Zollstreit: EU stellt sich auf schmerzhaften Deal mit Donald Trump ein

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Donald Trump ist ganz der Alte. Er reiste übers Wochenende nach Europa, hauptsächlich privat, mit Besuch in Turnberry im Südwesten Schottlands, wo ein direkt an der Küste gelegener Golfplatz seinen Namen trägt. Eher nebenbei würde er den britischen Premier Keir Starmer zu Handelsgesprächen treffen. Für den Sonntagnachmittag hat er EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeladen und die Wahrscheinlichkeit eines Deals im Zollkonflikt zuvor mit „50-50“ eingestuft. Wäre es nicht der Präsident der Vereinigten Staaten, der an Bord der Air Force One über den Atlantik fliegt, es sähe ganz so aus, als mache dort der Immobilienmogul Trump am Rande einiger Partien Golf ein paar Geschäfte. Entsprechend dem Klischee alter Hollywood-Filme.

Für die EU-Staaten ging es bei dem Treffen um viel: Entweder es gelingt ein Abkommen mit Washington bis zum 1. August, oder ein Großteil aller Waren aus Europa würde mit einem Einfuhrzoll von 30 Prozent belegt – und der Handelskrieg würde Realität. So hatte es Trump vor zwei Wochen angedroht und den Druck in den Verhandlungen damit ein weiteres Mal erhöht. Bis kurz vor dem Treffen des US-Präsidenten mit Ursula von der Leyen rangen beide Seiten noch um Details einer möglichen Vereinbarung.

Trump will keine vorteilhaften Abkommen, sondern seine Staatskasse füllen

Einige Eckpunkte eines Handelsdeals hatten sich bereits abgezeichnet. Sie ähneln dem, was die USA und Japan vorige Woche vereinbart haben. So muss sich die EU auf einen Basiszoll von 15 Prozent einstellen, der für die meisten Güterexporte in die USA gelten würde. Strittig waren bis zuletzt die sektorspezifischen Zölle auf Autos, Stahl und Arzneimittel. Die Einfuhrabgaben auf Stahl und Aluminium hat Trump auf inzwischen 50 Prozent hochgeschraubt. Diese würden wohl bestehen bleiben, mit Ausnahme einer Importquote, bis zu der die alten Zollsätze gelten. Auch, ob es den Europäern gelingen würde, für Autos und Autoteile den Basiszollsatz von 15 statt den bisher gültigen 27,5 Prozent zu vereinbaren, war noch offen. Dem Vernehmen nach gelten Zölle in dieser Höhe insbesondere der deutschen Autoindustrie als Schmerzgrenze.

Für die Europäische Union gab es in den Gesprächen nicht mehr viel zu gewinnen. Selbst ein Kompromiss, wie ihn Trump bereits mit Großbritannien und Japan abgeschlossen hatte, wäre für den Staatenblock nur deshalb zu akzeptieren, weil sich damit ein viel schlimmeres Szenario verhindern ließe. Teuer und einseitig wäre der Deal trotzdem. Und er würde die beteiligten EU-Vertreter in einer Auffassung bestätigen, die im Lauf der Gespräche gereift ist: Trump zielt nicht auf vorteilhafte Abkommen, er will mit den Zöllen zuvorderst seine Staatskasse füllen und Industriejobs zurückholen.

Frankreich und Deutschland drängen auf härtere Reaktionen, sollte der Streit eskalieren

Das verengte den Spielraum von Beginn an. Beide Seiten hatten seit annähernd vier Monaten verhandelt. Während dieser Zeit erhoben die USA einen pauschalen Zoll von zehn Prozent auf die Mehrheit aller EU-Waren; die gesonderten Zusatzzölle auf Stahl und Aluminium sowie auf Autos blieben in Kraft. Die EU-Kommission hatte eine zweistufige Vergeltung mit höheren Einfuhrabgaben auf amerikanische Güter komplett ausgesetzt. Sie hielt sich in der Hoffnung auf eine Vereinbarung zurück, um Trump nicht herauszufordern.

Sollte kein Deal zustande kommen, könnte die EU kommende Woche Zölle von bis zu 30 Prozent auf US-Waren im Wert von 93 Milliarden Euro pro Jahr erheben. Diese würden vom 7. August an stufenweise in Kraft treten. Mehrere EU-Länder – allen voran Frankreich und Deutschland – dringen außerdem darauf, für den Fall einer Eskalation des Handelsstreits härter zu antworten und zusätzliche Abgaben auf US-Internetdienste zu erheben, etwa auf Online-Werbung, mit der Konzerne wie Meta und Google Geld verdienen.

Trump hatte vor seinem Abflug gesagt, die EU müsse sich von den angedrohten 30-prozentigen Zusatzzöllen „freikaufen“, und damit den Ton gesetzt. Im Wesentlichen hänge dies davon ab, inwieweit die Union bereit sei, ihre Handelsbeschränkungen für amerikanische Exporte abzubauen. Welche Zugeständnisse die europäischen Vertreter Trump in letzter Minute noch gemacht haben, blieb offen. Sollte eine Übereinkunft gelingen, sagte Trump, wäre dies „der größte Deal von allen“.

Einen solchen müssten im Anschluss noch die Mitgliedstaaten absegnen. Theoretisch wäre die Kommission zwar allein für die Zollpolitik zuständig, politisch braucht sie aber die Rückendeckung der Hauptstädte. Dabei überwiegt die Bereitschaft, ein unvorteilhaftes Abkommen in Kauf zu nehmen. Zu groß ist die Furcht, dass noch höhere US-Zölle Europas Wirtschaft umso härter treffen. Nach wie vor halten sich Bedenken, Trump könnte im Fall einer Eskalation doch noch die militärische Sicherheitsgarantie für Europa als sachfremdes Druckmittel einsetzen. Das blieb zwar aus, aber, so formuliert es ein EU-Diplomat: Man will es auch nicht darauf ankommen lassen.

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