Fischerei: Farbveränderung der Ozeane könnte Meeresökologie beeinflussen

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Farbwechsel im Wasser Die Ozeane an den Polen werden grüner

Grüneres Grün, blaueres Blau: Die Farbe unserer Ozeane verändert sich laut einer aktuellen Studie. Der Wandel könnte die Tierwelt und die Fischerei weltweit beeinflussen.

19.06.2025, 20.12 Uhr

Wasser in Gebieten mit viel Phytoplankton erscheint von oben betrachtet grünlicher als Wasser, in dem weniger von diesen Organismen leben

Wasser in Gebieten mit viel Phytoplankton erscheint von oben betrachtet grünlicher als Wasser, in dem weniger von diesen Organismen leben

Foto: Nuture / iStockphoto / Getty Images

Grüne Ozeane werden grüner, blaue blauer. Das geht aus einer Studie im Fachjournal »Science«  hervor, für die Forschende Satellitendaten ausgewertet haben.

Die Färbung wird verursacht von winzigen Algen und Cyanobakterien, sogenanntem Phytoplankton. Phytoplankton trägt den grünen Farbstoff Chlorophyll in sich und betreibt damit Fotosynthese, gewinnt also mithilfe von Licht aus Kohlendioxid (CO₂) Energie. Mehr Phytoplankton bedeutet grüneres Wasser, weniger Phytoplankton blaueres.

Gibt es wenig Phytoplankton, bedeutet das allerdings auch eine geringere Energieausbeute. Die Lebewesen im Meer, welche die Grundlage aller Nahrungsketten bilden, wachsen langsamer. Auswirkungen auf die Fischerei und die Wirtschaft von Küstenstaaten seien zu befürchten, schreibt das Team um Haipeng Zhao von der Duke University in Durham (USA).

»Als ob die Reichen reicher und die Armen ärmer werden.«

Haipeng Zhao, Meeresforscher

Der Auswertung zufolge verzeichnete unter anderem der Arktische Ozean einen deutlichen Chlorophyll-Anstieg. Die Forschenden haben Satellitenbilder von der Meeresoberfläche des offenen Ozeans aus den Jahren 2003 bis 2022 ausgewertet. Demnach gibt es ein zunehmendes Ungleichgewicht: Grüne Bereiche mit höherem Chlorophyllgehalt werden vor allem in der nördlichen Hemisphäre grüner – es wird von Lebensformen dort also offenbar immer mehr Fotosynthese betrieben.

Blaue Bereiche hingegen werden blauer, verlieren also an ohnehin geringerer Produktivität. »Das ist so, als ob die Reichen reicher und die Armen ärmer werden«, sagte Zhao laut der Presseagentur dpa.

Sorge um Fischfang

Die Ozeane tragen etwa zur Hälfte zur Primärproduktion der Erde bei, auf der das Nahrungsnetz aller Lebewesen basiert. Geht das Phytoplankton in äquatorialen Regionen weiter zurück, könnte das die Fischerei verändern. Auf die aber seien viele Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen wie die Pazifikinseln für ihre Ernährung und wirtschaftliche Entwicklung angewiesen, schreiben die Autoren.

Mehr als die Hälfte des weltweiten Fischfangs stammt demnach derzeit aus tropischen und subtropischen Regionen, in denen die Ozeane blauer werden. Die Wissenschaftler halten einen Rückgang der Fischbestände und damit der Fangmengen dort und eine Zunahme in hohen Breitengraden für möglich.

Steigende Temperatur problematisch

»Insgesamt gehen wir davon aus, dass steigende Temperaturen eine zentrale Rolle bei der Ausprägung dieser beobachteten Muster spielen«, erklärte Zhao auf SPIEGEL-Nachfrage. Obwohl das Team mit seinem Datensatz allein keine Kausalität nachweisen könne, werde dieser Zusammenhang durch Ergebnisse aus anderen Studien gestützt.

»So können beispielsweise höhere Temperaturen in Polarregionen das Schmelzen des Meereises beschleunigen, was wiederum zu einer längeren Wachstumsperiode für Phytoplankton führt – und damit zu erhöhten Chlorophyllwerten«, erklärte der Forscher. In subtropischen Regionen hingegen würden wärmere Gewässer in der Regel die Schichtung verstärken, wodurch der Nährstoffaustausch aus tieferen Schichten eingeschränkt werde. »Das führt letztlich zu einem Rückgang von Phytoplankton und Chlorophyllkonzentrationen«, sagte Zhao.

Setzt sich der Farbtrend fort, könnte das die Fischerei beeinträchtigen

Setzt sich der Farbtrend fort, könnte das die Fischerei beeinträchtigen

Foto: Johan Holmdahl / iStockphoto / Getty Images

Weitere entscheidende Einflussfaktoren für die Chlorophyllkonzentration sind den Wissenschaftlern zufolge die Lichtverfügbarkeit, Windgeschwindigkeit und die Dicke der gut durchmischten Oberflächenwasserschicht.

»Was mich am meisten überrascht hat, war, wie beständig und eindeutig die breitenabhängigen Trends waren«, sagte Zhao weiter.

Trend im Norden besonders ausgeprägt

Das Team habe eine neue Methode entwickelt, um globale Trends in der Phytoplankton-Population anhand von Chlorophylldaten über Breitengrade hinweg zu analysieren, schreibt der Meeresforscher Raphael Kudela von der University of California, Santa Cruz, in einem die Studie begleitenden Kommentar .

»Die Ergebnisse zeigen: In den Subtropen und Tropen nimmt die Chlorophyllkonzentration ab (das Wasser wird blauer), während sie in hohen Breiten zunimmt (das Wasser wird grüner). Besonders ausgeprägt ist dieser Trend auf der Nordhalbkugel«, schreibt er weiter.

Auch Kudela ist überzeugt: »Wenn sich dieses Muster fortsetzt, könnten tiefgreifende Auswirkungen auf die globalen marinen Ökosysteme auftreten, die nicht nur die Fischerei, sondern auch die Biogeochemie und Ökologie der Meeresumwelt betreffen.«

Laut der Forschenden bleibt abzuwarten, ob die in den 20 Jahre umfassenden Aufzeichnungen ersichtlichen Trends natürliche Schwankungen seien – oder aber durch den Klimawandel bedingt. Der Untersuchungszeitraum sei bisher zu kurz, um den Einfluss von wiederkehrenden Klimaphänomenen wie El Niño auszuschließen.

Die Ozeane sind äußerst dynamisch. Daher braucht es Jahrzehnte an konsistenten Satellitendaten sowie sorgfältige statistische Analysen, um natürliche Schwankungen von klimabedingten Veränderungen zu unterscheiden. Notwendig sind nach jetziger Kenntnis Satellitenzeitreihen über 30 bis 40 Jahre.

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