12. Etappe der Tour de France: Der Gipfelsturm des Tadej Pogačar

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 Tadej Pogačar

Zum 20. Mal bei der Tour ganz vorne: Tadej Pogačar

Foto: Christophe Petit Tesson / EPA

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In stillem Gedenken: Für kurze Zeit ist alles egal. Zu Beginn der Etappe gedachte das Fahrerfeld der Tour de France in Stille des jungen Italieners Samuele Privitera, der am Vortag bei der Aostatal-Rundfahrt tödlich verunglückt war. 19 Jahre war er erst alt. Ein tragisches Ereignis, das jäh wieder deutlich macht, wie gefährlich dieser Sport ist. Und dass ein paar Abschürfungen, wie sie Topfavorit Tadej Pogačar am Vortag bei einem Sturz erlitten hatte und die danach das große Thema waren, das geringste Problem sind. Pogačar selbst sagte am Donnerstagmorgen: »Das Risiko, das wir manchmal eingehen, geht zu weit.«

Die 12. Etappe: Die 180 Kilometer von Auch in der Gascogne nach Hautacam hinauf ins Hochgebirge der Pyrenäen hat vielleicht diese Tour de France bereits entschieden – neun Etappen vor Ziel. Pogačar stürmte den letzten Berg hinauf, unaufhaltsam und fuhr mehr als zwei weitere Minuten Vorsprung auf seinen Hauptrivalen Jonas Vingegaard heraus. Das Gelbe Trikot ist wieder bei dem, der es vermutlich nicht mehr ausziehen wird. Ganz stark präsentierte sich aber auch Florian Lipowitz, der sich direkt hinter den großen Zwei platzierte und ARD-Florian Naß in Jubelarien ausbrechen ließ: »Er ist der Drittbeste!« Und nun Vierter in der Gesamtwertung.

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Der Unantastbare: Am Fuß des Schlussberges hatte Vingegaard schon all seine Teamkollegen als mögliche Helfer verloren, während Pogačar noch drei Fahrer seines UAE-Teams um sich wusste. Der Titelverteidiger aus Slowenien attackierte daraufhin kühne zwölf Kilometer vor dem Ziel, so wie nur er es tut. Vingegaard konnte nicht mehr folgen. Das war es. Die nächste ganz große Pogačar-Show. Man kann für den Radsport und für alle nur hoffen, dass dies alles mit rechten Dingen zugeht.

Der letzte Berg: 13,6 Kilometer ging es zum Schlussanstieg hoch nach Hautacam mit durchschnittlich 7,8 Prozent Steigung. Zuletzt distanzierte hier 2022 Vingegaard seinen Dauerrivalen Pogačar deutlich. Das waren noch Zeiten. Noch früher triumphierten hier Bjarne Riis, und Lance Armstrong übernahm 2000 das Gelbe Trikot. Die beiden letztgenannten sind dabei bekanntlich nicht nur mit Heilwasser aus dem nahen Lourdes hier hoch gestrampelt.

Florian Lipowitz stürmt nach oben

Florian Lipowitz stürmt nach oben

Foto: Marco Bertorello / AFP

Bora Bora: Die Frage im deutschen Team Red-Bull-Bora-hansgrohe war von Beginn der Tour an: Wer ist der wahre Kapitän im Team, wer hat die besseren Beine? Der nominelle Chef Primož Roglič oder Deutschlands Hoffnungsträger Lipowitz? Der letzte Berg deutete die Antwort an. Lipowitz konnte fünf Kilometer vor dem Ziel das Tempo noch verschärfen, Roglič nicht mehr.

Gelb, Adieu: Allerdings war es nicht erst der Schlussanstieg, sondern zuvor schon der drittletzte Berg des Tages, der Col du Soulor, der als Scharfrichter im Feld agierte. Mit 52 Fahrern fuhr die Gruppe um die Besten in den Berg hinein, mit 14 Fahrern erreichte sie die Passhöhe. Der bislang Führende im Gesamtklassement, Ben Healy, konnte irgendwann nicht mehr folgen.

Der Präsident gibt sich die Ehre

Der Präsident gibt sich die Ehre

Foto: Marco Bertorello / AFP

Bonjour le President: Eine Etappe, die eines Präsidenten würdig ist. Emmanuel Macron hatte sich das richtige Teilstück ausgesucht, um der Tour seine jährliche Visite abzustatten.

Im Netz und ohne doppelten Boden: Dass Pogačar in der Schlussphase der Etappe am Mittwoch nach Toulouse zu Fall kam, haben im Internet zahlreiche Leute zum Anlass genommen, den für den Sturz unabsichtlich verantwortlichen Norweger Tobias Johannnessen mit Schmähungen bis hin zu Gewaltandrohungen zu bedenken. Manchmal möchte man diesen sogenannten sozialen Medien tatsächlich die Pest an den Hals wünschen. Oder zumindest einen flächendeckenden Netzausfall. Pogačar selbst fand am Abend die richtigen Worte an den unglücklichen Norweger adressiert: »Alles gut, stress dich nicht.« Sollte man als Lebensmotto nehmen.

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Einer für alle, alle für einen: Auch, der Startort der Etappe, ist die Heimat der Abenteuer-Legende D'Artagnan, des Gascogners, den Alexandre Dumas zum vierten der drei Musketiere hat aufleben lassen. Alle für einen – das kann man auch als Motto der Radsportteams von Pogačar und Vingegaard nehmen, die für ihren Kapitän ihr Herz auf der Straße lassen.

No Slushy: Beim Pogačar-Team von UAE gab es Mitte der Etappe Funkkontakt, bei dem der Star nach »Slushy« fragte und aus dem Teamwagen bedauernd geantwortet wurde: »We have no slushy in the car.« Da rätselten selbst die ARD-Insider Naß und Fabian Wegmann, was damit gemeint war. Trendbewusste Menschen wissen Bescheid: Slushy ist ein Erfrischungsgetränk im halbgefrorenen Zustand. Man kann sicher sein: Bei den kommenden Bergetappen wird UAE »Slushy in the car« haben. Die Trinkflaschen mit dem Zeug heißen übrigens »Slush puppies«.

Mit Gottes Segen: Von Hautacam aus, dem Skigebiet, kann man den Blick von ganz oben auf Lourdes, die Pilgerstätte der Katholiken, simulieren. Dorthin, wo einst das Lied der heiligen Bernadette erklang und sie ihre Erscheinungen hatte. 13.000 Einwohner, fünf Millionen Übernachtungen im Jahr, 200 Andenkenläden. Alles Weitere dazu nachzulesen bei Kurt Tucholskys »Pyrenäenbuch«. Partnerstädte, wenig erstaunlich: Altötting, Fatima, Tschenstochau.

Nicht nur Radsport: Die Region liebt die Radfahrer, aber sie liebt auch den Rugbysport. In Bayonne, Biarritz und Pau wird traditionell und erfolgreich Rugby gespielt. Was beide Sportarten verbindet: die Pille.

Rugby-Partie von AB Bayonne gegen ASM Clermont

Rugby-Partie von AB Bayonne gegen ASM Clermont

Foto: THIERRY ZOCCOLAN/ AFP

Land und Leute: Pau, die Pyrenäen-Metropole, ist nach Paris und Bordeaux, der Ort, der in der Tourgeschichte am häufigsten als Etappenstart oder -ziel angesteuert wurde. Klar, dass der Strecken-Revoluzzer Christian Prudhomme bei seinen Versuchen, die Tour immer wieder neu zu erfinden, die Stadt in diesem Jahr einfach mal links liegen lässt. Für den Mansplaining Partytalk: In Pau wurde Henri de Navarra, später Henrich IV. geboren, und, passend zu den gleichzeitig beginnenden British Open: hier gibt es den ältesten Golfklub auf dem Kontinent.

Auch Nils Politt leistete wieder wichtige Führungsarbeit für seinen Chef Tadej Pogačar

Auch Nils Politt leistete wieder wichtige Führungsarbeit für seinen Chef Tadej Pogačar

Foto: Martin Divisek / EPA

Bon Appetit: Das Peloton ist für drei Tage in den Pyrenäen, insofern müssen wir unsere Gastro-Tipps streuen. Heute mal ganz ohne Käse, der folgt dann bei nächster Gelegenheit. Aber es gibt hier ja auch noch so viel mehr zu schnabulieren, wie man früher in den guten Zeiten zu sagen pflegte. Zum Beispiel das Poulet a la Basquaise, ein geschmortes Huhn mit Tomate, Paprika und Zucchini. Dass die Pyrenäen-Gegend das Schlaraffenland ist, sieht man allein daran, dass es hier gebratene Tauben gibt, mit Champignons, Schalotten und dem Getränk der Getränke der Region, dem Armagnac. Die kleine Schwester des Cognac.

Was macht Antwerpes: Moderiert den bisherigen Spitzenreiter Ben Healy als »ein irrer Ire« an. Nachdem die ARD vorher schon getextet hatte: »Highway to Healy« und »der Healy-Copter«. Unterlegt natürlich mit U2-Musik. Einfach gute Leute, da bei der ARD, wären die nicht was für den SPIEGEL?

Erkenntnis der Etappe: Auch wenn Pogačar stürzt, ist er am nächsten Tag allen anderen überlegen. Der 20. Tour-Etappensieg des Slowenen. Und das Team Bora hat eine neue Nummer eins.

So geht’s weiter: Nach dem Spektakel ist vor dem Spektakel. Am Freitag gehts ins Bergzeitfahren. »Nur« elf Kilometer lang, aber die immer bergauf. Vingegaard wird auf seine vielleicht letzte Chance hoffen. Ihm bleibt nichts anderes als die Hoffnung.

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