AfD-Aufstieg: Wieso die AfD Angela Merkel dankbar sein muss

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„Wir schaffen das.“ Als Angela Merkel Ende August 2015 diesen Satz in der Bundespressekonferenz sagt, liegt die Alternative für Deutschland bei drei Prozent. Die Partei ist zu diesem Zeitpunkt am Ende. Und heute? Heute ist sie obenauf. Sie liegt den jüngsten Umfragen zufolge zwei Prozent vor der Union, ist stärkste Partei, in den östlichen Bundesländern den anderen Parteien weit enteilt. „Wir schaffen das“: Für die AfD war das, war die damit verbundene Flüchtlingspolitik, die Rettung. Sie war so gut wie draußen, nun hatte sie ein Thema.

„Die Teddybären haben die Kölner Silvesternacht nicht überlebt“

Das sagt nicht nur der ehemalige Bundessprecher Jörg Meuthen. Viele andere sagen es auch in der Doku „AfD – Aufstieg in der Flüchtlingskrise“ von Markus Stein, Ariane Riecker, Jan N. Lorenzen und Olaf Jacobs, die das ZDF heute zeigt. Und die AfD-Leute, ehemalige und aktive Politiker, klopfen sich dabei grinsend auf die Schenkel oder legen, wie die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, gleich los: Die Menschen im Land wollten einfach, dass diese „Leute“ gehen, „und zwar schnell“. Zehn Jahre nach Merkels sonnigem Diktum ist das eine Einschätzung, die man nicht nur von der AfD hört. Dafür gibt es Gründe.

Die Migrationsforscherin Viktoria Rietig fasst sie in einen plakativen Satz: „Die Teddybären vom Münchner Hauptbahnhof haben die Kölner Silvesternacht nicht überlebt.“ Will heißen: Groß und naiv war der Willkommensgestus, als Flüchtlinge sonder Zahl unkontrolliert nach Deutschland kamen; und ebenso groß war das Entsetzen über die massenhaften sexuellen Übergriffe Zugewanderter auf Frauen auf der Kölner Domplatte. Angela Merkel, ruft der Journalist Robin Alexander in Erinnerung, habe damals in der Flüchtlingskrise, was man heute vielleicht vergesse, übrigens nicht gegen, sondern mit der medial vermittelten Stimmung entschieden. „Refugees wel­come“, schrieb seinerzeit sogar die „Bild“. Kurz vor dem verordneten Kontrollverlust war Merkel in den Medien noch als herzlos dargestellt worden, auf dem Titel des „Stern“ erschien sie als Eiskönigin.

Was die Berliner Polit-, Medien- und Social-Media-Blase nicht mitbekam, war der Umstand, dass bei den Menschen in Deutschland die Skepsis, wie der Riesenzuzug zu bewältigen und ob es eine gute Idee sei, so viele ins Land zu lassen, von Beginn an überwog. Die AfD bekam es mit und nutzte es für ihre Zwecke, zumal nach den Übergriffen in der Silvesternacht, die nicht wenige Medien und einige Politiker zunächst kleinredeten, was die ansonsten dicht gearbeitete ZDF-Dokumentation leider unterschlägt.

DSGVO Platzhalter

Sie nimmt allerdings schon wahr, und das ist im allzu häufig affirmativ arbeitenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht selbstverständlich, dass die AfD nicht nur ein Thema hat – die Zuwanderung und deren Folgen für die Gesellschaft –, das polarisiert, sondern an dem etwas dran ist. Lassen die Parteien der demokratischen Mitte es weiter liegen und ziehen sich gegenseitig runter (wie Union und SPD in der Koalition), dürften ihre Tage gezählt sein.

Interessant sind zwei Aspekte, die Robin Alexander von der „Welt“ und unser F.A.Z.-Kollege Justus Bender ansprechen: Während andere rechtsextreme Par­teien radikal anfangen und in die politische Mitte rücken, ist es bei der AfD umgekehrt. Sie ist, was nach Benders Worten insbesondere Marine Le Pen auffiel: eine Partei, die nicht geführt wird. Machen wir uns auf etwas gefasst.

AfD – Aufstieg in der Flüchtlingskrise läuft um 20.15 Uhr im ZDF und in der Mediathek.

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