Zugegeben: Viel war von ihm nicht mehr übrig. Dafür hat er wahrlich eine Odyssee hinter sich und dabei sogar den Krieg überstanden. Die Rede ist vom vermutlich ältesten Volkswagen-Käfer der Welt. Zu finden ist er bei einem Sammler im niedersächsischen Hessisch Oldendorf, der ihn in mühsamer Kleinarbeit wieder aufgebaut hat. Und: Inzwischen ist das Auto sogar wieder für den Straßenverkehr zugelassen. Wie fühlt sich die Fahrt mit dem gut 23 PS starken Fahrzeug an?
»Das ist Fahren im Urzustand, sozusagen back to the roots – und es ist laut«, berichtet Besitzer Traugott Grundmann. Allerdings: »Ab gut 80 Kilometern pro Stunde wird es holprig.« Laut TÜV sind 100 Kilometer pro Stunde möglich.
Vor allem aber ist es beengt in dem Fahrzeug. Wer gut 1,80 Meter groß ist, bekommt bereits Probleme, seine Beine unter dem Lenkrad hindurch zu strecken. Bei Grundmann klappt es noch. Aber um aus der Frontscheibe zu schauen, muss er einen Buckel machen.
Fahrwerk überstand Zweiten Weltkrieg
Gebaut wurde das Auto 1937 als Volkswagen W30 – noch beim damaligen Ingenieurbüro Porsche und mit Unterstützung von Mercedes. Nach den drei nicht mehr existierenden sogenannten V-Modellen war es die erste Prototypenserie für den späteren VW-Käfer. »Diese 30 Versuchswagen wurden im Auftrag von Ferdinand Porsche für einen groß angelegten Straßentest gebaut und gelten als direkte Vorläufer des späteren VW-Käfers«, teilte der TÜV Nord mit.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Prototypen verschrottet, wie auf Bildern zu sehen ist, die Grundmann in seiner Ausstellung aufgehängt hat. »Man brauchte das Material.« Gut 56.000 Kilometer war das Fahrwerk mit der Nummer 26 bis dahin unterwegs gewesen.
Laut dem TÜV, der die Echtheit der 26 bestätigte, gibt es keine Hinweise auf weitere verbliebene Rahmen oder Karosserien. Damit gilt das jetzt wieder aufgebaute Auto als weltweit ältester VW-Käfer.
Spätestens Anfang der Siebzigerjahre wurde Fahrwerk Nummer 26 in Gmünd im österreichischen Kärnten unter einem anderen Fahrzeug – einem sogenannten Kübelwagen, also eine Art militärischer Käfer – wiederentdeckt, wie Grundmann berichtet. Über verschiedene Sammler gelangte das Fahrzeugteil schließlich zu einem Oldtimer-Liebhaber in Österreich. 2003 kam es im Tausch für einen Schwimmwagen – eine Art Amphibien-VW-Käfer – zu Traugott Grundmann.
Modell in holzvertäfelter Garage untergebracht
In Hessisch Oldendorf stand das Fahrgestell zunächst »nur an der Wand«, erinnert sich Grundmann. Er habe sich den Wiederaufbau nicht recht zugetraut. Mut machte dann der Wiederaufbau eines VW-Käfers aus dem Jahr 1938. So wurde zunächst der gesamte Unterbau wieder hergestellt, und letztlich kam eins zum anderen.
Teile der rekonstruierten Karosserie eines Käfer-Prototypen waren im Januar 2025 auf einem Holzgestell montiert
Foto: Traugott Grundmann / dpaHeute steht der W30, zusammen mit dem 1938er-Käfer, in einem eigens hergerichteten Raum von Grundmanns Sammlung, die zahlreiche weitere VW-Modelle und eine 50er-Jahre-Bar umfasst. Auch ein Buch wurde über den W30-Wiederaufbau geschrieben, das zusammen mit zahlreichen Bildern und Originaldokumenten in der holzvertäfelten Garage zu finden ist.
Wiederaufbau dauerte knapp acht Jahre
Knapp acht Jahre arbeitete der Dachdeckermeister und ehemalige Fluglehrer der Luftwaffe an dem historischen Fahrzeug, auch in der eigenen Werkstatt. »Bei einem Käfer kann man noch fast alles selbst machen«, sagt er.
Die Karosserie wurde mit einer Fachfirma von Grund auf neu aufgebaut. Grundlage dafür war eine lebensgroße Zeichnung des Fahrzeugs vom damaligen Audi- und heutigen VW-Chef-Designer Andreas Mindt, die er anhand von Fotos des Fahrgestells erstellte. »Eine richtige Konstruktionszeichnung war nicht mehr erhalten«, erklärt Grundmann.
Mindt sagt dazu heute: Die Arbeit an dem Auto sei für ihn mehr als eine Herausforderung als Ingenieur gewesen, sondern die Möglichkeit, in eine Zeit einzutauchen, in der Volkswagen sich selbst definiert habe. »Für mich ist dieses Auto nicht nur ein Prototyp – es ist eine Verbindung zwischen Handwerkskunst, dem Erbe und der Zukunft des Volkswagendesigns«.
Das Fahrgestellt des VW-Käfer-Prototypen im Januar 2025 in der Werkstatt von Sammler Traugott Gundmann
Foto: Traugott Grundmann / dpaGrundmann ergänzt: Generell hätten viele Menschen beim Wiederaufbau mitgeholfen und unter anderem weltweit nach Bauteilen gesucht. Zeittypische Scheinwerfer, Türgriffe und Scheibenwischer hätten sie bei Teilehändlern oder Oldtimer-Sammlern gefunden, etwa in Großbritannien, Frankreich oder Polen. Viele der Teile des Autos waren nicht ausschließlich für den Prototyp gefertigt worden und wurden damals zugekauft.
Knifflige Straßenzulassung
Auch für den Oldtimer-Experten Thomas Rusch vom TÜV Nord war die Arbeit mit dem Auto etwas Besonderes: »Das hat mir schon viel Freude bereitet.« Gebaut wurde es schließlich vor dem Inkrafttreten der Straßenverkehrszulassungsordnung 1938.
Für die Zulassung des Autos wurde deshalb vorwiegend geschaut, dass es verkehrssicher ist. Für einige Vorschriften wurden Ausnahmeregelungen gefunden. So hat das Auto statt eines fest verbauten Warnblinklichts nur ein mobiles System. Letztlich habe das Straßenverkehrsamt den W30 ohne jegliche Beanstandungen abgenommen.
Weite Strecken fährt Grundmann in dem beengten grau-lackierten Fahrzeug nicht. Auch den Regen scheut er mit dem Wagen. Doch gerade, wenn ein VW-Käfer- oder Oldtimer-Treffen stattfindet, zwängt sich Grundmann hinein, beugt sich nach vorn und rollt wieder los.

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