Aus der Serie: Literaturkolumne
Liebe ist gefährlich, auch unter Dichtern.
Aus der ZEIT Nr. 39/2025 Aktualisiert am 16. September 2025, 17:42 Uhr
Es ist so ruhig in Metz, in der alten Wohnung mit den hohen Fenstern, den vergilbten Porträts an der Wand, dem geblümten Überwurf zum Schutz des rotsamtenen Sofas. Die gelben Vorhänge in der Sonne, über dem Schreibtisch ein roter Tischbezug, ein alter Brief darauf mit gekritzelten Skizzen, kleinen Selbstporträts des Dichters Paul Verlaine: ich als Gelehrter, ich als Häftling, ich als Clown. Sein alter Kinderwagen steht noch herum, in dem er hier, in dieser Wohnung, vor 180 Jahren umhergefahren wurde. Ein Museum wie ein Traum ist das, im ersten Stock eines alten Mietshauses in Metz. In Bernstein gegossene Zeit. Nichts scheint verändert. Vielleicht lebt Verlaine noch hier? Im Erdgeschoss eine Bar und Diskothek, Blanc & Noir, für immer geschlossen. An der Tür noch ein altes weißes Schild: "CHUUT", steht darauf, "Psst. Man hört euch. Macht weniger Lärm, um die Nachbarn nicht zu stören."