Bundespolitik: Weidel und Chrupalla bekommen drastische Gehaltserhöhung

vor 5 Stunden 1

Die AfD-Chefs lassen sich ihre Zulagen von der Fraktion verdoppeln, die Partei ist damit Spitzenreiter in der Opposition. Die frühere Kanzlerin Merkel kritisiert Asyl-Zurückweisungen an der Grenze.

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.

Wichtige Updates

Linken-Chefin: Klöckner ist nicht neutral 

Merkel hält Zurückweisungen für rechtswidrig, Kanzleramtschef widerspricht

Union fordert von SPD mehr Einsparungen

SPD-Parteitag beschließt Vorbereitungen für AfD-Verbot 

Bundesregierung will Kauf von Rüstungsgütern beschleunigen

Christoph Heinlein

AfD-Chefs Weidel und Chrupalla lassen ihr Gehalt deutlich erhöhen

Die AfD-Partei- und Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla bekommen ab jetzt deutlich mehr Geld für ihre Führungsposition. Neben der normalen zu versteuernden Bundestagsdiät in Höhe von knapp 12 000 Euro, zahlt ihnen die AfD-Fraktion statt wie bisher 6000 von nun an eine Zulage von rund 12 000 Euro – also doppelt so viel. Ein entsprechender Bericht von t-online wurde der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage bestätigt.

Damit kommen die beiden Chefs auf rund 24 000 Euro pro Monat. Wie alle Bundestagsabgeordneten bekommen sie außerdem eine steuerfreie monatliche Kostenpauschale von gut 5300 Euro für Kosten zur Ausübung des Mandats, wie die Miete des Wahlkreisbüros, Material, Taxifahrten, Hotelkosten oder die Unterkunft in Berlin. Die Aufstockung sei Teil des Finanzplans der Fraktion für diese Legislaturperiode, dem die Fraktion am vergangenen Dienstag einstimmig zugestimmt habe, hieß es.

Begründet wird die Erhöhung laut t-online mit einer „signifikant erhöhten Arbeitsbelastung“, dem Ziel, Anfeindungen und Bedrohungen zu kompensieren sowie mit der gestiegenen Größe der AfD-Fraktion im Bundestag. Innerhalb der Fraktion habe die Erhöhung aber dennoch Ärger ausgelöst, so das Portal. Auch dem Rest des zwölfköpfigen Fraktionsvorstands sei die Zulage von 25 auf 50 Prozent verdoppelt worden. Die stellvertretenden Fraktionschefs und Parlamentarischen Geschäftsführer bekämen nun rund 6000 Euro pro Monat zusätzlich zur Abgeordnetendiät.

In der Opposition im Bundestag sei die AfD mit ihren Zulagen nun Spitzenreiter. Bei den Grünen sind Zulagen für den Fraktionsvorstand zwischen 20 und 50 Prozent vorgesehen, die Linke zahlt seit dieser Legislaturperiode überhaupt keine Zulagen mehr an die Fraktionsführung. Die Regierungsfraktionen der Union und der SPD veröffentlichen die Höhe der Zulagen einzelner Amtsträger nicht.

Die Bundestagsfraktionen erhalten ihr Geld laut Abgeordnetengesetz aus dem Bundeshaushalt. In diesem Jahr sind dafür für alle Fraktionen zusammen rund 123 Millionen Euro veranschlagt.

Dominik Fürst

Linken-Chefin: Klöckner ist nicht neutral 

Die Linke übt grundsätzliche Kritik an der Amtsführung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU). Diese habe „in den letzten Wochen immer wieder gezeigt, dass sie nicht neutral als Bundestagspräsidentin agiert, sondern immer wieder auch politische Entscheidungen trifft“, sagte Linken-Chefin Ines Schwerdtner in Berlin.

Klöckner lasse Anträge der Opposition nicht durch. Gemeint ist eine parlamentarische Anfrage der Grünen zum Kauf von Corona-Masken durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Grünen hatten sich bei Klöckner beklagt, dass die Bundestagsverwaltung die Anfrage nicht an die Bundesregierung weitergeleitet habe.

Schwerdtner monierte auch, Klöckner habe das Hissen der Pride-Flagge vor dem Bundestag verboten. „(Es gab) viele politische Entscheidungen, wo wir sagen würden, dass sie parteipolitisch agiert und eben nicht neutral als Bundestagspräsidentin.“

Auch von SPD und Grünen kommt Kritik an Klöckners Entscheidung, zum Christopher Street Day nicht wie in Vorjahren die Regenbogenflagge am Parlament aufzuziehen. Einzelne Linke gerieten zuletzt im Plenum mit Klöckner aneinander, wie der Abgeordnete Marcel Bauer wegen einer Basken-Mütze und die Abgeordnete Cansin Köktürk wegen eines T-Shirts mit der Aufschrift „Palestine“. Beide mussten den Saal verlassen.

Kassian Stroh

Merkel hält Zurückweisungen für rechtswidrig, Kanzleramtschef widerspricht

Altkanzlerin Angela Merkel hat sich von der Praxis des unionsgeführten Innenministeriums distanziert, bei Grenzkontrollen Asylsuchende zurückweisen zu lassen. „Wenn jemand hier an der deutschen Grenze sagt ‚Asyl‘, dann muss er erst mal ein Verfahren bekommen. Meinetwegen direkt an der Grenze, aber ein Verfahren“, sagte die Christdemokratin bei einem Treffen mit ehemaligen Flüchtlingen. „So habe ich das europäische Recht verstanden.“ 

Das Treffen wurde vom WDR organisiert und gefilmt. Aus der Sendung „10 Jahre danach: Geflüchtete im Gespräch mit Angela Merkel“ zeigte das ARD-„Morgenmagazin“ bereits Ausschnitte. Ähnlich wie Merkel hat auch das Verwaltungsgericht Berlin geurteilt: Es erklärte in einem konkreten Fall dreier aus Polen eingereister Somalier deren Zurückweisung bei einer Kontrolle am ersten Bahnhof hinter der Grenze für rechtswidrig. Das Innenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) wertet das jedoch als Einzelfallentscheidung und hält an der Praxis fest.

Ja, wir müssen die Zahl der illegalen Migration reduzieren, aber wir müssen trotzdem auch unsere Werte weiter vertreten.

Angela Merkel

Kanzleramtschef Thorsten Frei von der CDU bekräftigte im „Morgenmagazin“ die Auffassung der Regierung. „Zunächst einmal steht im Artikel 16a des Grundgesetzes, auch im Paragraf 18 des Asylgesetzes etwas anderes. Und auch der Sache nach muss man sagen: Wenn jemand irgendwo in Europa bereits Asyl bekommen hat, wenn jemand durch sichere Länder in Europa zu uns gekommen ist, dann haben wir es natürlich mit niemandem zu tun, der auf der Flucht ist, sondern dann haben wir es mit Menschen zu tun, die aus sicheren Ländern kommen.“ 

Frei verteidigte zugleich Merkels Satz aus der Flüchtlingskrise von 2015 „Wir schaffen das“, der in der Folge viel kritisiert wurde, gerade auch in der eigenen Partei, und ordnete ihn in die damalige Zeit ein. „Wenn eine Regierungschefin sagt ‚Wir schaffen etwas‘, dann ist das eine richtige Einstellung. Denn das darf man von einer Regierung verlangen, dass sie den Kopf nicht in den Sand steckt, sondern mit den Herausforderungen umgeht“, sagte Frei. „Aber tatsächlich haben sich die Zeiten natürlich verändert.“ Man müsse „mehr zu Ordnung, mehr zu Steuerung und vor allem zur Begrenzung von Migration tun“. 

Kassian Stroh

Union fordert von SPD mehr Einsparungen

Die Spitze der Unionsfraktion fordert vom Koalitionspartner SPD Bewegung bei der Haushaltskonsolidierung und eine Senkung von Sozialausgaben. Fraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte dem Spiegel, die Union werde sich drei Bereiche besonders ansehen. „Erstens: Die Kosten für das Bürgergeld laufen mit über 50 Milliarden Euro aus dem Ruder.“ Zweitens würden steigende Sozialbeiträge den Aufschwung abwürgen. „Deshalb braucht die Pflegeversicherung einen höheren Bundeszuschuss.“ Drittens lasse sich ein steigender CO₂-Preis nur rechtfertigen, wenn die Einnahmen fair zurückgegeben würden. „Weniger Subventionen für Einzelne, günstigere Stromkosten für alle, das ist die Devise“, sagte Spahn.

„Im Koalitionsausschuss wird das Thema Haushaltskonsolidierung eine zentrale Rolle spielen“, sagte der Vizefraktionschef und CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann dem Spiegel. „Wir brauchen signifikante Einsparungen, zum Beispiel durch den Systemwechsel vom Bürgergeld zur neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende, um andere wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen zu können.“

Wir müssen ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, wie wir Deutschland wieder nach vorne bringen und dass unsere enormen Investitionen ohne wirksame Einsparungen in anderen Bereichen nicht zu rechtfertigen sind.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann

Auch CSU-Chef Markus Söder sagte: „Es kann nicht sein, dass wir beim Bürgergeld Rekordausgaben haben und deswegen andere wichtige Anliegen wie Entlastungen bei der Stromsteuer aufschieben müssen.“ Darüber müsse man Koalitionsausschuss sprechen. Dieser kommt am Mittwoch zusammen, Thema dürfte dann auch eine mögliche generelle Senkung der Stromsteuer sein. Diese hatte die Koalition eigentlich vereinbart, vergangene Woche aber auf unbekannte Zeit verschoben, was CDU und CSU aber wieder infrage gestellt haben. 

Sina Kampe

AfD-Verbotsverfahren: Dobrindt weiter auf der Bremse 

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat zurückhaltend auf die Forderung der SPD nach sofortiger Vorbereitung eines AfD-Verbotsantrags reagiert. „Entscheidungen des Parteitags der SPD sind für den Innenminister noch kein Auftrag“, sagte der CSU-Politiker im Podcast „Table.Today“. Es bleibe bei der Entscheidung der Innenminister, dass es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Umgang mit der AfD geben werde, falls die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem gerichtlich bestätigt werden sollte. 

Kassian Stroh

Klöckner verteidigt ihr Vorgehen beim CSD 

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat ihr Nein zu einer Teilnahme der queeren Gruppe der Bundestagsverwaltung am diesjährigen Berliner Christopher Street Day (CSD) verteidigt. In der ARD verwies sie – wie früher schon bei anderen Gelegenheiten – auf die Verpflichtung der Bundestagsverwaltung zur Neutralität. Das gelte, „auch wenn das Anliegen noch so ehrenwert ist“. Im Übrigen dürfe sich jeder privat am CSD beteiligen – „aber nicht in der Arbeitszeit und auch nicht mit Sonderurlaub oder Ähnlichem“.   

Das Regenbogennetzwerk des Bundestags hatte sich 2023 und 2024 unter der damaligen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) offiziell am CSD beteiligt. In diesem Jahr traf jedoch der Direktor beim Deutschen Bundestag die Entscheidung, „dass die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen teilnimmt“. Dies stieß im Bundestag und beim Berliner CSD e.V. auf Unverständnis und Kritik. 

Klöckner wies jetzt in der ARD darauf hin, dass sie am 17. Mai, den der Bundestag als Tag gegen Homophobie festgelegt habe, am Reichstagsgebäude die Regenbogenfahne habe hissen lassen. „Es ist sehr klar, dass wir uns entschieden gegen Anfeindungen gegen Menschen jeglicher sexueller Orientierung wenden, wenn sie im Rahmen unserer Verfassung natürlich sich bewegen.“ Auf die Frage, ob sie die Einladung des Verbandes der Lesben und Schwulen in der CDU annehmen werde, auf seinem Wagen beim CSD mitzufahren, antwortete Klöckner ausweichend. Sie kenne ihre Terminlage nicht. Sie habe aber auch schon an einem CSD teilgenommen. „Aber ich sage sehr klar: Wir müssen auch etwas achtgeben, dass wir nicht etwas politisieren, wofür man sonst eine Normalität auch einfordert.“ 

Kassian Stroh

Kanzleramtschef Frei: Offen für andere Lösung bei Stromsteuer

Kanzleramtschef Thorsten Frei hat sich offen gezeigt für Gespräche über eine doch noch mögliche Stromsteuersenkung für alle. „Man muss eben schauen, wo kommt das Geld letztlich her“, sagte der CDU-Politiker in der ARD. Dafür wäre nach seinen Worten eine Umschichtung im Bundeshaushalt erforderlich. „Und wenn es dafür geeignete Möglichkeiten gibt und das in der Koalition insgesamt konsensfähig ist, dann ist es ein Weg, über den man sprechen kann“, sagte Frei. 

Die Bundesregierung plant bei der Stromsteuer für das kommende Jahr lediglich, die bereits bestehende Entlastung für das produzierende Gewerbe sowie Land- und Forstwirtschaft fortschreiben. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD jedoch als Sofortmaßnahme eine Senkung für alle angekündigt. Davon würden auch kleinere Betriebe und Privathaushalte profitieren. 

Diese Wende stieß auf viel Kritik – und innerhalb der Koalition nahm die Union vor allem den sozialdemokratischen Finanzminister Lars Klingbeil ins Visier. Die SPD wiederum war sauer, dass CDU und CSU so taten, als wären sie unschuldig. Die Haushaltseckpunkte seien vom Kabinett im Ganzen abgestimmt worden, sagte Frei nun: „Und deswegen ist es natürlich eine gemeinsame Verantwortung, die wir da tragen.“ 

Julia Bergmann

SPD-Parteitag beschließt Vorbereitungen für AfD-Verbot 

Die SPD hat auf ihrem Parteitag einen Antrag zur Vorbereitung eines AfD-Verbotsverfahrens beschlossen. Die AfD wird darin als „klar rechtsextremistisch“ bezeichnet. In dem Antrag schlägt die Partei vor, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die mit der Sammlung von Materialien für ein Parteiverbot beginnen soll. Wenn sich ausreichend Belege fänden, solle ein Verfahren beginnen. Die Parteispitze hat bereits erklärt, man sei sich sicher, dass dies gelinge. Gleichzeitig will die SPD aktiv nach Wegen suchen, zur AfD abgewanderte Wähler zurückzugewinnen.

„Mit einer Partei, die demokratische Regeln missbraucht, um die Demokratie von innen zu bekämpfen, ist kein fairer Wettbewerb möglich“, argumentiert die Partei. „Jeder Versuch, sie in den demokratischen Diskurs einzubinden, läuft ins Leere.“ Die SPD sieht sich durch den Verfassungsschutz bestätigt, der die AfD als rechtsextremistisch einstufte. „In dem Moment, wo der Verfassungsschutz sagt, das ist eine gesichert rechtsextreme Partei, darf es kein Taktieren mehr geben, darf es keine Argumentation mehr geben“, sagte Parteichef Lars Klingbeil.

In der Koalition gibt es jedoch keine Einigkeit über ein AfD-Verbot. Die Union lehnt es ab und will die AfD politisch bekämpfen. Gerade in Ostdeutschland mit einem besonders hohen AfD-Wähleranteil wird ein Verbotsverfahren sowohl in der CDU als auch in Teilen der SPD kritisch gesehen. Dies könne die AfD sogar weiter stärken, der Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht sei zudem ungewiss.

Ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht können Regierung, Bundestag oder Bundesrat auf den Weg bringen. Es muss nachgewiesen werden, dass eine Partei mit Einfluss aggressiv, kämpferisch gegen die demokratische Grundordnung vorgeht. Das Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD allein gilt dafür noch nicht als ausreichender Beweis.

Wolfgang Jaschensky

Scholz: „Es gibt die emotionale Nähe zwischen AfD und Putin"

Altkanzler Olaf Scholz hat beim SPD-Parteitag in Berlin vor einer „Verfeindung" der Gesellschaft gewarnt und die AfD in die Nähe von Russlands Präsident Wladimir Putin gerückt. Der wichtigste Erfolgsfaktor für autoritäre Regime und rechtspopulistische Parteien sei, die Unsicherheit über die Zukunft zu schüren und Feinde im Inneren und Äußeren zu suchen, so Scholz. 

„Es gibt die emotionale Nähe zwischen AfD und Putin", sagte Scholz. Beide suchten Feinde, „um ihre Macht zu sichern oder sie zu erobern. Und wir sind gegen die Verfeindung der Gesellschaft". Man müsse stärker diskutieren, was eine Gesellschaft wirklich zusammenhalte, betonte er. Die Maga-Bewegung von US-Präsident Donald Trump habe es erfolgreich geschafft, gegenüber denjenigen ohne Zukunftshoffnung und etwa Studienabschlüsse fälschlicherweise den Eindruck zu erwecken, sie vertrete ihre Interessen.

In Anspielung auf ein Zitat von Kanzler Friedrich Merz forderte Scholz auch von der politischen Konkurrenz Respekt für die SPD, die für den Zusammenhalt einer Gesellschaft stehe: „Selbst wer uns nicht mag, sollte uns irgendeine Art von Erfolg wünschen", sagte er. Merz hatte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf sein Ziel, die Zustimmung für die AfD zu reduzieren, betont: „Wenn die SPD wieder über 20 Prozent kommt, dann freut mich das genauso, wie wenn wir in der Union wieder über 30 Prozent kommen."

Saskia Esken rief die SPD bei ihrem Abschied von der Parteispitze zu mehr Zusammenhalt auf. Das habe der Partei in der Vergangenheit zum Erfolg verholfen - „und genauso müssen wir es heute auch wieder tun“, forderte sie. Esken hatte nach dem historisch schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl keinen Posten im Kabinett bekommen. Vom Parteivorsitz verabschiede sie sich aber nicht mit Wehmut. Besonders herzlich dankte sie OIaf Scholz. „Du warst mein Kanzler und wir haben eine Menge zusammen erreicht“, sagte sie. Scholz habe ein warmes Herz, einen kühlen Kopf vor allem in stürmischen Zeiten, Haltung und Treue zur Sozialdemokratie. 

Irene Helmes

Bundesregierung will Kauf von Rüstungsgütern beschleunigen

Damit die Bundeswehr gegen mögliche Bedrohungen des Landes besser gewappnet ist, möchte die Bundesregierung den Kauf von Waffen und anderen Rüstungsgütern deutlich beschleunigen. Das geht aus einem Referentenentwurf des Verteidigungs- und des Wirtschaftsministeriums für ein Gesetz hervor, das die Beschaffung vereinfachen soll. Das Dokument liegt der Nachrichtenagentur dpa vor.

Bestimmte dringliche Aufträge sollen den Unterlagen zufolge künftig nicht mehr europäisch ausgeschrieben werden, sondern nur noch national – um Zeit zu sparen. Außerdem sollen Aufträge nach Ausschreibungen auch dann vergeben werden können, wenn ein unterlegener Bieter dagegen klagt. Bislang ist das anders, was die Anschaffung von Waffen manchmal um Jahre verzögere. Der Gesetzgeber könnte zudem ein Vergabeverfahren einleiten, auch wenn dessen Finanzierung bislang nicht gesichert ist. Gewisse Dokumentationspflichten würden abgeschwächt.

In dem Gesetzesentwurf wird die Novellierung – wie viele andere Maßnahmen der jüngsten Zeit – mit der Gefahr durch die Politik in Russland begründet. Es gebe derzeit keine Anzeichen, dass die Regierung in Moskau den Angriffskrieg gegen die Ukraine beenden wolle. Die deutsche Rüstungsbranche sieht sich dementsprechend auf starkem Wachstumskurs. Der Branchenverband BDSV begrüßte den Gesetzesentwurf.

Wie sich die Rhetorik im Kreml in Bezug auf Deutschland entwickelt, hat meine Kollegin Silke Bigalke hier analysiert:

Finanzierung des Deutschlandtickets von 2026 an bleibt offen

Nutzer des Deutschlandtickets haben weiter keine Klarheit über den künftigen Preis des bundesweit gültigen Abos im Nahverkehr. Zwar bekannten sich Länder und Bund auf einer Sonderkonferenz der Verkehrsminister dazu, das Ticket fortsetzen zu wollen. Die Finanzierung von 2026 an ist aber offen. Möglich ist, dass es eine erneute Preissteigerung gibt. Zu Jahresbeginn war der Preis des Tickets um rund 18 Prozent von 49 Euro auf 58 Euro im Monat angehoben worden.

Um noch in diesem Jahr zu einer Einigung zu kommen, soll es neben der regulären Verkehrsministerkonferenz (VMK) im Herbst noch eine weitere Sondersitzung des Gremiums geben, hieß es.

Knackpunkt bleibt, wie mögliche Mehrkosten für die Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden sollen. Laut Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) geht es um eine Summe von rund 500 Millionen Euro. Auch über den künftigen Preis des Abos gab es kein Übereinkommen. Falls sich Bund und Länder nicht über die Aufteilung von Mehrkosten einigen, könnte eine Preiserhöhung die Folge sein. 

„Wir Länder, wir stehen zum Deutschlandticket“, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Mehr als die 1,5 Milliarden Euro könnten diese aber nicht mehr zahlen, betonte er. Bayern hat derzeit den Vorsitz in der Verkehrsministerkonferenz (VMK).

Die Verantwortung, da sind sich die Länder weitgehend einig, liegt beim Bund. Im Koalitionsvertrag bekennt sich auch die neue Regierung zum Deutschlandticket und schließt weitere Preissteigerungen bis 2028 aus. Das nähmen die Länder zur Kenntnis, heißt es in einem gemeinsamen Beschluss zur VMK. Die daraus entstehenden Mehrkosten, so der Tenor, müsse dann aber auch der Bund tragen. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat bisher allerdings ebenfalls keine Bereitschaft signalisiert, mehr als die zugesagten 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu übernehmen.

Klüssendorf neuer Generalsekretär der SPD

Die neue Führungsspitze der SPD ist komplett: Der Bundesparteitag in Berlin hat Tim Klüssendorf zum Generalsekretär gewählt. Der 33-Jährige erhielt am Abend 90,8 Prozent der Delegiertenstimmen.

Klüssendorf ist Bundestagsabgeordneter und hatte in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Aufgaben in der Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus, übernommen. Unter anderem organisierte er den Parteitag.

Neue SPD-Spitze: Klingbeil und Bas zu Vorsitzenden gewählt

Die Sozialdemokraten haben auf ihrem Bundesparteitag in Berlin Vizekanzler Lars Klingbeil und Arbeitsministerin Bärbel Bas an die Parteispitze gewählt. Klingbeil bekam 64,9 Prozent der Stimmen – das bisher zweitschlechteste Ergebnis eines SPD-Chefs. Für Bas gab es 95 Prozent. Klingbeil ist seit Dezember 2021 einer der beiden Bundesvorsitzenden. Bisherige Co-Parteichefin war Saskia Esken. „Das Ergebnis ist für mich ein schweres Ergebnis“, sagte Klingbeil. Er hätte sich gewünscht, der ein oder andere hätte diesen Unmut auch in der Debatte geäußert. Nur Oskar Lafontaine hatte 1995 mit 62,6 Prozent noch weniger Zustimmung bekommen – anders als Klingbeil allerdings mit einem Gegenkandidaten, Rudolf Scharping.

Klingbeil hatte nach der Bundestagswahl nach dem Fraktionsvorsitz gegriffen, machte sich zum Hauptansprechpartner für Wahlsieger Friedrich Merz bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen und ist nun Vizekanzler. Esken dagegen sitzt künftig als einfache Abgeordnete im Bundestag. Das hatte dem Niedersachsen in den vergangenen Wochen viel Kritik eingebracht. Bei Landesparteitagen rechnete die Basis mit ihm ab und bezeichnete sein Verhalten als „unanständig“.

Auf dem Bundesparteitag hielt Klingbeil eine defensive Rede. „Ich weiß, ich habe Fehler gemacht in den letzten Monaten“, sagte er. Doch für ihn habe es nach dem Wahlergebnis nur zwei Möglichkeiten gegeben: „Entweder ich höre auf oder ich gehe voll in die Verantwortung für die SPD.“ Er habe sich fürs Kämpfen entschieden.

Bas hielt eine mitreißende, launige und linke Rede – die Delegierten feierten sie danach. Die Ministerin rief zum Kampf um Industriearbeitsplätze auf, machte sich stark für Parität. Und sie las ihrer Partei die Leviten. Wie die SPD mit Esken umgegangen sei, das sei „kein Glanzstück“ gewesen. Esken habe erleben müssen, „dass Solidarität nicht immer selbstverständlich ist – auch nicht in der Sozialdemokratie“, sagte Bas. Doch wenn die SPD für eine solidarische Gesellschaft kämpfen wolle, müsse sie zuallererst eine solidarische Partei sein. „Sonst glaubt uns das keiner!“

Carina Seeburg

Bundestag stimmt für Aussetzung von Familiennachzug

Der Familiennachzug für Menschen mit einem sogenannten subsidiären Schutzstatus wird ausgesetzt, um den Zuzug nach Deutschland zu reduzieren. Bestimmte Gruppen von Geflüchteten dürfen somit vorerst keine engen Angehörigen wie Eltern oder Kinder mehr nach Deutschland nachholen. Der Stopp gilt zunächst für zwei Jahre. Ausnahmen sind nur in Härtefällen vorgesehen. 

„Wir setzen damit die migrationspolitische Überschrift für diese Wahlperiode“, sagte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Belastbarkeit des Sozial- und Bildungssystems sowie des Wohnungsmarktes habe eine Grenze. Auch wolle man Menschenhändlern das Handwerk legen. Die SPD erklärte, trotz Bedenken dem Kompromiss zuzustimmen. Die AfD votierte ebenfalls mit Ja. Linke, Grüne und Hilfsorganisationen lehnen das Vorhaben der Bundesregierung ab. 

Union und SPD hatten eine solche vorübergehende Aussetzung von 2016 bis 2018 schon einmal umgesetzt. Im Anschluss beschränkten sie den Familiennachzug in diesen Fällen auf bis zu 1000 Menschen im Monat. Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen vollen Flüchtlingsstatus. In Deutschland sind dies etwa 380 000 Menschen, vor allem Syrer. Subsidiärer Schutz greift, wenn Menschen in ihrem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, also etwa Folter oder die Todesstrafe. Häufig sind Betroffene auch Bürgerkriegsflüchtlinge.
 
Die Aussetzung des Familiennachzugs für diese Gruppe ist umstritten. Kritiker verweisen unter anderem auf den besonderen Schutz der Familie und negative Auswirkungen auf die Integration. Befürworter argumentieren mit ausgeschöpften Aufnahmekapazitäten in vielen Kommunen. 

Carina Seeburg

Mindestlohn soll in zwei Stufen auf 14,60 Euro steigen 

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland von derzeit 12,82 Euro soll in zwei Schritten bis zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro pro Stunde steigen. Dies sieht ein Beschluss der Mindestlohnkommission vor, der formell vom Bundesarbeitsministerium umgesetzt werden muss. Zunächst soll die Lohnuntergrenze Anfang 2026 auf 13,90 Euro steigen. 

Die Kommission blieb damit nur knapp unter der Zielmarke, die vor allem die SPD vorgegeben hatte. Die Sozialdemokraten hatten erklärt, der Mindestlohn werde noch 2026 auf 15 Euro steigen. Diese Marke wird nun nicht einmal 2027 erreicht. Dennoch könnte sich die SPD am Ende damit zufriedengeben. Die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld sagte, der einstimmig gefasste Beschluss sei ein Kompromiss. Er biete den Beschäftigten Schutz und sei für die Betriebe in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation tragbar. 

Die Höhe der Lohnuntergrenze wird von unabhängigen Experten der Tarifpartner sowie von Wissenschaftlern ermittelt. Sie wägen ab, welche Mindestlohnhöhe einen angemessenen Schutz für die Beschäftigten bietet, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglicht und die Beschäftigung nicht gefährdet. 

Die Mindestlohnkommission entscheidet alle zwei Jahre über die Anpassung der Lohnuntergrenze. Die Bundesregierung setzt den Beschluss dann per Verordnung um.

Gesamten Artikel lesen