Urteil: Behörden dürfen beschlagnahmte Kryptowerte notfalls verkaufen

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Das Landgericht Hanau hat klargestellt, dass berechtigte Behörden beschlagnahmte Kryptowerte wie Bitcoins in Strafverfahren direkt verwerten, also insbesondere verkaufen können. Das gilt auch dann, wenn der mutmaßliche Eigentümer eine solche "Notveräußerung" strikt ablehnt, weil er auf eine Kurssteigerung setzt. Dieser Tenor geht aus einem jetzt veröffentlichten Beschluss der zweiten Instanz vom 15. April hervor (Az.: 1 Qs 10/25). Für die Strafverfolgungsbehörden ist demnach entscheidend, dass aufgrund der zu erwartenden Kursschwankungen und potenzieller Verluste ein Erhalt des aktuellen Werts erfolgt.

In dem Fall geht es um die Beschlagnahmung von Vermögenswerten im Rahmen von Ermittlungen wegen Geldwäsche gegen die Mutter eines verurteilten Drogendealers. Die Behörden stellten dabei Kryptowerte sicher, physische Krypto-Wallets, sogenannten Ledger Sticks, in den Währungen Ripple und Cardano Blockchain gespeichert waren. Der Sohn, der wegen Drogenhandels verurteilt wurde und sich in Haft befindet, legte Widerspruch gegen deren geplante Notveräußerung ein. Er behauptet, rechtmäßiger Eigentümer der Tokens zu sein. Er führte deren angeblich legale Herkunft sowie das Potenzial für künftige, womöglich erhebliche Wertsteigerungen ins Feld.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte dagegen, dass die typische Volatilität von Kryptowährungen einen drohenden Wertverlust mit sich bringe. Sie sah einen Verkauf gemäß Paragraf 111p Strafprozessordnung (StPO) gerechtfertigt. Ein beschlagnahmter Gegenstand kann demnach veräußert werden, wenn sein Verderb oder eine erhebliche Wertminderung zu befürchten sind.

Im Februar wies zunächst das Amtsgericht Hanau in erster Instanz den Antrag des Betroffenen als unbegründet zurück. Ein wirtschaftlich denkender Eigentümer ohne hohe Risikobereitschaft würde sich demzufolge aufgrund der zu befürchtenden Wertschwankungen zu einer Veräußerung der Kryptowerte entschließen. Eine sichere Prognose über eine Wertbeständigkeit oder eine Wertsteigerung sei auch mit Blick auf die schnelllebige Weltpolitik nicht möglich.

Diese Einschätzung teilt das Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hat ihm zufolge zurecht darauf hingewiesen: Eine sichere Prognose, dass die Tokens langfristig "handelbar" und damit "verwertbar" blieben, könne nicht gestellt werden. Durch die Umwandlung in eine konventionelle Währung könne der beschlagnahmte Betrag "nachhaltig und ohne Wertverlustrisiko gesichert werden". Anders als bei Pkws oder Grundstücken bestünden bei Kryptowerten "noch keine gefestigten Erfahrungssätze".

Die 1. Große Strafkammer hat auch "durchgreifende Bedenken", dass Richter oder Strafverfolger einen solchen, der Marktdynamik intensiv unterliegenden digitalen Wert, permanent beobachten müssten. Diese verfügten über keine Börsenabteilung und beobachten auch nicht sachkundig mit Bediensteten oder technischen Anwendungen den Markt. Gerade bei Ripple und Cardano seien Kursschwächen für die rechtliche Beurteilung als latente Gefahr entscheidend, eine potenzielle "Rallye" dagegen nicht.

Der Strafrechtler Jens Ferner bedauert, dass mit der über den Einzelfall hinausweisenden Entscheidung Werte verschleudert würden nach dem Motto "versilbern, was geht". Er sieht den Gesetzgeber gefordert, um offene Normfragen zu klären. Solange die Sicherung und Verwertung digitaler Vermögensgüter nicht durchdacht kodifiziert sei, bleibe die Praxis "auf kreative, aber juristisch wackelige Brückenlösungen angewiesen".

(nen)

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