
Das deutsche Team um Isaac Bonga, Dennis Schröder und Franz Wagner gehört bei der EM zu den Favoriten
Foto: [M] DER SPIEGEL; Fotos: Eibner-Pressefoto / Heike Feiner / picture alliance; Uwe Anspach / dpa; Sven Hoppe / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Weltmeister startet in die Europameisterschaft – und ist nicht nur wegen der vergangenen Erfolge einer der Favoriten auf den Titel.
Fünf von sechs Vorbereitungsspielen konnte das Team des neuen Bundestrainers Álex Mumbrú gewinnen, darunter zuletzt gleich zwei gegen die starken Spanier.
Nur gegen Titelfavorit Serbien setzte es eine Niederlage. Und zwar eine, aus der das Team lernen wolle, wie Mumbrú später sagte.
Auf Serbien kann das Team erst in der K.-o.-Phase wieder treffen, vorher geht es im finnischen Tampere für das deutsche Team darum, diese überhaupt zu erreichen.
Das Auftaktspiel steigt am Mittwoch (15:30 Uhr/ TV: RTL, Stream: kostenlos auf MagentaSport) gegen Montenegro.
Für Mumbrú ist es das erste große Turnier als Trainer, die meisten seiner Spieler hatte er erst in der EM-Vorbereitung zum ersten Mal um sich geschart.
Zuvor sammelte der Spanier reichlich Flugmeilen, um seine Basketballer bei ihren Teams sehen zu können. Die sind weit verstreut, in den USA, in Litauen oder Japan. Und natürlich beim FC Bayern.
Wir stellen die zwölf Spieler vor, die nach Platz drei bei der EM vor drei Jahren nun den Titel wollen:
Der Anführer: Dennis Schröder
Point Guard, 31 Jahre, Sacramento Kings

Hat eigentlich schon mal jemand den Dennis Schröder aus der NBA und den Dennis Schröder im Nationalmannschaftstrikot im selben Raum gesehen?
Bislang offenbar nicht, und so halten sich weiter die Gerüchte, es gebe zwei Dennis Schröders. Der eine spielt eine solide Rolle in der NBA, seit Jahren schon hält sich dieser Dennis Schröder in der besten Liga der Welt, das ist eine beachtliche Leistung. Ein Team geprägt hat er aber nicht.
Und dann gibt es den anderen Dennis Schröder, den Anführer von Weltmeister-Team Deutschland, der Spieler, der Verantwortung übernimmt, seine Mitspieler anleitet, in entscheidenden Situationen alles auf seine schmalen Schultern packt. Er wurde zum wertvollsten Spieler der WM 2023 gewählt und ist seitdem nicht weniger motiviert.
Mehr als der erste Ersatz: Maodo Lô
Point Guard, 32 Jahre, Žalgiris Kaunas

Er spielte 2016 noch an der Seite von Dirk Nowitzki und Schröder die EM-Vorrunde in Berlin. Damals war Deutschland Außenseiter, ein kleiner Fleck auf der Basketball-Landkarte.
Das ist Geschichte, und das liegt auch an Lô, der bei allen großen Erfolgen dabei war.
Er war zuletzt lange angeschlagen, man merkt ihm die fehlende Form noch an. Aber Lô wird wichtig werden, er soll und muss Schröder entlasten oder mal übernehmen, wenn beim Kapitän nichts funktioniert.
Und er ist einer, der Stimmung ins Team bringt. Auch das kann wichtig werden bei einem langen Turnier.

»Er war unser MVP«, sagte Dennis Schröder nach dem Sieg im Supercup über die Türkei.
Hollatz kam rein, Hollatz traf wichtige Dreier, Hollatz verteidigte leidenschaftlich. Das wird seine Rolle bei der EM sein.
Er wird seine Minuten bekommen, wie viele und in welchen Spielen, ist aber unsicher. Hollatz bringt viel mit, ihm fehlt aber etwas die Kreativität, um die Offensive am Laufen zu halten. Er kam im Januar zu den Bayern, durfte wegen der Wechselregularien aber nicht mehr in der Euroleague eingesetzt werden. Sollte ausgeruht sein.
Der Scharfschütze: Andreas Obst
Shooting Guard, 29 Jahre, FC Bayern München

Daniel Löb / dpa
Plötzlich kannte ihn die ganze Basketball-Welt.
In Deutschland und Europa wusste man natürlich vorher schon, was für ein exquisiter und präziser Werfer da beim FC Bayern regelmäßig die Würfe versenkt. Doch dann kam das WM-Halbfinale gegen die USA, Obst traf und traf und traf, seine Dreier und auch aus der Halbdistanz. Am Ende hatte er 24 Punkte auf dem Konto. Ein deutscher Stephen Curry war geboren.
Er muss auch bei der EM treffen, sonst wird er mehr Zeit auf der Bank verbringen, als ihm lieb ist. Und Deutschland womöglich früher als erwartet die Heimreise antreten.
Der Alleskönner: Isaac Bonga
Small Forward, 25 Jahre, KK Partizan Belgrad

Egal, wie es auf dem Feld gerade läuft, auf Isaac Bonga ist Verlass. So wie im ersten Testspiel in Spanien, Deutschland war kurz davor, eine hohe Führung zu verspielen. Dann schnappte sich Bonga eben mal drei Offensivrebounds, brach den Spielfluss der Iberer und die Deutschen schaukelten das Spiel nach Hause.
Er kann gegen fast jeden Spieler ordentlich verteidigen und jederzeit einen schwierigen Wurf treffen. Bonga versuchte es einige Jahre in der NBA, der große Durchbruch gelang ihm in den USA nicht. Man fragt sich, wieso eigentlich.
Der X-Faktor: Tristan da Silva
Small Forward, 24 Jahre, Orlando Magic

Viel besser hätte der Draft, die Talentziehung der NBA, nicht laufen können für Tristan da Silva. Der Münchner wurde an 18. Position ausgewählt, und das nicht von irgendeinem Team, sondern von Orlando Magic. Der Franchise, die schon die beiden Wagner-Brüder Franz und Moritz beschäftigt.
Er spielte eine ordentliche Rookie-Saison, der Wurf fällt nicht immer, da Silva sammelte trotzdem seine Einsatzminuten. Er ist ein Neuling im deutschen Team und noch kein Kandidat für die Startaufstellung, kann aber zum X-Faktor werden.
Der Superstar: Franz Wagner
Power Forward, 23 Jahre, Orlando Magic

Dem Status des Talents ist er längst entwachsen, Franz Wagner gehört zu den besten Spielern dieser Europameisterschaft. In der NBA legte er einen Saisonstart hin, der so stark war, dass sich die meisten Experten einig waren: Wagner schafft es ins All-Star-Team, die Mannschaft der besten NBA-Spieler der Saison. Dann stoppte ihn eine Bauchmuskelverletzung, mittlerweile aber ist er wieder in Topform.
Sein Dreipunktwurf könnte noch besser sein, aber wenn er mit langen dynamischen Schritten in Richtung Korb zieht und die Gegner mit seiner Fußarbeit verwirrt, ist er dennoch nicht vom Punkten abzuhalten.
Einziges Manko aus Wagners Sicht: Er muss diesen Sommer ohne Bruder Moritz auskommen, der weilt nach einem Kreuzbandriss noch in der Reha.
Der Um-die-Welt-Flieger: Johannes Thiemann
Power Forward, 31 Jahre, Gunma Crane Thunders

Thiemann ist einer von wenigen Stammspielern, der auch bei der EM-Quali mitgeholfen hat. Spieler von NBA-Teams oder Euroleague-Klubs haben für diese Pflicht unter der Saison keine Zeit. Thiemann schon. Er spielt seit einem Jahr in Japan und fliegt für die deutsche Nationalmannschaft auch gern mal um die halbe Welt. Das zeigt, wie viel Lust er auf diese Spiele hat, was man ihm auch immer ansieht. Thiemann hechtet nach verloren geglaubten Bällen, stellt Blocks, reibt sich in der Defense auf. Er war ein Schlüsselspieler bei den vergangenen Turnieren und wird das auch wieder sein.
Der intelligente Verteidiger: Oscar da Silva
Power Forward, 26 Jahre, FC Bayern München

Der ältere Bruder von Tristan galt als Wackelkandidat: Schafft er es in den finalen Kader?
Hinter ihm liegt keine einfache Saison, immer wieder zwangen ihn Verletzungen zu Pausen. Besonders das Knie schmerzte im Frühjahr. Jetzt ist er zurück und wird vor allem in der Verteidigung wichtig werden, wo er sich mit seiner Spielintelligenz jederzeit gut einfügen kann.
Der beste Freund: Daniel Theis
Center, 33 Jahre, AS Monaco

Im Mai verletzte sich Daniel Theis am Knie, danach war die Saison in Frankreich für ihn gelaufen. Mehr noch: Sogar das EM-Aus stand im Raum. Zum Beginn der Vorbereitung wurde er langsam herangeführt, nun wirkt er wieder topfit.
Er wird gegen die gegnerischen Center bestehen müssen, das ist ihm zuzutrauen. Und offensiv hilft es ihm sowieso, dass er mit seinem Jugendfreund Dennis Schröder zusammenspielen kann.
Der Endlich-mal-Nominierte: Leon Kratzer
Center, 28 Jahre, FC Bayern München

Bei den vergangenen drei Turnieren wurde Kratzer kurz vor Beginn aus dem Kader gestrichen. Nun darf er die Reise nach Finnland (und vielleicht zur Finalrunde in Riga) mit antreten. Die Freude und Erleichterung bei Kratzer dürften enorm sein.
Er ist 2,12 Meter groß und soll Rebounds einsammeln, kann mit seiner starken Physis dagegenhalten, egal wer kommt. Offensiv sollte man nicht zu viel erwarten, aber dafür sind andere zuständig.
Die Passmaschine: Johannes Voigtmann
Center, 32 Jahre, FC Bayern München

Wenige Spieler in Europa vereinen Größe (2,11 Meter) und ein feines Händchen so sehr wie Johannes Voigtmann. Er hat das Auge für seine Mitspieler, spielt in der Defensive diszipliniert und kann vorn seine Würfe treffen.
Der Allerathletischste ist er nicht, aber mit seiner Erfahrung von unschätzbarem Wert für das Team. Er ist der fünfte Spieler vom FC Bayern im Team, eine solche bajuwarische Dominanz gibt es bei der Fußballnationalmannschaft nicht mehr. An der fehlenden Eingespieltheit sollte es bei dieser Mannschaft aber ohnehin nicht scheitern.