7. Oktober: Alles ist politisch geworden, selbst das Sterben

vor 2 Tage 1

Vor einem Monat kam mein Vater aus Deutschland in Israel zu Besuch. Es waren relativ ruhige zehn Tage. Nur an einem Morgen scheuchte uns ein Raketenalarm im Nachbarort vor Tel Aviv aus dem Bett. Tagsüber spielte er mit seinem Enkel, unserem Sohn, abends schaute er mit uns israelische Nachrichten.

Es waren zehn Tage mit vielen Trauerfeiern. Im Fernsehen sah mein Vater Eltern ihre Kinder zu Grabe tragen: Soldaten und Geiseln, darunter sechs junge Erwachsene, die fast elf Monate in Gefangenschaft in Gaza überlebt hatten, bevor sie kurz vor einer möglichen Befreiung von ihren Peinigern erschossen wurden. Er sah die Bilder des Tunnels unter Rafah, die Blutlachen, die Säcke mit Plastikflaschen voller Urin: Zeugnisse monatelanger Gefangenschaft, ohne Toilette, in völliger Finsternis, ohne Platz, um aufrecht zu stehen. Mein Vater sah Geschichten von Tod, von Abschied und Verlust, von Trauer und Trauma. Und er sah meine Tränen über die letzten Worte einer Mutter an ihr getötetes Kind. "Das ist schwer auszuhalten", sagte er mit belegter Stimme. Ich sah seine Erschütterung und verstand in diesem Moment auch etwas über uns Israelis.

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