, dann das Mittagessen im Cabinet Room. Das muss nicht bedeuten, dass Merz in die Zange genommen wird wie vor einiger Zeit der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij und danach der Südafrikaner Cyril Ramaphosa. In jeden Fall aber steigt die Gefahr, dass sich der Termin im Weißen Haus weniger harmonisch anlässt als erhofft.
Pistorius: Brauchen bis zu 60 000 aktive Soldaten mehr
Die Bundeswehr braucht für die neuen Nato-Planungsziele zur verstärkten Verteidigungsfähigkeit bis zu 60 000 Soldaten zusätzlich in der aktiven Truppe. Das sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Brüssel vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister, in dem die neuen Ziele gebilligt werden sollen. Gleichzeitig stelle sich Pistorius zufolge die Frage, ob der neue Wehrdienst über die kommenden Jahre ausreiche.
Die Nato will ihre militärischen Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung angesichts der anhaltenden Bedrohung durch Russland extrem ausbauen. Generalsekretär Mark Rutte hatte am Vortag in Brüssel gesagt: „Wir benötigen mehr Ressourcen, Truppen und Fähigkeiten, um auf jede Bedrohung vorbereitet zu sein und unsere kollektiven Verteidigungspläne vollständig umzusetzen.“ Oberste Priorität hätten die Luft- und Raketenabwehr, weitreichende Waffensysteme, Logistik und große Verbände von Landstreitkräften.
In der Bundeswehr war die Zahl der Soldaten im vergangenen Jahr trotz mehr Einstellungen erneut leicht gesunken, während der Altersdurchschnitt stieg. Zum Jahresende 2024 habe es rund 181 150 Soldatinnen und Soldaten gegeben, hatte das Verteidigungsministerium erklärt. Ein Jahr zuvor, am Stichtag 31. Dezember 2023, waren es noch rund 181 500 Männer und Frauen in Uniform gewesen. Erklärtes Ziel waren zuletzt aber 203 000 aktive Soldaten in den Streitkräften gewesen.
Vor einem Jahr hatte Pistorius sein Modell für einen neuen Wehrdienst vorgelegt und dabei auch Zahlen für den Bedarf an Soldaten in der stehenden Truppe sowie der Reserve genannt. Er nannte dabei insgesamt rund 460 000 Soldatinnen und Soldaten: Konkret 203 000 Männer und Frauen der stehenden Streitkräfte, die 60 000 vorhandenen Reservisten sowie 200 000 zusätzliche Reservisten, die nun nötig seien. Militärplaner gehen davon aus, dass die Grenze von 460 000 erhalten bleiben wird, aber deutlich mehr aktive Soldaten und womöglich weniger Reservisten eingeplant werden.
Merz zu Antrittsbesuch in Washington eingetroffen
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist in der Nacht zu seinem mit Spannung erwarteten Antrittsbesuch in Washington eingetroffen. Am späten Vormittag (17.30 MESZ) wird er im Weißen Haus erstmals seit seinem Amtsantritt vor vier Wochen US-Präsident Donald Trump treffen. Geplant sind ein gemeinsames Mittagessen und eine Pressebegegnung im Oval Office (ca. 17.45 Uhr MESZ), dem Büro des Präsidenten.
Im Mittelpunkt des Treffens werden die Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs, die Reaktion der Nato auf die wachsenden Bedrohungen von außen und der Zollstreit zwischen den USA und der EU stehen. Merz hat bereits klargemacht, dass er nicht als „Bittsteller“ nach Washington reist und die europäischen Positionen dort selbstbewusst vertreten wird. Bei den Antrittsbesuchen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und des südafrikanischen Staatschefs Cyril Ramaphosa war es zur offenen Konfrontation gekommen.
Der Kanzler ist Trump erst einmal vor vielen Jahren flüchtig in New York begegnet. Seit seinem Amtsantritt vor vier Wochen hat er aber mehrfach mit ihm telefoniert - zu zweit und in größerer Runde mit mehreren anderen europäischen Staats- und Regierungschefs zum Ukraine-Krieg. Die beiden sprechen sich inzwischen mit Vornamen an und sind regelmäßig per SMS in Kontakt.
„Free Palestine“: Zwischenfall im Bundestag
Die Lage im Gazastreifen hat im Bundestag zu mehreren Zwischenfällen geführt. So wurde eine Frau von der Besuchertribüne geführt, weil sie die Regierungsbefragung mit Außenminister Johann Wadephul (CDU) durch lautstarke „Free Palestine“-Rufe gestört hatte. „Sie werden die Besuchertribüne jetzt verlassen, weil Sie als Besucher nicht befugt sind, hier reinzurufen“, mahnte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU). „Die Debatte findet hier unten statt.“
Zuvor war bereits die Linken-Abgeordnete Cansin Köktürk des Plenarsaals verwiesen worden, weil sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „Palestine“ trug. Klöckner erläuterte, politische Bekenntnisse auf Kleidungsstücken seien im Plenum grundsätzlich nicht erlaubt. Sie habe Köktürk bereits nicht-öffentlich gebeten, das Kleidungsstück zu wechseln, erläuterte Klöckner. Das habe diese offenbar abgelehnt. „Dann würde ich Sie bitten, die Sitzung zu verlassen“ – eine Aufforderung, der die nordrhein-westfälische Abgeordnete dann auch nachkam. Auf der Plattform X kommentierte sie den Vorgang mit den Worten: „Ihr habt alle dermaßen versagt.“
Bereits vor wenigen Wochen hatte Köktürk Aufsehen erregt, als sie sich im Plenarsaal mit einem Palästinensertuch ablichten ließ und das Foto im Internet postete. Vor zwei Wochen wurde ihr Fraktionskollege Marcel Bauer bereits wegen des Tragens einer Baskenmütze des Plenarsaals verwiesen.
Bund will im Alleingang Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen
Das schwarz-rote Kabinett hat eine weitere Reform auf den Weg gebracht, um den angekündigten Kurswechsel in der Migrationspolitik voranzutreiben. Es entschied nach Angaben des Bundespresseamts über eine Formulierungshilfe des Innenministeriums für die Koalitionsfraktionen zur Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsländer: Demnach kann die Bundesregierung diese Einstufung künftig per Rechtsverordnung vornehmen - also ohne Zustimmung des Bundesrats. Denn dort haben Länder mit Regierungsbeteiligung von Grünen und Linken in der Vergangenheit entsprechende Vorhaben blockiert.
Zugleich soll der bisherige Pflichtverteidiger für Asylbewerber in Fällen von Abschiebehaft entfallen, wie der Gesetzentwurf weiter vorsieht. Argumentiert wird, dass praktisch alle Flüchtlinge bis zu diesem Zeitpunkt einen Anwalt hatten.
Es gehe darum, die „Asylwende“ zu vollziehen, sagte Dobrindt, der sich nach der Kabinettssitzung im Innenausschuss den Fragen der Abgeordneten zu den von ihm angeordneten Zurückweisungen Asylsuchender an den Grenzen stellte. Von Deutschlands Nachbarstaaten werde dieser Kurswechsel insgesamt positiv aufgenommen. Politiker der Linken und der Grünen kritisierten, dass der Minister vor seiner Befragung im Ausschuss erst mit Pressevertretern sprach.
Kabinett billigt milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen
Die Bundesregierung hat ein milliardenschweres Paket mit Steuerentlastungen für Unternehmen auf den Weg gebracht. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Das Gesetzespaket von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) soll Firmen Anreize für Investitionen geben – unter anderem durch erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten für Maschinen und Elektrofahrzeuge. Nach dem Kabinettsbeschluss müssen nun Bundestag und Bundesrat beraten und entscheiden. Ziel ist laut SPD ein Beschluss noch vor der Sommerpause Mitte Juli.
Die Superabschreibungen sollen für drei Jahre gelten: 2025, 2026 und 2027. Von 2028 an soll dann die Körperschaftssteuer schrittweise von derzeit 15 Prozent auf 10 Prozent im Jahr 2032 sinken. Das soll den Unternehmen langfristige Planungssicherheit geben und den Standort Deutschland aufwerten.
Bundeskanzler Friedrich Merz rechnet fest mit einer Zustimmung des Bundesrates zu dem Paket. "Uns sind die Sorgen der Länder und Kommunen durchaus bewusst", sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittwoch in Berlin. Allerdings handele sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe mit dem klaren Ziel, durch die Entlastung der Wirtschaft die Investitionen zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen. Wachstum generiere dann auch neue Steuereinnahmen, von denen Bund, Länder und Gemeinden gleichermaßen profitierten.
Finanzminister Klingbeil muss heute im Haushaltsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen. Die Grünen werfen ihm Zahlentricks und Wortbruch vor. Vivien Timmler und Claus Hulverscheidt sind der Frage nachgegangen, ob sie recht haben (SZ Plus):
Polizisten befürchten rechtliche Verfolgung wegen Zurückweisung an der Grenze
Der Vorsitzende der Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, befürchtet juristische Probleme für Polizisten, die an Grenzkontrollen beteiligt sind. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes Berlin, wonach die Zurückweisung von drei Klägern aus Somalia rechtswidrig war, sei zwar eine Einzelfallentscheidung. „Aber es bleibt festzuhalten, dass es Fälle sind, die wir tagtäglich haben, und somit kommt jetzt eine gewisse Verunsicherung im Kollegenkreis auf“, sagte Roßkopf im WDR. Polizisten seien letztlich selbst für ihr Handeln verantwortlich und müssten dafür geradestehen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte es in der ARD-Talkshow „Maischberger“ als „vollkommen abwegig“ bezeichnet, dass Polizisten für ihr Handeln juristisch belangt werden könnten. Roßkopf widersprach dieser Aussage im WDR „ein Stück weit“. Dobrindt habe zwar recht, wenn er sage, dass die Polizisten eine klare Weisung hätten. Aber: „Wenn klar wäre und klar ist, dass diese Weisung letztendlich rechtswidrig ist, dann müssen Polizeibeamte sogenannte Remonstrationspflichten (...) wahrnehmen.“ Sie müssten sie also ausdrücklich kritisieren, um aus der Verantwortung herauszukommen, so Roßkopf. Die Konsequenz daraus sei: „Wir brauchen eine schriftliche Klarstellung, dass die Kollegen in dieser unsicheren Situation klar auf Weisung handeln und auch nicht persönlich für ihre Handlungen im Nachgang eines Gerichtsverfahrens in dieser Sache belangt werden können.“
Ex-Scholz-Berater wird neuer Rüstungsstaatssekretär im Wehrressort
Jens Plötner, zuletzt außenpolitischer Berater des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), wird im Verteidigungsministerium Staatssekretär für Rüstung und Innovation. Mit der Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius löst Plötner (57) den bisherigen Staatssekretär Benedikt Zimmer ab, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.
Zudem werde es im Wehrressort im Einvernehmen mit Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) neben Plötner und Nils Hilmer, der als Amtschef die Verwaltung des Ministeriums verantwortet, einen dritten Staatssekretär geben. Diese Position übernehme Jan Stöß (51), teilte das Ministerium mit. Wegen der veränderten sicherheitspolitischen Lage sei die Zahl der Aufgaben und der damit verbundene Zeitdruck bei der Umsetzung stark gestiegen.
Bas will „mafiöse Strukturen“ bei Bürgergeld-Empfängern zerschlagen
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will gegen den organisierten Missbrauch von Sozialleistungen vorgehen. Wer nicht genügend Geld verdiene, könne ergänzend Bürgergeld beantragen. „Es gibt jedoch ausbeuterische Strukturen, die Menschen aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland locken und ihnen Mini-Arbeitsverträge anbieten“, sagte die SPD-Politikerin dem Magazin Stern. „Gleichzeitig lassen sie diese Menschen Bürgergeld beantragen und schöpfen die staatlichen Mittel dann selbst ab! Das sind mafiöse Strukturen, die wir zerschlagen müssen.“ Notwendig sei hierfür vor allem ein besserer Datenaustausch zwischen Finanzämtern, Jobcentern, Familienkassen und Sicherheitsbehörden. „Und wir müssen stärker überprüfen, ob jemand wirklich Anspruch auf Freizügigkeit hat.“
Die neue Bundesregierung wolle das Bürgergeld in seiner heutigen Form im Grunde beibehalten, nur der Name werde geändert, betonte Bas. Es solle aber Änderungen bei der Anpassung an die Preisentwicklung sowie schnellere Sanktionen geben. Eine rote Linie ziehe sie bei Haushalten mit Kindern. „Da kann man nicht einfach auf null sanktionieren, wie es sich einige erträumen. Aber alle, die Leistungen erhalten, haben eine Mitwirkungspflicht.“ Für die Neuregelung wolle sie zunächst Studien und Berichte auswerten und dann noch dieses Jahr Vorschläge vorlegen, sagte Bas dem Stern.
Opposition und Pro Asyl kritisieren Dobrindt scharf
„Das ist offener Rechtsbruch“, sagte Pro Asyl-Geschäftsführer Karl Kopp dem Evangelischen Pressedienst (epd) dazu, dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) an der Zurückweisung Asylsuchender festhalten will. Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann betonte, Recht sei gebrochen worden „und das kann auf keinen Fall so fortgesetzt werden“. Die Linken-Politikerin Clara Bünger sagte: „Wer die Rechte von Geflüchteten missachtet, gefährdet die Rechte aller.“
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in einer Eilentscheidung geurteilt, dass die Zurückweisungen von Asylsuchenden, die Dobrindt forciert, rechtswidrig sind. Es stützt damit die Argumentation zahlreicher Juristen und Kritiker, dass Deutschland bei Asylgesuchen auch bei Einreisen aus einem sicheren Drittstaat aufgrund des europäischen Dublin-Abkommens zumindest verpflichtet ist, zu prüfen, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist und nicht einfach zurückweisen darf.
Dobrindt will dennoch an den Zurückweisungen festhalten. Er habe ein Interesse daran, dass es nach der Eilentscheidung ein Hauptsacheverfahren gibt, sagte er am Dienstag in Berlin und kündigte an, dafür „eine ausführliche Begründung“ liefern zu wollen. Ob es zu diesem Verfahren aber überhaupt kommt, ist offen. Wie eine Gerichtssprecherin dem epd auf Anfrage erläuterte, könnte das Verfahren auf Antrag der Klägerseite für erledigt erklärt werden, weil bereits im Eilverfahren das Hauptziel erreicht worden sei. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, die die Klagen unterstützte, teilte auf Anfrage mit, dass über den Fortgang bislang nicht entschieden sei. Die Betroffenen würden das nun mit den Anwälten beraten und dann entscheiden, sagte Geschäftsführer Karl Kopp und betonte: „Herr Dobrindt entscheidet es jedenfalls nicht.“ Kopp sagte, er finde es „zutiefst beunruhigend, dass Dobrindt eine solche Rechtsauffassung vertritt“. Er warf dem Innenminister „Tricks“ vor, um Zeit zu gewinnen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Gerichtsurteil (SZ Plus):
Miersch: Kann kein pauschales Zurückweisen von Asylbewerbern geben
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hält ein generelles Zurückweisen aller Migranten und Asylbewerber an der Grenze nicht mehr für möglich. "Wir haben eine Gerichtsentscheidung, die möglicherweise auch absolute Konsequenzen hat", sagte Miersch am Dienstag am Rande einer Sitzung seiner Fraktion. Das Berliner Gericht habe klargemacht, dass zunächst geklärt werden müsse, in welchem Land ein Bewerber sein Asylverfahren durchlaufen müsse. "Deshalb kann es kein pauschales Zurückweisen geben." Auch Bundeskanzler Friedrich Merz habe gesagt, dass die Entscheidung Einfluss auf das weitere Vorgehen habe. Es gehe jetzt um die Rahmenbedingungen für Zurückweisungen. Miersch verneinte die Frage, ob die jetzige Praxis an der Grenze bis zu einer Entscheidung in letzter Instanz so weitergehen könnte. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte dagegen betont, es werde weiter Abweisungen von Asylbewerbern geben.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat dem Podcast „Table.Today“ (Ausgabe für Mittwoch) gesagt, man werde über das Urteil jetzt in der Bundesregierung reden, „aber keine Streitigkeiten offen austragen“. Es sei wichtig, die Gerichtsentscheidung zu befolgen, sagte Hubig. Das Gericht habe verlangt, dass die Kläger das Dublin-Verfahren durchlaufen, aber nicht entschieden, dass alle Asylbewerber ins Land gelassen werden müssten, sagte die Ministerin.
Vorgängerregierungen hatten Zurückweisungen von Asylsuchenden bislang mit Verweis auf das europäische Recht immer abgelehnt. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD stimmten aber auch die Sozialdemokraten der Maßnahme zu.
Schwarz-Rot plant neues Verfahren für „sichere Herkunftsstaaten"
Merz will Asylsuchende weiter zurückweisen
Kanzler Friedrich Merz hält an der Zurückweisung Asylsuchender an der Grenze auch nach der Verwaltungsgerichtsentscheidung fest, mit der dies im konkreten Fall für rechtswidrig erklärt wurde. Die Entscheidung des Berliner Gerichts enge die Spielräume zwar möglicherweise noch einmal etwas ein, sagte der CDU-Chef beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin. „Aber die Spielräume sind nach wie vor da. Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können.“
„Wir werden das selbstverständlich im Rahmen des bestehenden europäischen Rechts tun“, sagte Merz. „Aber wir werden es tun, auch um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Lande zu schützen und die Städte und Gemeinden vor Überlastung zu bewahren.“
Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt zeigt sich überzeugt, „dass die Zurückweisungen in Einklang mit dem Recht sind“. Mit Blick auf die Eilentscheidung des Berliner Gerichts sagte der CSU-Politiker in Berlin: „Unserer Erkenntnis nach ist ein Hauptsacheverfahren anhängig.“ Daher strebe die Bundesregierung eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren an. Es komme maßgeblich auf die Begründung einer Zurückweisung an.
Ronen Steinke kommentiert die Gerichtsentscheidung zur Asylpolitik der Union (SZ Plus):
BSW scheitert vor Bundesverfassungsgericht
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist mit zwei Klagen im Kontext der Bundestagswahl vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das Gericht verwarf beide Organklagen als unzulässig, weil das BSW keine konkrete Verletzung seiner Rechte habe belegen können. Die Argumente der Partei gingen an der geltenden Rechtslage vorbei.
Die junge Partei war bei der Bundestagswahl am 23. Februar mit 4,981 Prozent nur sehr knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und hatte damit den Einzug ins Parlament verpasst. In Karlsruhe klagte das BSW nun, dass der Bundestag keine rechtlich abgesicherte Einspruchsmöglichkeit bei knappem Unterschreiten der Fünf-Prozent-Hürde eingeführt habe. Zudem wandte sich die Partei gegen die Regeln zur Reihenfolge von Parteien auf Stimmzetteln.
Bereits direkt nach der Wahl hatte das BSW das Ergebnis angezweifelt. Es argumentierte mit Erkenntnissen einzelner Nachzählungen an mehreren Orten. Diese hätten gezeigt, dass BSW-Stimmen falsch zugeordnet oder als ungültig gewertet worden seien. Schon damals wandte sich die Partei ohne Erfolg an das Bundesverfassungsgericht.
SPD-Politiker Stegner kritisiert Dobrindt wegen Zurückweisungen von Asylsuchenden
Nach der Berliner Gerichtsentscheidung zu Zurückweisungen von Asylsuchenden hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner Bundesinnenminister Alexander Dobrindt vom Koalitionspartner CSU deutlich kritisiert. Die SPD habe in der Asylpolitik immer „auf Humanität und die Einhaltung der deutschen und europäischen Rechtsgrundlagen an unseren Landesgrenzen bestanden“, sagte Stegner dem Spiegel. Dies hätten die Konservativen stets lässig zurückgewiesen.
Im jüngsten Wahlkampf habe es dann „die bekannte flotte Zurückweisungsrhetorik der Union gerade aus der CSU“ gegeben. Diese stehe nun vor dem Praxistest im Regierungshandeln. „Das wird für Herrn Dobrindt möglicherweise nicht ohne ein paar politische Schrammen abgehen – so was kommt von so was“, sagte Stegner dem Magazin zufolge. Er hatte in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD das Kapitel zur Innen- und Migrationspolitik mitverhandelt.
Das Berliner Verwaltungsgericht stufte am Montag die von Dobrindt veranlassten Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze in drei Fällen als rechtswidrig ein. Der will davon aber nicht lassen: Das Gericht habe sich in seinem Eilverfahren auf einen Einzelfall bezogen, man strebe eine Entscheidung im Hauptverfahren an, sagte er in einer Reaktion. „Wir halten im Übrigen an den Zurückweisungen fest.“