Am Samstag starteten mehrere Tarnkappenbomber mit je zwei Piloten von der Whiteman Air Force Base in Missouri, mitten in den USA. Ein Geschwader flog nach Westen, offenbar zur Luftwaffenbasis auf Guam im Pazifik, aber das war nur ein Ablenkungsmanöver, Bilder zeigten die Flüge, jeder sollte sie sehen. Sieben dieser Maschinen vom Typ B-2 dagegen machten sich unbemerkt in die andere Richtung auf, über den Atlantik, Nordafrika, das Mittelmeer und Teile des Nahen Osten nach Iran.
18 Stunden dauerte die Hinreise, in der Luft wurde betankt, am Ende begleiteten Kampfjets die Mission mit dem Titel Operation „Midnight Hammer“. Ein amerikanisches U-Boot schoss zwischendurch Tomahawk-Flugkörper auf eine Anlage für Nukleartechnik bei Isfahan ab. Gegen 19 Uhr US-Ostküstenzeit warfen die B-2 dann 14 bunkerbrechende Bomben auf unterirdische Ziele in Fordo und Nardanz, sogenannte Massive Ordnance Penetrators, jede davon fast 14 Tonnen schwer.
Ehe 37 Stunden Nonstop-Flug am Sonntag wieder auf der heimischen Militärbasis endeten, hatte Donald Trump bereits die Bilanz verkündet. „Wir haben unseren sehr erfolgreichen Angriff auf die drei iranischen Nuklearstandorte Fordo, Natanz und Isfahan abgeschlossen“, schrieb er in seinem Netzwerk Truth Social. „Glückwunsch an unsere großartigen amerikanischen Krieger. Es gibt kein anderes Militär auf der Welt, das dies hätte tun können.“ Später sagte er in einer Fernsehansprache, dass die wichtigsten iranischen Einrichtungen zur Nuklearanreicherung „vollständig und total ausgelöscht“ worden seien.
Doch das wird nun sehr bezweifelt.
Bis zuletzt war unklar, wie weit die Zerstörung wirklich geht. Am Montag machten nun Hinweise die Runde, dass dieser Mitternachtshammer bei Weitem nicht so wirksam war, wie von Trump behauptet. So heißt es in einem Geheimbericht der Defense Intelligence Agency (DIA) aus dem Pentagon offenbar, dass das iranische Atomprogramm wahrscheinlich nur ein paar Monate zurückgeworfen, aber keineswegs vernichtet worden sei.
Zunächst berichtet CNN exklusiv, später zogen andere US-Medien nach und nannten anonyme Quellen aus der Behörde. „Wir sind davon ausgegangen, dass der Schaden viel größer sein würde, als es diese Bewertung ergibt“, sagte ein Informant dem Sender NBC. „Diese Einschätzung zeigt bereits, dass die Kernstücke noch intakt sind. Das ist ein schlechtes Zeichen für das gesamte Programm.“ Bei CNN wurde betont, dass dies nur eine erste Einschätzung eines der vielen US-Geheimdienste sei, sie könne sich noch ändern, wenn mehr Informationen vorlägen. Und dennoch sorgt der Report für Gesprächsstoff.
Anscheinend wurden die Eingänge von zwei dieser Einrichtungen im iranischen Gebirge von Steinen und Schutt begraben, die tief gelegenen Produktionsstätten jedoch nicht vernichtet, sie wurden unter einer bis 90 Meter tiefen Schicht aus Kalkstein und Dolomit gebaut. Auch soll Iran seinen Bestand an hochangereichertem Uran vor den amerikanischen Bombardierungen an andere Orte gebracht haben. Außerdem gehe man davon aus, dass einige der Zentrifugen zur Anreicherung des atomwaffenfähigen Materials noch intakt seien, wie die Washington Post von einem Insider erfuhr.
Trump bleibt bei seiner Aussage
Vor der Attacke waren US-Geheimdienste der Ansicht, dass das Regime in Teheran binnen drei Monaten eine Atombombe bauen könne. Nach dem tagelangen Raketenbeschuss durch Israel und den schweren Luftschlägen der US Air Force würde sich das um nicht einmal sechs Monate verzögern, zu diesem Schluss kommt laut New York Times die Agentur DIA im Verteidigungsministerium.
Das widerspricht den ersten Erfolgsmeldungen erheblich, Trump blieb am Dienstagmorgen trotzdem bei seiner Version. „Vollständig zerstört“ seien Irans Atomanlagen, sagte er, bevor er zum Nato-Gipfel nach Den Haag abflog. „Diese Piloten haben ihre Ziele getroffen. Diese Ziele wurden ausgelöscht, und man sollte den Piloten Anerkennung zollen. Dieser Ort ist in Schutt und Asche gelegt. Dieser Ort ist vernichtet.“ Später warf Trump den berichtenden Medien noch direkter vor, „Fake News“ zu verbreiten.
Auch Verteidigungsminister Pete Hegseth legte nach. „Nach allem, was wir gesehen haben – und ich habe alles gesehen – hat unsere Bombenkampagne die Fähigkeit Irans zur Herstellung von Atomwaffen zunichtegemacht“, sagte er bei CNN. „Unsere massiven Bomben trafen bei jedem Ziel genau die richtige Stelle und funktionierten perfekt. Die Auswirkungen dieser Bomben sind unter einem Berg von Schutt in Iran begraben; wer also behauptet, die Bomben seien nicht verheerend gewesen, versucht nur, den Präsidenten und die erfolgreiche Mission zu untergraben.“
Trumps Lager wittert eine Verschwörung. „Schlichtweg falsch“, nennt Trumps Sprecherin Karoline Leavitt auf X die durchgesteckte Bewertung, die von einem, „unbedeutenden Loser in der Geheimdienstgemeinschaft an CNN“ weitergegeben worden sei. „Das Durchsickern dieser angeblichen Einschätzung ist ein klarer Versuch, Präsident Trump zu erniedrigen und die mutigen Kampfpiloten zu diskreditieren, die eine perfekt ausgeführte Mission zur Auslöschung des iranischen Atomprogramms ausgeführt haben.“ Jeder wisse, was passiere, wenn man 14 dieser 30 000-Pfund-Bomben „perfekt auf ihre Ziele abwirft: totale Auslöschung.“

Waffentechnik
:Die TiefenbombeDie USA konnten die iranischen Nuklearanlagen nur deshalb angreifen, weil sie in den vergangenen Jahren eine Bombe mit außergewöhnlicher Tiefenwirkung entwickelt haben: die bunkerbrechende „GBU-57“. Wie funktioniert sie?
So genau weiß man das aber nicht. Satellitenaufnahmen zeigen Krater und Löcher, geben jedoch keinen genauen Aufschluss. Unabhängige Inspektoren können die bombardierten Gebiete fürs Erste wohl kaum betreten. Der US-Generalstabschef Dan Caine drückte sich am Sonntag sicher nicht zufällig vorsichtiger aus als seine Vorgesetzten. „Diese Operation war darauf ausgerichtet, die iranische Kernwaffeninfrastruktur schwer zu beschädigen“, sagte er. Caine und auch Vizepräsident J. D. Vance klangen anders als Trump nicht so, als sei Irans Bestand an Atommaterial komplett verschwunden.
Vance behauptete allerdings bei Fox News, dass Iran seinen Vorrat nicht mehr in waffenfähiges Uran verwandeln könne. „Und das war hier wirklich das Ziel“, sagte er. Wenn das Land 60 Prozent angereichertes Uran besitze, aber nicht in der Lage sei, es auf 90 Prozent anzureichern, sei es auch nicht in der Lage, das Uran für eine Kernwaffe zu verwenden. An diesen Zahlen hatte Rafael Grossi ebenfalls bei Fox News nichts auszusetzen, denn „60 Prozent sind nicht 90 Prozent“, sagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Allerdings wisse man nicht, wo sich dieser iranische Vorrat von ungefähr 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent befinde.
Auch Spezialisten aus Israel gehen davon aus, dass der Schaden geringer ist als Trump ihn darstellt
Auch Spezialisten aus Israel gehen nach Informationen von CNN davon aus, dass der Schaden nach dem US-Bombardement geringer ist als erwartet. Dennoch glauben sie, dass die amerikanischen und israelischen Militäraktionen die iranischen Atompläne erheblich zurückgeworfen haben und Israel einen Wiederaufbau der Anlagen nicht zulassen würde. „Sie werden keine Anreicherung haben, und sie werden keine Atomwaffen haben“, sagte Trump in der Air Force One auf dem Weg in die Niederlande. „Und ich sage Ihnen, das Letzte, woran sie denken, sind Atomwaffen. Sie wollen nicht einmal über Atomwaffen nachdenken.“
Mohammad Eslami, der die iranische Organisation für Atomenergie leitet, dachte am Dienstag nach dem Waffenstillstand allerdings laut über die Fortsetzung des Nuklearprogramms nach. Man sei auf Schäden vorbereitet gewesen und habe Vorkehrungen für die Wiederherstellung der Nuklearindustrie getroffen, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Mehr News. „Der Plan ist es, Unterbrechungen im Produktions- und Dienstleistungsprozess zu verhindern.“
Der Atomexperte Jeffrey Lewis vom James Martin Center for Nonproliferation Studies in Kalifornien teilte auf X mit, er sei „unbeeindruckt“ von den israelischen und amerikanischen Attacken. „Israel und die USA haben es versäumt, wesentliche Teile des iranischen Kernmaterials und der Produktionsinfrastruktur anzugreifen.“
Bei all der Ungewissheit würden Trump-Kritiker im US-Kongress gerne mehr wissen, bisher wurden sie weitgehend übergangen. „Der Einsatz von militärischer Gewalt, die offensiver Natur ist, muss vom Repräsentantenhaus und vom Senat genehmigt werden“, sagte der Demokrat Hakeem Jeffries. „Das ist nicht optional, Donald. It's not.“
Ein für Dienstag geplantes Briefing wurde zur Empörung seiner Partei vom Weißen Haus verschoben. Dabei hätte nicht nur der demokratische Senator Mark Warner aus Virginia „eine ganze Reihe von Fragen an die Regierung“, wie er dem Sender NPR berichtete. „Was sind die nächsten Schritte? Wie stellen wir sicher, dass Iran jetzt nicht auf eine schmutzige Bombe zusteuert? Das sind Fragen, auf die wir und, offen gesagt, das amerikanische Volk, Antworten verdienen.“