Sie haben zwischen 2015 und 2017 mehrere Interviews mit Jeffrey Epstein geführt, also nach seiner ersten Verurteilung wegen der Inanspruchnahme von Prostitution 2008 und vor seiner zweiten Festnahme 2019. Vor der jüngsten Präsidentschaftswahl haben Sie gemeinsam mit dem Magazin „The Daily Beast“ Auszüge aus Ihren Aufnahmen von diesen Gesprächen veröffentlicht, in denen es auch um Epsteins angeblich sehr enge Freundschaft mit Donald Trump ging. Sie haben zuletzt mehrfach darüber gesprochen, dass diese Informationen damals, vor der Wahl, nicht die Aufmerksamkeit bekommen hätten, die sie hätten haben sollen, auch nicht von anderen Medien. Was glauben Sie, woran das lag?
Das ist eine gute Frage. Natürlich kenne ich die genaue Antwort nicht. Aber ich könnte spekulieren, dass es sich hierbei um eine ungewöhnliche Geschichte handelt, die schon seit geraumer Zeit das Internet beschäftigt hatte, während die etablierten Medien äußerst skeptisch geblieben waren und gezögert hatten, sie aufzugreifen. Ich denke, das lag zum Einen daran, dass niemand wirklich durch all die Verschwörungstheorien hindurchblicken konnte, die sich um diese enge Freundschaft rankten. Andererseits herrschte vielleicht auch eine Haltung nach dem Motto: „Das ist zu anrüchig für seriöse Leute. Mit solchen Dingen beschäftigen wir uns nicht.“ Und nachdem Jeffrey Epstein zu einer eindimensionalen Figur gemacht und als pädophil dämonisiert wurde, war er dadurch vollständig diskreditiert. Niemand betrachtete ihn als jemanden, der möglicherweise glaubwürdig gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten aussagen könnte.
Wie war denn, laut Epsteins Darstellung Ihnen gegenüber, die Beziehung zwischen ihm und Trump?
Ja, das kommt ja allmählich ans Licht. Die Leute waren bisher zurückhaltend damit, Epstein als Zeugen ernst zu nehmen. Donald Trump und Jeffrey Epstein waren über ein Jahrzehnt lang engste Freunde und standen sich wohl näher als jedem anderen in ihren jeweiligen Leben. Sie hatten jahrelang fast täglich oder alle paar Tage Kontakt. Ich denke, diese Beziehung war für beide Männer von grundlegender Bedeutung. Beide pflegten einen bestimmten Lebensstil, ebenjenen Lebensstil, der Epstein letztlich in Schwierigkeiten brachte, sogar in tödliche Schwierigkeiten. Inzwischen erfahren wir immer mehr darüber, dass Donald Trump Teilnehmer und Partner in genau diesem Lebensstil war. Beide Männer waren vor allem an zwei Dingen interessiert, ja geradezu davon besessen: Geld und Frauen oder auch Mädchen.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie diese Interviews führten? Wie haben Sie Jeffrey Epstein kennengelernt?
Es gab mehrere Berührungspunkte. Um etwa 2004 arbeitete ich beim „New York Magazine“. Zu dieser Zeit sollte das Magazin verkauft werden, und Epstein gehörte zu einer Gruppe wohlhabender Leute, die versuchten, es zu kaufen. Damals lernte ich ihn und die anderen aus dieser Gruppe kennen. Nachdem er später ins Gefängnis gekommen und wieder entlassen worden war, nahm Epstein irgendwann Kontakt zu mir auf. Er versuchte sich zu rehabilitieren und bat mich, etwas über ihn zu schreiben. Dabei bot er mir völlige Freiheit an und erklärte, er habe nichts zu verbergen. Er sagte zu mir: „Mein Leben hat viel mehr Dimensionen als das, weswegen ich ins Gefängnis gegangen bin.“

Epstein war damals in Florida durch einen Deal mit dem dortigen Bundes-Staatsanwalt Alexander Acosta, der später Trumps Arbeitsminister wurde, sehr glimpflich davongekommen.
Ja. Und er spielte das, was ihm vorgeworfen wurde, danach immer herunter. Vieles von dem, was wir heute über ihn wissen, kam erst später heraus. Ich war damals unschlüssig, aber er sagte zu mir: „Kommen Sie, sprechen Sie mit mir, Sie werden sehen, ich bin völlig transparent. Zu mir kommen viele interessante Menschen. Ich lade Sie ein, und Sie können sich Ihr eigenes Bild machen.“ Das tat ich dann auch, mehrmals sogar, und tatsächlich war es sehr interessant. Noch interessanter wurde es für mich natürlich, als Donald Trump 2015 für das Präsidentenamt kandidierte. Ich begann, darüber zu schreiben. Epstein war für mich in dieser Hinsicht eine unglaublich wertvolle Quelle, einer der Menschen, die mir über Trump am meisten erzählen konnten. Später freundete Epstein sich auch noch eng mit Steve Bannon an. Ich würde sagen, Bannon war nach Epstein die zweitwichtigste Quelle, wenn es darum ging, Donald Trump zu verstehen. Diese beiden Männer über ihn reden zu hören, war für mich als Journalist extrem aufschlussreich.
Hatten Sie jemals Zweifel an der Glaubwürdigkeit dessen, was Epstein Ihnen erzählte? Damals kamen die Berichte von Julie K. Brown im „Miami Herald“, die neue Ermittlungen anstießen, ja erst nach und nach heraus.
Ja, das war später, Ende 2018. Doch ich hatte auch während dieser späteren Zeit noch Kontakt mit Epstein, als zunehmend neue Informationen öffentlich wurden. Was Julie Brown veröffentlichte, beruhte vor allem auf eidesstattlichen Aussagen von Frauen, die ihre Vorwürfe gegen Epstein vorgebracht hatten. Mein Zugang zu diesem Thema war aber ein anderer. Brown kannte Epstein nicht persönlich. Ich hingegen schon, und ich war stets der Meinung, dass dieser Teil der Geschichte – wer Epstein wirklich war, was genau um ihn herum geschah, wer ihm nahestand und wie sein Leben aussah – nicht ausreichend behandelt wurde. Genau das war der Blickwinkel, den ich hatte.
Und wie würden Sie ihn als Person beschreiben?
Ich würde sagen, Epstein war einer der rätselhaftesten Menschen unserer Zeit. Es gibt viele verblüffende, offene Fragen: Woher kam sein ganzes Geld? Warum fühlten sich so viele einflussreiche und mächtige Menschen von ihm angezogen? Was genau waren seine Interessen? Diese Interessen waren tatsächlich äußerst vielfältig. Wie gesagt, wir haben heute nur noch dieses eindimensionale Bild von ihm als Sexualstraftäter, fast als Karikatur. Das ist er in gewisser Hinsicht natürlich auch gewesen, aber eben zugleich jemand mit weitreichenden Interessen, einem umfangreichen Netzwerk und jemand, der diesen mächtigen Menschen offenbar etwas bot. Im eindimensionalen Narrativ behauptet man oft, Epstein habe diese Leute erpresst und ihnen Mädchen vermittelt. Das halte ich für eine absurde Behauptung. Diese Leute wollten dort sein. Sie wurden ganz sicher nicht erpresst. Während der langen Zeit, die ich bei ihm in seinem Townhouse in Manhattan verbrachte, sah ich jedenfalls keinerlei Hinweise darauf, dass Frauen oder junge Mädchen im Mittelpunkt seiner Beziehungen zu anderen Menschen standen. Diese einfache Erklärung wäre zwar bequem, aber die tatsächliche Antwort ist viel komplexer: Es ging darum, was Epstein an Kontakten, Atmosphäre und Einflussmöglichkeiten bot. Es ging nicht vordergründig um Sex, sondern um Macht.
Welche Leute haben Sie dort gesehen?
Es waren unglaublich viele. Ich habe praktisch jeden gesehen, der später genannt wurde – alle bekannten Namen waren dabei, von Bill Gates bis hin zu prominenten Politikern. Die Liste der Namen ist sehr lang, und ich möchte im Moment niemanden neu hinzufügen.
Epstein und Trump haben sich ja später überworfen, offiziell wegen eines Immobiliengeschäfts. Könnten Sie näher beschreiben, wie Epstein Ihnen den Charakter von Trump geschildert hat?
Vielleicht war der eindrucksvollste Moment, gerade weil er von Epstein kam, als er über Trump sagte: „Vergessen Sie nicht, dieser Mann hat keinerlei Skrupel.“ Wenn man bedenkt, dass Epstein selbst dafür bekannt war, keine Skrupel zu haben, dann bezeichnete er den zukünftigen Präsidenten als jemanden, der sogar noch skrupelloser sei als er selbst.

Würden Sie sagen, dass auf Ihren Bändern neue Enthüllungen zu finden sind, die den Verlauf der gesamten Untersuchung hätten verändern können?
Ja, das würde ich so sagen. Wobei ich es etwas anders formulieren möchte: Leute haben mich angerufen und gefragt: „Haben Sie Epstein auf Band, wie er sagt, er habe minderjährige Mädchen für Trump organisiert?“ So funktioniert Journalismus aber nicht, und so funktionieren auch diese Aufnahmen nicht. Es handelt sich um Gespräche mit jemandem, den ich kenne, über eine Vielzahl von Themen, über unterschiedlichste Zusammenhänge. Epstein spricht ausführlich über Trump, über ihre Beziehung und auch über Frauen. Diese Gespräche bieten eher ein vollständigeres Bild als direkte Belastungen. Sie zeigen sehr deutlich, wie eng Trump und Epstein miteinander verbunden waren. Sie verbrachten eine lange Zeit – über ein Jahrzehnt – miteinander und teilten dieselben Interessen und Obsessionen, insbesondere Models. Genau das interessierte sie am allermeisten: Models. Das war eine Epoche, etwa von den späten Achtzigerjahren bis in die Neunziger hinein, in der „Models“ – in Anführungszeichen – zentral für die Unterhaltungskultur und den Zeitgeist standen. Beide gründeten Model-Agenturen oder investierten darin. Trump hatte seine Schönheitswettbewerbe, Epstein war stark in „Victoria’s Secret“ involviert. Immer ging es um Models. Leute fragen mich dann: „Aber sagen Sie, Trump interessierte sich für kleine Mädchen?“ Nein, er interessierte sich für Models. Und wie alt waren Models damals?
In den Achtziger- und Neunzigerjahren oft zwischen 14 und 16, richtig?
Exakt. Melania stammt schließlich auch aus dieser Kultur, aus diesem Umfeld. Genau das meine ich mit einem „vollständigeren Bild“. Ob das jemanden weiter belastet, müssen andere entscheiden. Aber was ich habe, hilft definitiv dabei, diese Beziehung zwischen Epstein und Trump zu verstehen – als tiefe und echte Verbindung – und ihre Natur besser zu begreifen.
Was außer dieser Model-Obsession und Skrupellosigkeit konnten Sie von Epstein noch über Trumps Charakter erfahren?
Geld. Es ging ihnen um Geld und Frauen, Mädchen. Das war es, was sie motivierte. Es war eine Zeit, in der man Geld und Frauen oder Mädchen anders betrachtete als heute. Damals galt ganz selbstverständlich: Natürlich werden wir reich, weil wir es wollen und weil wir es können. Wo liegt das Problem? Wir tun, was auch immer nötig ist, um reich zu werden. Dasselbe galt für Mädchen und Sex. Epstein empfand keinerlei Beschränkung durch herkömmliche Vorstellungen von Anstand. Trump ebenso wenig.
Wie zeigte sich das später in der Politik? Sie haben ja dann mehrere Bücher über Trump geschrieben, unter anderem „Fire and Fury“, wo Sie sich nicht nur die Vorgänge im Weißen Haus, sondern auch Trumps Persönlichkeit vornahmen.
Trump wurde zu einer völlig hemmungslosen Figur in der Politik, genau wie zuvor schon in der Geschäftswelt und in der Kultur. Sein hemmungsloser Lebensstil blieb unverändert, als er in die Politik wechselte.
Jetzt, nachdem Trump von seiner Justizministerin informiert wurde, dass er in den Epstein-Akten auftaucht, nachdem auch seine Anhänger mehr Informationen über den Fall Epstein verlangen, scheint es, als schlage Trump um sich, zum Beispiel gegen seinen Vorgänger Barack Obama, gegen den es nun eine neue Untersuchung geben soll. Erwarten Sie weitere Enthüllungen?
Ja, ich denke, da werden noch alle möglichen Enthüllungen kommen. Wie gesagt, es war eine lange Beziehung, mehr als ein Jahrzehnt nahezu täglicher Kontakt. Wohin das führt, weiß ich nicht genau. Man sollte immer bedenken, dass Trump sehr geschickt darin ist, solchen Situationen zu entkommen. Ich erinnere mich noch gut, wie wir alle dachten, die Russland-Ermittlungen würden ihm das politische Genick brechen – und doch hat er es überstanden. Trump verfügt über ein Maß an Schamlosigkeit und über eine Bereitschaft, buchstäblich alles zu tun. Andere versuchen ihre politischen Skandale heimlich zu vertuschen; Trump tut es offen und sichtbar für alle. Vielleicht kommt er gerade deshalb oft damit durch. Trotzdem glaube ich, dass diese Epstein-Geschichte real und wichtig ist. Neu für ihn ist, dass sogar seine eigene Basis nun dringend mehr darüber wissen will. Was passieren wird? Realistisch betrachtet, schafft er es wohl wieder, lenkt ab, wechselt das Thema – keine Ahnung, vielleicht marschiert er in Kanada ein. Dennoch bleibt diese Geschichte ein Schatten, der nicht verschwindet.
Viele Trump-Unterstützer hofften, dass die Affäre auch Demokraten belasten könnte.
Das wäre möglich. Ich würde es jedenfalls nicht ausschließen. Ich denke, die Sache gewann vor allem bei rechten Kreisen und MAGA-Anhängern Aufmerksamkeit, weil man sich erhoffte, Bill Clinton zu belasten. Doch das beruht auf einem Missverständnis. Kaum jemand, der wirklich etwas über Epstein weiß, redet darüber, weil jeder Kontakt mit ihm potenziell belastend ist. Also äußern sich vor allem Leute, die entweder gar nichts wissen, oder die Frauen, die Vorwürfe erhoben. Die Rechte ignorierte dabei einfach, dass Bill Clinton vielleicht ein oder zwei Jahre freundschaftlich mit Epstein verbunden war, Trump jedoch viel, viel länger und intensiver.
Die Ausschnitte Ihrer Interviews mit Epstein, die bisher veröffentlicht wurden, sind ja nur ein Bruchteil, die Rede ist von hundert Stunden Material. Was wollen Sie mit den restlichen Aufnahmen machen? Warum haben Sie sie bisher nicht veröffentlicht?
Nun, ich habe es versucht, und zwar über Jahre hinweg und auf verschiedenste Weise. Ich habe es wirklich intensiv versucht, aber niemand hatte Interesse. Heute ist plötzlich jeder daran interessiert, aber damals nicht. Im Moment versuche ich herauszufinden, welcher Weg am sinnvollsten wäre, diese Inhalte zu veröffentlichen.
Haben Sie damals darüber nachgedacht, das gesamte Material eigenständig auf einer Website zu veröffentlichen?
Ja, diese Idee hatte jeder. Doch in Wahrheit ist das komplizierter. Man nimmt nicht einfach einhundert Stunden Tonaufnahmen und stellt sie online. Ich bin nur ein einzelner Autor, kein Verlagshaus, keine Redaktion. Außerdem bin ich Journalist. Was ich tue, ist, Geschichten erzählen, Zusammenhänge herstellen, Kontext liefern. Genau dafür suche ich die beste Möglichkeit.
Was sagen Sie zu Kritikern wie dem Journalismusprofessor Jeff Jarvis, die fragen: „Warum hat er diese Informationen so lange zurückgehalten?“
Ich habe alles versucht, um die Informationen in einem geeigneten Rahmen zu veröffentlichen. Niemand hatte Interesse daran. Ich hoffe, das ändert sich jetzt, und dass ich endlich eine gute Gelegenheit und den richtigen Kontext finde, um meine Geschichte zu erzählen.
Planen Sie dazu ein weiteres Buch?
Ich plane noch nicht konkret, ich versuche momentan herauszufinden, was der beste Weg wäre. Doch diese Geschichte möchte ich definitiv erzählen.