Asyl-Politik: Angela Merkel kritisiert Zurückweisungen an den Grenzen

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Angela Merkel und ihr Satz »Wir schaffen das« gelten vielen Menschen als prägend für die Flüchtlingskrise ab dem Jahr 2015 und den Umgang der Gesellschaft damit. Seither ist viel passiert – unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) setzt das Innenministerium darauf, Asylsuchende bei Grenzkontrollen zurückweisen zu lassen. Von dieser Praxis hat sich die Altbundeskanzlerin jetzt distanziert.

In einem vom WDR veranstalteten Gespräch mit fünf Geflüchteten  sagte Merkel: »Wenn jemand an der deutschen Grenze ›Asyl‹ sagt, dann muss er erst mal ein Verfahren bekommen – meinetwegen direkt an der Grenze, aber ein Verfahren.« So habe sie das europäische Recht verstanden.

Damit ging Merkel bei dieser Frage auf deutlichen Konfrontationskurs zu der aktuellen Bundesregierung von CDU-Kanzler Friedrich Merz, die auf die Zurückweisung von Flüchtlingen bereits an den deutschen Grenzen setzt. Merkel sagte in der WDR-Sendung, sie teile aber das Ziel, dass illegale Migration begrenzt werden müsse. Dabei betonte sie: »Wir müssen das Ganze europäisch denken.«

»Ich kann nicht immer nur über die AfD sprechen und deren Tagesordnung aufnehmen«

Merkel warnte auch davor, sich in der Migrationspolitik von der AfD treiben zu lassen. »Ich kann nicht immer nur über die AfD sprechen und deren Tagesordnung aufnehmen. Sondern ich muss auch die Tagesordnung aufnehmen von all denen, die sagen: Ja, wir müssen die Zahl der illegalen Migration reduzieren, aber wir müssen trotzdem auch unsere Werte weiter vertreten«, sagte sie.

Merkel äußerte sich in einer Gesprächsrunde mit Geflüchteten im Programm WDRforyou, dem mehrsprachigen Informationsangebot des WDR für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung. Die Runde fand laut WDR in einem syrischen Restaurant in Berlin statt. Merkels Gesprächspartner kamen aus Syrien, Afghanistan und Iran. Anlass war der bevorstehende zehnte Jahrestag von Merkels Entscheidung, eine große Zahl von Flüchtlingen aus Syrien nach Deutschland einreisen zu lassen.

In dem Gespräch beklagte Merkel eine gewisse Schieflage, wie in Deutschland über Migration diskutiert wird. »Wir sprechen oft über Menschen, die zu uns kamen, aber vielleicht nicht oft genug mit Menschen, die zu uns kamen«, sagte sie. Deshalb habe sie sich auf dieses erste öffentliche Gespräch mit Geflüchteten beim WDR eingelassen. Das »Morgenmagazin« zeigte bereits Ausschnitte aus dem Gespräch.

Mit den Aussagen der Alt-Kanzlerin konfrontiert, bekräftigte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) in der ARD-Sendung  die Auffassung der Regierung. »Zunächst einmal steht im Artikel 16a des Grundgesetzes, auch im Paragraf 18 des Asylgesetzes etwas anderes. Und auch der Sache nach muss man sagen: Wenn jemand irgendwo in Europa bereits Asyl bekommen hat, wenn jemand durch sichere Länder in Europa zu uns gekommen ist, dann haben wir es natürlich mit niemandem zu tun, der auf der Flucht ist, sondern dann haben wir es mit Menschen zu tun, die aus sicheren Ländern kommen.«

Frei verteidigte zugleich Merkels viel und auch in der Union kritisierten Satz aus der Flüchtlingskrise von 2015 »Wir schaffen das«, ordnete ihn aber in die damalige Zeit ein. »Wenn eine Regierungschefin sagt ›Wir schaffen etwas‹, dann ist das eine richtige Einstellung. Denn das darf man von einer Regierung verlangen, dass sie den Kopf nicht in den Sand steckt, sondern mit den Herausforderungen umgeht«, erklärte er. »Aber tatsächlich haben sich die Zeiten natürlich verändert. Wir haben schon 2019, also noch in der Regierungszeit von Angela Merkel, ein großes Migrationspaket geschnürt, wo auch ein Rückführungsverbesserungsgesetz drin war.«

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