Jahrzehntelanges Rätsel gelöst Röntgenteleskope finden »fehlende« Materie im Kosmos
Beachtliche Mengen der sichtbaren Materie, aus der etwa Sterne und Planeten bestehen, konnten Forschende bisher nicht im All beobachten. Jetzt wollen sie die Stoffe in zehn Millionen Grad heißem Gas entdeckt haben.
19.06.2025, 16.43 Uhr

Die Illustration stellt das kosmische Netz dar, das die großräumige Struktur des Universums sichtbar macht
Foto: ESAEs ist ein Rätsel, das die Astronomen seit Jahrzehnten beschäftigt: Etwa ein Drittel der »normalen« Materie, jener Stoffe also, aus denen Sterne, Planeten und auch Menschen bestehen, entzog sich trotz aller Anstrengungen der Beobachtung. Nun gelang es einem internationalen Forscherteam, diese sogenannte fehlende Materie mithilfe von zwei Röntgenteleskopen aufzuspüren.
Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin »Astronomy & Astrophysics« berichten, verbindet ein 23 Millionen Lichtjahre langes Filament aus zehn Millionen Grad heißem Gas vier Galaxienhaufen. »Zum ersten Mal stimmen unsere Ergebnisse mit den Modellen des Kosmos überein«, sagt Teamleiter Konstantinos Migkas von der Sternwarte Leiden in den Niederlanden. »Wie es scheint, hatten die Simulationen also recht.«
Astrophysiker versuchen am Computer zu simulieren, wie sich Strukturen im Kosmos entwickeln, etwa Galaxien und Galaxienhaufen. In ihren Modellen sind Galaxienhaufen durch langgestreckte Filamente verbunden, genauer durch fadenförmige Strukturen, die sehr viel Gas enthalten. Zwar konnten viele solcher Filamente tatsächlich nachgewiesen werden, doch sie enthielten viel weniger Materie, als es die Simulationen vorhersagten.

Das Filament aus heißem Gas verbindet vier Galaxienhaufen: zwei an einem Ende, zwei am anderen. Die Haufen sind als vier helle, von Farbe umgebene Flecken am unteren und oberen Ende sichtbar.
Foto: ESA / XMM-Newton and ISAS / JAXAZwei Rötgenteleskope machten es möglich
Jetzt wissen die Himmelsforscher, warum: Aufgrund seiner extrem hohen Temperatur ist das Gas nur im Röntgenbereich sichtbar. Unglücklicherweise senden aber auch andere Himmelsobjekte Röntgenstrahlung aus, insbesondere große Schwarze Löcher. Deshalb benötigte das Team um Migkas gleich zwei Röntgenteleskope, um die vermeintlich fehlende Materie nachzuweisen.
Das japanische Instrument Suzaka registrierte die Stärke der Röntgenstrahlung entlang des Filaments, der europäische Satellit XMM-Newton identifizierte die störenden Quellen.
»Damit haben wir unser kosmologisches Standardmodell gestärkt«
Norbert Schartel, Projektwissenschaftler von XMM-Newton
Nach Abzug dieser störenden Einflüsse ergab sich für das Filament eine Gesamtmasse, die etwa dem Zehnfachen der Masse der Milchstraße entspricht, was gut zu den Simulationen passt.
»Die fehlende Materie hat sich also in kaum sichtbaren Fäden im Universen versteckt«, fasst Norbert Schartel, Projektwissenschaftler von XMM-Newton, zusammen. »Damit haben wir unser kosmologisches Standardmodell gestärkt und seit Jahrzehnten durchgeführte Simulationen bestätigt.«