Wegen eines Interviews war der Autor Boualem Sansal im November in Algerien verhaftet worden. Ein späteres Urteil zu einer fünfjährigen Haftstrafe wurde nun bestätigt.
1. Juli 2025, 15:19 Uhr Quelle: DIE ZEIT, Reuters, AFP, skö
Ein algerisches Gericht hat ein im März verhängtes Urteil über eine fünfjährige Haftstrafe gegen den französisch-algerischen Schriftsteller Boualem Sansal bestätigt. Das berichtete der algerische Fernsehsender Ennahar TV. Der 80-jährige Sansal, der in Frankreich lebt, war im vergangenen November bei einem Besuch in Algerien festgenommen worden.
Zuvor hatte er in einem Videointerview mit dem rechtsgerichteten Pariser Medium Frontières über die koloniale Geschichte des algerisch-marokkanischen Grenzverlaufs gesprochen. Dabei unterstützte er die marokkanische Auffassung, wonach ein Teil seines Gebiets während des französischen Kolonialismus an Algerien angegliedert wurde.
Verurteilt wegen "Untergrabung der nationalen Einheit"
Offiziell verurteilt wurde Sansal im März dann laut der Zeitung Le Parisien wegen "Untergrabung der nationalen Einheit, Beleidigung des konstituierten Organs (der Armee), Schädigung der nationalen Wirtschaft und Besitz von Videos und Publikationen, die die nationale Sicherheit und Stabilität bedrohen". Das Strafmaß: fünf Jahre Haft ohne Bewährung. Die französische Regierung kritisierte den Prozessausgang.
Der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels wies die Vorwürfe zurück. Er habe Äußerungen im Rahmen der Meinungsfreiheit getätigt und nicht die Absicht gehabt, Algerien zu beleidigen. Das Berufungsverfahren fand laut der französischen Zeitung Le Monde sowohl auf Antrag des Schriftstellers als auch der Staatsanwaltschaft statt, die bereits in der ersten Instanz zehn Jahre gefordert hatte.
"Das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts wurde bestätigt. Sie haben acht Tage Zeit, um Revision einzulegen", sagte die Vorsitzende demnach auf Französisch an Sansal gerichtet, nachdem sie die Urteilsbegründung auf Arabisch verlesen hatte.
Frankreich kritisiert Urteil
Die französische Regierung äußerte ihr "Bedauern" über die Verurteilung, die sie als "unverständlich und ungerecht" bezeichnete. "Frankreich fordert die algerischen Behörden auf, einen Akt der Gnade zu zeigen und eine schnelle, menschenwürdige Lösung zu finden", hieß es aus dem französischen Außenministerium.
Auch Sansals Angehörige dringen darauf, dass der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune ihn begnadigt. Der Schriftsteller ist nach Angaben seiner Angehörigen an Prostatakrebs erkrankt. Die Regierung fordert eine Freilassung, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Freilassung von Sandal bereits nach dem Urteil im März gefordert. Auch die deutsche Literaturszene setzte sich mit Protestaktionen für Sansal ein.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien gelten als angespannt. Grund dafür sind etwa das häufige Scheitern von Abschiebungen nach Algerien oder die französische Unterstützung eines marokkanischen Autonomieplans für die Westsahara. In der Folge kam es auf beiden Seiten zu Diplomatenausweisungen und Einschränkungen für Inhaber diplomatischer Visa.