Vogelgrippe breitet sich aus: Wegen Kranich-Zügen wächst die Sorge vor der Geflügelpest

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Tierschützer und Behördenvertreter warnen, dass sich unter Kranichen die Vogelgrippe ausbreitet und diverse Vogelarten gefährden könnte. Nachdem etwa an der Mecklenburgischen Seenplatte und in Brandenburg Hunderte tote Kraniche gefunden wurden, könnten die aktuellen Vogelzüge dazu führen, dass mit dem hochansteckenden Virus befallene Tiere auch in anderen Bundesländern rasten.

Das bundesweit zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald hatte in dieser Woche den Verdacht einer Infektion mit dem Vogelgrippevirus H5N1 bei eingesandten Kranichproben aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen bestätigt. In seiner aktuellen Risikoeinschätzung  setzt das FLI das Risiko für weitere Ausbrüche in Geflügelhaltungen und Fälle bei Wildvögeln daher wieder auf »hoch«.

Die Vogelgrippe, auch Geflügelpest genannt, ist eine hochansteckende und bei vielen Vogel- und Geflügelarten rasch tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Für Menschen ist sie Expertinnen und Experten zufolge nicht gefährlich.

Akute Infektionsgefahr

Die Staatliche Vogelschutzwarte in Brandenburg schätzte den Verlust am Mittwoch auf bislang mehr als 1000 Individuen und spricht von einem »in dieser Größenordnung bislang einmaligen Ausbruch einer Wildtierseuche«.

Angesichts des Höhepunkts des Herbstzugs sei noch mit einer deutlichen Zunahme weiterer Todesfälle sowie einer raschen Verbreitung in Mitteleuropa und auf dem weiteren Zugweg zu rechnen, teilte das Brandenburgische Landesamt für Umwelt mit. Wie in den Vorjahren überflogen die Kraniche auch das Havelländische Luch, ein Gebiet, das laut Landesumweltamt für den Erhalt der letzten deutschen Großtrappen-Populationen von entscheidender Bedeutung ist. Dort bestehe eine akute Infektionsgefahr für die Großtrappen sowie für eine Vielzahl weiterer Vogelarten, darunter Wasservögel, Rabenvögel und Greifvögel als Konsumenten von Kadavern. Die Geflügelhaltungen entlang der Flugwege der Wildvögel seien ebenfalls gefährdet.

Wildvogel-Auffangstation geschlossen

Das Thüringer Ufer des Stausees Kelbra darf nach den dort bestätigten Vogelgrippe-Fällen nun nicht mehr betreten werden. Das Gebiet rund um den Stausee gehört zu den größten Binnenrastplätzen für Kraniche in Deutschland auf ihrem Weg nach Süden. Ab Mitte Oktober sind dort viele Vögel zu beobachten, Anfang November wird der Höhepunkt mit bis zu 50.000 Tieren pro Tag erreicht.

Verendete Kraniche

Verendete Kraniche

Foto: Matthias Bein / dpa

Die Menschen und Institutionen in anderen Bundesländern stellen sich derweil auf einen Ausbruch ein. Landesweit schließen Wildvogel-Auffangstationen oder lehnen es ab, kranke Tiere aufzunehmen. Die zentrale Wildvogel-Auffangstation des Saarlandes in Püttlingen etwa zog bereits Konsequenzen: Ein Kranich, der an einem Weiher in Eppelborn krank aufgefunden und auf dem Weg zur Station verendet war, wurde dem Veterinäramt übergeben. »Aus Sicherheitsgründen haben wir einen Aufnahmestopp verhängt«, sagte Mitarbeiterin Jennifer Stein der Deutschen Presse-Agentur.

Aktuell befänden sich in der Station knapp 30 Stadt- und Ringeltauben. »Wenn der Kranich hier gewesen und infiziert gewesen wäre, hätten wir alle einschläfern lassen müssen.« Bei dem gestorbenen Kranich habe es sich um einen Jungvogel gehandelt: »Ich mache mir jetzt Sorgen, dass auch die anderen Wasservögel, die sich mit ihm am Weiher aufgehalten haben, und die Tiere aus seinem Zug infiziert sind«, sagt Stein.

Nicht aufscheuchen, nicht anfassen

Die Präsidentin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Christa Kühn, sagte dem RBB-Inforadio am Mittwoch, Menschen sollten sich von Kranichen fernhalten, um das Virus nicht weiterzuverbreiten; etwa über die Schuhe. Führungen in diese Rastgebiete sind derzeit abgesagt.

Zudem sollen Menschen die Vögel nicht stören oder aufscheuchen. Die Tiere bewegen sich dann vielleicht zu Rastplätzen, die sie sonst nicht aufsuchen würden und könnten so zur Verbreitung beitragen, wie die Expertin des FLI bei Greifswald sagte. »Jede Störung führt dazu, dass sie gestresst sind und dann auch noch weiter anfällig für das Virus sind.«

Wer tote oder kranke Vögel sieht, insbesondere Wassergeflügel und Greifvögel, sollte umgehend die zuständige Veterinärbehörde informieren. Tiere sollten grundsätzlich nur mit Handschuhen angefasst werden. Wer Kontakt zu verendeten Wildvögeln hatte, sollte Geflügelställe für 48 Stunden nicht betreten, um das Virus nicht zu übertragen.

Risiko für Bevölkerung gering

Das Risiko einer Infektion für die allgemeine Bevölkerung bezeichnete FLI-Präsidentin Kühn als gering. »Etwas mehr gefährdet sind die Menschen, die wirklich mit den infizierten und toten Vögeln zu tun haben«, sagte Kühn im RBB-Inforadio. In den USA etwa hatten sich in der Vergangenheit Mitarbeiter von Geflügelbetrieben infiziert.

Dem Bundesinstitut für Risikobewertung liegen bisher keine Daten vor, laut denen sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippevirus infiziert hätten und erkrankt wären. Da das Virus empfindlich gegenüber hohen Temperaturen sei, seien bei gut durcherhitzten Lebensmitteln gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten. Geflügelfleisch soll also keine rote oder rosa Farbe mehr haben und es soll kein roter Fleischsaft austreten. Eier sollten vor dem Verzehr gekocht werden, bis Eiweiß und Eigelb fest sind, wie es vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin hieß.

Geflügelhalter wiederum sollten ihre Hygienevorkehrungen hochfahren, um die Tierseuche einzudämmen. Betroffene Landkreise wiesen in Allgemeinverfügungen erhöhte Desinfektionsmaßnahmen an und machten spezielle Kleidungsvorschriften. Geflügel soll abgesondert werden und möglichst in Ställe oder Unterstände kommen. So soll vermieden werden, dass es Kontakt mit Wildvögeln gibt und deren Exkremente auf das gehaltene Geflügel fallen.

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