Sie kümmern sich zur Zeit um die mehr als zweihundert Männer, die von der US-amerikanischen Regierung unter Donald Trump nach El Salvador abgeschoben wurden. Die Amerikaner rechtfertigen das mit mutmaßlichen Gang-Aktivitäten, die sie wiederum zu Terrorismus erklären. Was können Sie für diese meist aus Venezuela stammenden Menschen tun, von denen viele mittlerweile seit Monaten im berüchtigten CECOT-Gefängnis in El Salvador sitzen?
Eine unserer Aufgaben, die uns vom UN-Menschenrechtsrat übertragen wurde, besteht darin, individuelle Fälle mit Regierungen anzusprechen, wenn es Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gibt. Wir erhalten Belege von Betroffenen, deren Familien und ihren Anwälten. In diesem Fall haben wir über hundert Fälle gesammelt, hauptsächlich von Venezolanern, die in der ersten Gruppe aus den USA nach El Salvador abgeschoben wurden. Von den etwa 260 Menschen, die bislang dorthin deportiert wurden, sind ja rund 140 unter dem Alien Enemies Act abgeschoben worden. Auf die konzentrieren wir uns in unserer Kommunikation mit der US-Regierung.
Was sind da Ihre Angriffspunkte?
Unsere Bedenken betreffen zunächst einmal die Einstufung venezolanischer Banden als terroristische Organisationen, um die spätere Anwendung des Alien Enemies Act zu rechtfertigen. Wir haben Bedenken, da Banden, organisierte Kriminalität und Drogenkartelle nicht als terroristische Organisationen eingestuft werden sollten. Es gibt separate rechtliche Rahmenbedingungen, um mit ihnen umzugehen. Der Alien Enemies Act, ein Gesetz von 1798, wurde ursprünglich entworfen, um außergewöhnliche Notfälle zu bewältigen, bei denen eine ausländische Regierung die Vereinigten Staaten direkt oder durch Stellvertreter angreift. Die Aktivitäten von Banden und Kartellen können aber nach unserer Auffassung nicht als Invasion durch den venezolanischen Staat gelten. Daher ist die Anwendung dieses Gesetzes rechtlich völlig unplausibel.
Sie werfen der amerikanischen Regierung also vor, dass die Abschiebungen illegal sind.
Ja. Wenn die rechtlichen Kriterien für die Anwendung dieses Gesetzes nicht erfüllt sind, sind alle daraus resultierenden Maßnahmen illegal – einschließlich der Abschiebungen und Inhaftierungen sowie des Mangels an ordnungsgemäßen Verfahren. Die Trump-Regierung scheint zu glauben, dass unter dem Alien Enemies Act Abschiebungen ohne ordnungsgemäße Verfahren möglich seien. Wir wissen aber aus US-Gerichtsurteilen, dass es selbst bei korrekter Anwendung des Alien Enemies Act Regeln für ein ordnungsgemäßes Verfahren gäbe. Es gibt eine laufende Debatte darüber, was genau dieses Verfahren umfasst und wie es sich von den üblichen Verfahren im US-Einwanderungsrecht unterscheidet.
Ihr Büro überwacht die Einhaltung von internationalem Recht und beanstandet Verstöße. Welche Verstöße sind das in diesem Fall?
Nach internationalen Menschenrechtsregeln gibt es klare Kriterien dafür, was ein ordnungsgemäßes Verfahren bei Abschiebungen bedeutet: Man darf nicht willkürlich abgeschoben werden, muss über die Abschiebung informiert werden. Man muss Zeit haben, seinen Fall vorzubereiten, man muss die Möglichkeit haben, die Vorwürfe anzufechten. Betroffene müssen dann eine unabhängige Überprüfung erhalten und gerichtliche Rechtsmittel einlegen können. All dies ist bei diesen ersten Abschiebungen nicht geschehen. Wir haben gegenüber der amerikanischen Regierung auch die Art und Weise beanstandet, wie die Abschiebungen durchgeführt wurden, was in einigen Fällen einem erzwungenen Verschwindenlassen gleichkam, da niemand wusste, was mit diesen Personen geschah. Ihre Anwälte und Familien wurden nicht informiert, und es gab erhebliche Zeiträume, in denen sie inhaftiert und verlegt wurden – in einigen Fällen über Guantanamo Bay und schließlich nach El Salvador –, ohne dass jemand wusste, wo sie sich befanden. Dies war im Wesentlichen eine Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt. Auch jetzt sehen wir, dass im Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador kein Zugang zu Anwälten oder Familienmitgliedern besteht.
Versuchen Sie auch, auf die Regierung in El Salvador einzuwirken?
Ja, wir führen diplomatische Gespräche sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch mit der Regierung von El Salvador. El Salvador hat uns geantwortet, aber die Antwort ist vertraulich. Wir haben darum gebeten, dass sie die Veröffentlichung genehmigen, aber sie möchten sie nicht öffentlich machen. Das Problem ist, dass El Salvador seit einigen Jahren unter einem Ausnahmezustand steht, der viele Male verlängert wurde. Wir sehen, dass die Justiz nicht unabhängig ist. Es gibt Massenverfahren ohne jegliche Anzeichen eines fairen Prozesses oder ordnungsgemäßen Verfahrens. Ein weiteres Anliegen betrifft die extrem schlechten Haftbedingungen in El Salvador, einschließlich Berichten über rund 300 Todesfälle in Gewahrsam in jüngster Zeit, ohne echte Untersuchungen der Umstände dieser Fälle. Es gibt in diesen Gefängnissen auch viel Gewalt durch Gefängniswärter und zwischen Gefangenen. Die USA brechen auch wegen dieser Haftbedingungen hier Gesetze, denn unter internationalem Recht besteht die Verpflichtung, niemanden an einen Ort zurückzuschicken, an dem er dem Risiko grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt ist. Sowohl nach US-amerikanischem als auch nach internationalem Recht hätten diese Personen nicht nach El Salvador geschickt werden dürfen, wenn diese Risiken durch ein Verfahren festgestellt worden wären.

Auch die Abschiebung nach Venezuela ist deswegen umstritten und wird von Ihnen kritisiert?
Ja, ein weiteres Anliegen betrifft die mögliche Rückführung nach Venezuela. Einige dieser Personen hatten bereits Schutzanträge im US-Rechtssystem gestellt, da sie aus Venezuela geflohen waren, weil sie dort nicht sicher leben könnten. Es besteht nun das Risiko, dass El Salvador diese Personen irgendwann zurück nach Venezuela schicken könnte. Dadurch gäbe es dann nie ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Bewertung ihrer Ansprüche.
Die Trump-Regierung hat einen Deal mit El Salvador gemacht, der dann vermutlich auch rechtswidrig ist.
Aus einigen öffentlichen Kommentaren der Regierung von El Salvador wissen wir, dass es eine Art Vereinbarung zwischen den USA und der salvadorianischen Regierung gibt, die diesen gesamten Prozess regelt – also die Inhaftierung und die Umstände der Inhaftierung. Es wäre wirklich wichtig zu wissen, was die Bedingungen dieser Vereinbarung sind. Die Regierung von El Salvador hat erklärt, dass sie im Wesentlichen von den Vereinigten Staaten bezahlt wird, um diese Menschen für ein Jahr festzuhalten. Die Frage ist also, was nach einem Jahr passiert, insbesondere wenn die USA die Vereinbarung nicht verlängern oder nicht weiter bezahlen. Was macht El Salvador dann? Die Bedingungen dieser Vereinbarung machen einen großen Unterschied für die Bewertung der Frage, wer rechtlich für diese Inhaftierungen verantwortlich ist. Es gab andere Situationen, in denen ein Land ein anderes Land dafür bezahlt hat, Menschen für sie zu inhaftieren, und in diesen Fällen ist das zweite Land, das die Inhaftierung durchführt, nur im Auftrag des ersten tätig. Das beeinflusst dann, welche rechtlichen Mittel verfügbar sind. In diesem Fall ist es schwierig, da diese Vereinbarungen nicht öffentlich bekannt sind. Wir können nicht sicher sagen, ob die USA die Menschen inhaftiert und es nur zufällig in Guantanamo Bay oder in El Salvador tut oder ob El Salvador selbst rechtlich genug Spielraum hat, um die Inhaftierung gerichtlich zu überprüfen und Menschen freizulassen, wenn die USA falsche Entscheidungen getroffen haben.
Sie setzen sich für die Durchsetzung der Rechte aller Inhaftierten ein, die auch gelten, wenn die Vorwürfe der Gang-Mitgliedschaft bei bestimmten Personen zutreffen. Wie gehen Sie vor, um sich da ein Bild zu machen?
Viele Familien, mit denen wir gesprochen haben, haben uns bestätigt, dass ihre inhaftierten Angehörigen keine Verbindung zu Banden haben, und sie haben plausible Erklärungen für bestimmte Tätowierungen oder Beziehungen zu Personen gegeben, die möglicherweise in Banden involviert waren. Die Position der Regierung von El Salvador ist jedoch, dass sie diese Menschen nur festhält, weil die USA sie darum gebeten haben. Daher sei es nicht Sache der salvadorianischen Gerichte, die Entscheidungen der USA darüber, wer Bandenmitglied ist, zu hinterfragen.

Dass ein Land für das andere Menschen inhaftiert, ist nicht an sich rechtswidrig, sondern es sind die Umstände in diesem Fall?
Ja, das ist korrekt. Es ist erlaubt, sofern das internationale Recht eingehalten wird. Das bedeutet, dass es effektiven Zugang zu gerichtlicher Überprüfung geben muss, ein ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet ist und die Haftbedingungen menschenwürdig sind. Solche Situationen gab es beispielsweise in Australien, das in den vergangenen Jahrzehnten Asylsuchende nach Papua-Neuguinea und Nauru abgeschoben hat, wo sie im Auftrag Australiens inhaftiert wurden. Und in bewaffneten Konflikten kommt es natürlich häufig vor, dass Partner in militärischen Koalitionen, wie in Afghanistan oder Irak, Personen im Auftrag eines anderen Partners festhalten.
Welche Mittel hat Ihr Büro, um Länder wie El Salvador zu bestimmten Schritten zu bewegen, wie etwa Zugang zu gewähren?
Unser Prozess basiert auf Dialog mit den Regierungen. Wir bringen die Vorwürfe durch ein formelles Verfahren vor, die Regierungen erhalten die Möglichkeit zu antworten, und wir hoffen auf einen fortlaufenden Dialog, um Verbesserungen zu erreichen.
Wie hat die US-Regierung reagiert?
Der Prozess sieht vor, dass sie zwei Monate Zeit haben, um zu antworten. El Salvador hat uns bereits geantwortet, was sehr ungewöhnlich ist, aber wir warten noch auf eine Antwort der Vereinigten Staaten. Es gibt auch internationale Prozesse, wie Bemühungen innerhalb der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte, mit der wir zusammenarbeiten. Diese Kommission kann vorsorgliche Maßnahmen erlassen, die bindend sein sollen. Die meisten Staaten respektieren diese Maßnahmen, aber letztendlich kann niemand die Vereinigten Staaten oder El Salvador zu etwas zwingen, was sie nicht wollen. Andere Staaten können nur Druck ausüben.
Sind Sie auch besorgt bezüglich der Haftzentren in den USA selbst, wie zum Beispiel in Louisiana, wo etwa der Columbia-University-Absolvent Mahmoud Khalil in Abschiebehaft ist?
Ja. Im Rahmen unserer Kommunikation mit der amerikanischen Regierung, die in etwa einem Monat veröffentlicht werden wird, haben wir unsere Besorgnis über die Rechtswidrigkeit der Inhaftierungen vor der Abschiebung in den USA geäußert. Dies betrifft sowohl die Rechtswidrigkeit durch die Anwendung des Alien Enemies Act als auch den Aspekt des erzwungenen Verschwindens, da Anwälte und Familienmitglieder nicht über die Inhaftierungen informiert wurden. Und es betrifft die Nutzung von Guantanamo Bay als Transit- und Haftanstalt. Da mein Mandat aber die Abschiebungen wegen des Terrorismusvorwurfs betrifft, bin ich nicht in alle Fälle involviert. Es gibt jedoch ein großes Problem der irregulären Abschiebung oder Deportation von Personen außerhalb des regulären US-Einwanderungsrechts. Innerhalb des regulären US-Einwanderungsrechts gibt es außergewöhnliche Befugnisse, die es dem Außenminister ermöglichen, Personen aus sehr vagen und weit gefassten Gründen zu entfernen. Und daneben gibt es eben den Alien Enemies Act, der bisher in diesem Kontext nie verwendet wurden. Die US-Regierung ist ziemlich kreativ und versucht, das gesamte Arsenal gegen Migranten einzusetzen.
Könnten Sie den Begriff des „erzwungenen Verschwindenlassens“ definieren? Normalerweise bringt man den ja mit Militärdiktaturen und ähnlichem in Verbindung.
Nach internationalem Recht kann ein erzwungenes Verschwindenlassen sowohl kurzfristiges als auch langfristiges Verschwinden umfassen. Langfristiges Verschwindenlassen birgt das Risiko, dass jemand in Haft stirbt und niemand jemals erfährt, was mit ihm passiert ist. Kurzfristiges Verschwindenlassen ist Teil desselben Phänomens, bei dem eine Regierung sich weigert, einzuräumen, dass eine Person inhaftiert wurde, oder wenn sie Informationen über deren Schicksal und ihren Aufenthaltsort verweigert. Das Problem des erzwungenen Verschwindens besteht darin, dass die betroffene Person dadurch allen möglichen anderen rechtlichen Risiken ausgesetzt ist. Ohne Zugang zu einem Anwalt kann sie die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung nicht anfechten, keine Argumente gegen eine Abschiebung vorbringen. Betroffene sind auch einem erhöhten Risiko von Folter und Misshandlung in Haft ausgesetzt, da es keine Möglichkeit der Überwachung durch Anwälte, Gerichte oder Familienmitglieder gibt. Im Fall der Vereinigten Staaten und El Salvadors wird dies sehr bewusst eingesetzt, um Menschen daran zu hindern, ihre Entscheidungen anzufechten.
Kilmar Abrego Garcia, der bekannteste unter den Verhafteten, die nach El Salvador verbracht wurden, ist inzwischen zumindest wieder in den USA und soll dort vor Gericht gestellt werden. Was sind Ihre nächsten Schritte für die anderen Gefangenen?
Leider kann ich das nicht im Detail darlegen. Aber wir sind auf mehreren Ebenen in dieser Angelegenheit aktiv eingebunden, einschließlich einiger neuer Maßnahmen, die wir in den kommenden Wochen umsetzen werden. Aber letztlich denke ich, ob das so weitergeht, wird von den US-Gerichten abhängen. Sie sind die einzige Instanz, die diesen Prozess stoppen oder verändern kann. Politisch denke ich nicht, dass sich kurzfristig etwas ändern wird. Ich glaube, die Trump-Regierung sieht das Vorgehen bislang als politischen Erfolg. Sie tun, was sie im Wahlkampf angekündigt haben: die USA von „illegalen“ oder „kriminellen“ Migranten zu befreien – ihrer Ansicht nach. Daher glaube ich nicht, dass es politischen Druck geben wird, der groß genug wäre, damit Trump seine Richtung ändert. Es liegt also wirklich bei den Gerichten.