Abwärtstrend ohne Freund: Eine Salzburger Bestandsaufnahme

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0:3, 0:4, 0:5 - der Zeitpunkt wäre günstig, auf die am Boden liegende Dose zu treten. kicker-Reporter Horst Hötsch versucht stattdessen eine Bestandsaufnahme. Die fällt für die Salzburger schlimm genug aus.

Bei Salzburg läuft in dieser Saison einiges nicht zusammen.

Bei Salzburg läuft in dieser Saison einiges nicht zusammen. GEPA pictures

Man könnte es sich einfach machen und sagen: Seit Christoph Freund weg ist, kriegen sie in Salzburg gar nichts mehr auf die Reihe. Man kann sich aber auch anschauen, was seit seinem Abgang zu den Bayern passiert ist.

1) Die Bullen haben nach zehn Jahren erstmals den Meistertitel verspielt.

2) Aus Liefering, wo in früheren Jahren die Haalands, Adeyemis, Szoboszlais und Camaras ihren letzten Schliff bekamen, sind in diesem Sommer der dritte Torhüter Salko Hamzic und der 18-jährige Oliver Lukic hochgezogen worden, der einmal 20 Minuten in die Champions-League-Quali schnuppern durfte und jetzt wieder in der 2. Liga zum Einsatz kommt.

3) Die Transferüberschüsse, die in den letzen sechs Saisonen zwischen 40 und 80 Millionen Euro lagen, sind in dieser Spielzeit auf acht Millionen zusammengeschrumpft.

4) Die Großtransfers waren bisher meist bereits am Saisonende unter Dach und Fach. Diesmal zogen sich die Verkäufe von Strahinja Pavlovic und Luka Sucic bis Ende Juli/Anfang August. Ob die kolportierten 28 Millionen, die sie gemeinsam einbrachten, nicht unter Wert waren, darüber mag man streiten.

5) Bei Oumar Solet, der es der Sportdirektion sicher nicht einfach gemacht hat, hat man es geschafft, ganz leer auszugehen. Udinese darf sich freuen, ab Januar einen Spieler mit zehn Millionen Marktwert ablösefrei begrüßen zu dürfen.

6) Die durch die Abgänge von Pavlovic und Solet verwaiste Innenverteidigung hat man zwei 20-Jährigen überlassen, nachdem man sich in den ersten Runden noch Piatkowski schöngeredet hat.

7) Mamadou Sangaré hat vor Saisonbeginn jeder Experte als potentiellen Superstar der Liga auf dem Zettel gehabt. Die Salzburger Verantwortlichen haben ihn, warum auch immer, zum Schnäppchenpreis Rapid überlassen, wo er jetzt großen Anteil am Höhenflug der Hütteldorfer hat.

8) Statt wie bisher Rohdiamanten im mittleren einstelligen Millionenbereich einzukaufen und sie in Liefering zu parken, kamen diesmal der 17-jährige Gadou und der 19-jährige Clark um zweistellige Millionenbeträge, die den Salzburgern sofort helfen müssten. Zumindest bisher konnten sie das in einer Mannschaft ohne Leithammel nicht.

9) Nach Zlatko Junuzovic im Vorjahr wurde in diesem Jahr auch noch der verdienstvolle Andreas Ulmer unfreiwillig in die Pension geschickt. Als Stand-by-Profi hätte er mit seiner Autorität schon noch helfen können. Und sei's nur in der Kabine.

10) Amar Dedic, der in den letzten Jahren als Führungsspieler aufgebaut wurde, hat man die Kapitänsbinde abgenommen und dem Leihkeeper (das ist so unglaublich, dass es sich immer noch ein ! verdient) übergeben. Dementsprechend gefrustet agiert Dedic, der wohl auch schon lieber in einer großen Liga wäre.

Fazit: Seit Christoph Freund weg ist, kriegen sie in Salzburg viele für den Erfolg wesentlichen Dinge nicht auf die Reihe.

Zwei Punkte muss man Freund-Nachfolger Bernhard Seonbuchner aber auch zugute halten: Mit Pep Lijnders hat er endlich wieder einen Trainer engagiert, der stilprägend für die kommenden Jahre sein könnte. Dafür muss er die Krise schnell in den Griff kriegen. Dass er mit Terzic, Kjaergaard, Fernando, Nene, Ratkov und Yeo seine halbe Stammbesetzung vorgeben muss, und das ist Seonbuchners zweite Entschuldigung, macht seine Arbeit nicht leichter.

Horst Hötsch

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