Gerade, als sportlich und privat alles klappt, reißt ein Autounfall Diogo Jota aus dem Leben. Erinnerungen an einen mehrfach begabten Fußballer - und einen Fansong, der bleiben wird.

Eroberte Herzen, die am Donnerstag brachen: Diogo Jota. imago images/Shutterstock
"Er wird uns zum Sieg führen", heißt es in einem Lied, das die Fans des FC Liverpool seit Jahren für Diogo Jota anstimmen, doch genau das kann er jetzt nicht mehr tun. Nach dem plötzlichen Tod des erst 28 Jahre alten Portugiesen stehen die Reds unter Schock und versuchen einen Umgang damit zu finden, was sich in der Nacht auf Donnerstag auf einer Autobahn in Spanien ereignete.
Seit am Donnerstagmorgen die Meldungen die Runde machten, wonach Diogo Jota mit seinem jüngeren Bruder André Silva bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt ist, pilgern Fans nach Anfield, um dort gemeinsam zu trauern. Während die Fahnen auf Halbmast hängen, legen sie Kränze, Blumen, Trikots, Schals ab - selbst solche des Erzrivalen Manchester United. Und dort, wo die Erinnerungsstücke mit persönlichen Botschaften versehen sind, tauchen immer wieder Zeilen des Diogo-Jota-Songs auf.
"Ohhh, he wears the number 20, he will take us to victory, and when he's running down the left-wing, he'll cut inside and score for LFC! He’s a lad from Portugal, better than Figo don't you know - ohhh, his name is Diogo!", schallte es schon oft durch Anfield, wenn dieser Diogo mal wieder getroffen hatte, was er letztmals nahezu genau wie beschrieben im April beim 1:0-Derbysieg gegen Everton tat. (Übersetzt: "Ohhh, er trägt die Nummer 20, er wird uns zum Sieg führen, er wird von links nach innen ziehen und für den LFC treffen! Er ist ein Junge aus Portugal, besser als Figo, weißt du das nicht - ohhh, sein Name ist Diogo!").
In München spielt er zum letzten Mal
Neckisch erwähnter Luis Figo gehörte am Donnerstag zu den unzähligen Fußball-Prominenten, die Diogo Jota auf ihren Social-Media-Kanälen würdigten. Mit der portugiesischen Nationalelf, für die Figo 127-mal spielte, war Diogo Jota in diesem Sommer zum zweiten Mal nach 2019 Nations-League-Sieger geworden. Sein Joker-Einsatz beim Finale in München wird sein letzter bleiben, es war sein 49. Länderspiel (14 Tore).
Geboren in Porto, war Diogo Jose Teixeira da Silva, so sein vollständiger Name, bei Pacos de Ferreira ausgebildet worden und hatte bereits als 19-Jähriger den Sprung zu Atletico Madrid gewagt. Zwei Jahre stand er beim spanischen Topklub unter Vertrag, ohne jemals für ihn aufzulaufen. Die zweite Leihe - nach einem Jahr beim FC Porto - mündete 2018 in eine Festanstellung beim damaligen Aufsteiger Wolverhampton, der zwei Jahre später rund 45 Millionen Euro aus Liverpool erhielt.
Jürgen Klopp war es, der den portugiesischen Nationalspieler nach der Meisterschaft 2020 nach Anfield lotste, wofür es "so viele Gründe, oh mein Gott" gab, wie der Trainer damals schwärmte. Und der schnelle 70-Kilogramm-Dribbler, der auch defensiv zu beißen wusste, erfüllte die Erwartungen, was man erst mal schaffen musste, wenn gerade Mo Salah, Sadio Mané und Roberto Firmino die Premier League kurz und klein geschossen haben.
Dass er trotzdem in der öffentlichen Wahrnehmung nie ganz in deren Sphären vordrang, hatte vor allem mit diversen Verletzungen zu tun. 2021/22 verpasste er nur drei Ligaspiele, in den anderen vier Saisons zwischen zehn und 19. Insgesamt trug Diogo Jota 182-mal das Liverpooler Trikot, und wenn er eines seiner 65 Tore bejubelte, tat er, der auch eSportler hätte werden können, das gerne sitzend mit einem virtuellen Controller in der Hand.
Die Herzen der Fans, von denen jetzt so viele brachen, eroberte er ganz nebenbei. "Es muss einen größeren Sinn geben, aber ich kann ihn nicht sehen!", schrieb Klopp, einer seiner größten, am Donnerstag. "Diogo war nicht nur ein fantastischer Spieler, sondern auch ein großartiger Freund, ein liebevoller und fürsorglicher Ehemann und Vater."
Als Vater hinterlässt Diogo Jota drei Kinder, als Ehemann eine Frau, mit der er seit elf Tagen verheiratet war. Und als Spieler einen Klub, der sich gerade mit voller Euphorie und aufregenden Transfers in die Mission Titelverteidigung stürzen wollte. Einer sollte dabei eine tragende Rolle spielen, und sein Name ist Diogo.
Jörn Petersen