Russland hat den Behörden zufolge die ukrainische Infrastruktur angegriffen, in vielen Regionen sind Menschen ohne Strom. Die EU bereitet Sanktionen vor. Das Liveblog
Aktualisiert am 28. November 2024, 9:28 Uhr
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Hunderttausende in der Ukraine nach russischen Luftangriffen ohne Strom
Behördenangaben zufolge sind nach weitreichenden russischen Luftangriffen Hunderttausende Menschen in der Ukraine von der Stromversorgung abgeschnitten. In den westlichen Regionen Lwiw, Riwne und Wolyn haben demnach insgesamt mehr als eine Million Menschen keinen Strom. Zuvor hatte die ukrainische Luftwaffe landesweiten Raketenalarm ausgelöst und vor Angriffen auf die ukrainische Energieinfrastruktur gewarnt.
In der Region Lwiw sind nach Angaben des dortigen Gouverneurs Maksym Kosyzkyj 523.000 Stromkunden von der Energieversorgung abgeschnitten. Die Behörden in Riwne sprachen von 280.000 Betroffenen und in Wolyn von weiteren 215.000 Kunden ohne Strom.
Auch die östlichen Regionen Dnipropetrowsk und Donezk sollen betroffen sein. In Sumy und Charkiw im Nordosten gab es den Behörden zufolge Raketenangriffe. Es ist der zweite große russische Luftangriff auf die ukrainische Energieinfrastruktur in diesem Monat.
Russland setzt Vormarsch auf Kurachowe fort
In der Region Donezk haben russische Soldaten weiteres Gelände bei der Stadt Kurachowe eingenommen. Das zeigt der jüngste Lagebericht (PDF) des Institute for the Study of War (ISW). Demnach ist das russische Militär in der Siedlung Berestki vorgerückt. Sie liegt nördlich von Kurachowe.
Laut russischen Militärbloggern sind russische Soldaten auch in weiteren umliegenden Siedlungen vorgestoßen. Kurachowe wird so immer weiter eingekreist. Das ISW sieht als belegt, dass bereits 43 Prozent der Stadt besetzt sind.
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Militär: Landesweiter Luftalarm in der Ukraine
Wegen drohender Raketenangriffe ist in der Ukraine nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe im ganzen Land Luftalarm ausgelöst worden. Es seien Raketen entdeckt worden, die auf Charkiw, Odessa und acht andere Regionen gerichtet seien.
Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko schrieb zudem, die Energieinfrastruktur sei in der ganzen Ukraine russischen Angriffen ausgesetzt. Der Betreiber des nationalen Stromnetzes DTEK führte nach eigenen Angaben Notstromabschaltungen vor allem in Kyjiw, Odessa und Dnipro aus.
Drohnenangriffe auf Region Krasnodar im Süden Russlands
Die Ukraine hat zwei Bezirke der südrussischen Region Krasnodar mit Drohnen angegriffen. Das teilte der Gouverneur der Region, Weniamin Kondratjew, auf der Messaging-App Telegram mit. Eine Person sei durch Trümmer einer abgeschossenen Drohne verletzt worden. Weitere Details zu den Angriffen und möglichen Schäden sind zunächst nicht bekannt.
USA befürworten niedrigeres Mindestalter für ukrainische Soldaten
Die scheidende US-Regierung von Präsident Joe Biden spricht sich für eine Herabsetzung des Mindestalters für die Mobilisierung zum Wehrdienst in der Ukraine von 25 auf 18 Jahren ausgesprochen. Einem hochrangigen Regierungsbeamten zufolge stehe die Ukraine vor einem "existenziellen" Rekrutierungsproblem. "Die einfache Wahrheit ist, dass die Ukraine derzeit nicht genügend Soldaten mobilisiert oder ausbildet, um ihre Verluste auf dem Schlachtfeld zu ersetzen und gleichzeitig mit Russlands wachsendem Militär Schritt zu halten", sagte er der Nachrichtenagentur AFP unter der Bedingung der Anonymität. Auch Reuters hatte zuvor Ähnliches berichtet.
Auf die Frage, was die US-Regierung als angemessenes Mindestalter für die Mobilisierung ansehe, antwortete der Beamte demnach, dass "wir es für sinnvoll halten, dass sie eine Absenkung des Rekrutierungsalters auf 18 Jahre in Erwägung ziehen". Das stimmt mit der US-Altersmarke überein. Die Ukraine hatte das Mindestalter für die Mobilisierung bereits von 27 auf 25 herabgesetzt.
Das Weiße Haus stellte später klar, dass die US-Militärhilfen für die Ukraine nicht von einer Änderung des Mindestalters abhängig gemacht würden. "Wir werden der Ukraine auf jeden Fall weiterhin Waffen und Ausrüstung schicken. Wir wissen, dass das lebenswichtig ist", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in Washington, D. C., John Kirby. Dasselbe gelte aber auch für die Bemannung. Die USA seien der Auffassung, dass Kräfte das "Wichtigste" seien, was die Ukraine brauche, fuhr Kirby fort. "Daher sind wir auch bereit, unsere Ausbildungskapazitäten zu erhöhen, wenn sie geeignete Maßnahmen ergreifen, um ihre Reihen aufzufüllen."
EU-Staaten bereiten offenbar Sanktionen gegen russische "Schattenflotte" vor
In der EU wird laut der Nachrichtenagentur dpa ein 15. Sanktionspaket gegen Russland vorbereitet. Demnach diskutierten Vertreter der 27 Mitgliedstaaten gestern Abend erstmals über neue Vorschläge der Europäischen Kommission, die ein schärferes Vorgehen gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vorsehen. Zudem seien Unternehmen mit Sitz in China im Visier, die an der Herstellung von Drohnen für den russischen Krieg gegen die Ukraine beteiligt sind.
Russland wird seit Langem vorgeworfen, zur Umgehung eines westlichen Preisdeckels für russische Ölexporte in Drittstaaten auf Schiffe zu setzen, die nicht in der Hand westlicher Reedereien oder von westlichen Versicherungen versichert worden sind – mit hohen Risiken für Schifffahrt und Umwelt, da es sich laut Experten oft um überalterte Tanker mit technischen Mängeln handelt.
Großbritannien hatte Anfang der Woche 30 solcher Schiffe auf seine Sanktionsliste gesetzt. In der EU könnten es den Planungen der EU-Kommission zufolge sogar um die 50 werden. Sie dürften dann zum Beispiel nicht mehr in Häfen in EU-Staaten einlaufen.
BND hält russischen Angriff auf Westen für möglich
Der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, warnt vor einem russischen Angriff auf den Westen. Russland bereite "sich auf einen Krieg mit dem Westen vor", sagte er bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
Er gehe davon aus, dass das russische Militär personell und materiell bis zum Ende des Jahrzehnts in der Lage sei, "einen Angriff auf den Westen auszuführen". Möglich sei ein begrenzter russischer Angriff, mit dem Ziel, die Nato zu zerstören.
Gestern hatte das russische Oberhaus eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben um fast 30 Prozent gebilligt. 2025 wird eine Rekordsumme von umgerechnet 113 Milliarden Euro für die "Landesverteidigung" eingeplant, mehr als die Ausgaben für Sozialhilfe und Bildung zusammen und mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Insgesamt sollen im kommenden Jahr 40 Prozent des Haushalts für Verteidigung und die nationale Sicherheit ausgegeben werden.
Lesen Sie hier mehr zu Kahls Warnung.
Selenskyj bittet Nato um Flugabwehr gegen russische Mittelstreckenrakete
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirbt bei den Nato-Staaten um Unterstützung bei der Abwehr der neuen russischen Mittelstreckenrakete. Darüber habe er telefonisch mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte gesprochen, berichtete Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache aus Kyjiw. "Ich habe bestimmte Luftabwehrsysteme genannt, die wir brauchen und die funktionieren können. Unsere Partner verfügen über diese Luftabwehrsysteme", sagte er.
Die Nato habe bei ihrem vergangenen Gipfeltreffen in Washington, D. C., im Juli mehr Flugabwehr für die von Russland angegriffene Ukraine zugesagt, aber die Lieferung vieler Waffen stehe noch aus.
Russland hatte vergangene Woche eine neu entwickelte Mittelstreckenrakete auf die ukrainische Großstadt Dnipro abgefeuert. Die Rakete mit der Bezeichnung Oreschnik trug nur konventionelle Sprengköpfe. Russland wollte den Abschuss aber auch als nukleare Drohung gegen die Ukraine und ihre Unterstützer verstanden wissen. Der Nato-Ukraine-Rat beriet gestern in Brüssel über Abwehrmöglichkeiten und versprach der Ukraine Hilfe.
Sieben europäische Staaten wollen Ukraine-Hilfen aufstocken
Ein Bündnis nordosteuropäischer Staaten hat angekündigt, die Hilfen für die Ukraine in den kommenden Monaten auszuweiten. Dadurch soll die ukrainische Rüstungsindustrie und die Munitionsproduktion unterstützt werden. Zu den Unterzeichnern gehören Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Norwegen, Polen und Schweden. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichten sie sich, "die Sanktionen gegen Russland sowie gegen jene, die Russlands Aggression ermöglichen, auszuweiten".
Neuer Prozess gegen Alexej Gorinow in Russland
In Russland hat ein neuer Strafprozess gegen den bereits inhaftierten Kriegsgegner Alexej Gorinow begonnen. Ihm wird Rechtfertigung des Terrorismus vorgeworfen.
Gorinow war, weil er kurz nach Kriegsbeginn als Abgeordneter eines Moskauer Stadtbezirks bei einer Sitzung eine Schweigeminute "für die Opfer der derzeitigen militärischen Aggression in der Ukraine" gefordert hatte, zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.
Die neuen Vorwürfe beruhen Medienberichten zufolge auf Aussagen von Mitgefangenen. Diese seien speziell zu Gorinow in die Zelle gesetzt worden, um ihm diskreditierende Aussagen zur Sprengung der Krimbrücke und den ukrainischen Streitkräften zu entlocken, sagte der frühere Chefredakteur der kremlkritischen Nowaja Gaseta, Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow. Bei einer Verurteilung drohen Gorinow weitere fünf Jahre Haft.
Oppositionsführer Ilja Jaschin veröffentlichte ein Foto auf seinem Telegramkanal, auf dem Gorinow im Käfig des Verhandlungssaals ein Schild mit der Aufschrift: "Genug getötet. Stoppen wir den Krieg" hochhält.
Russische Streitkräfte rücken auf Industriestadt Pokrowsk vor
Bei heftigen Kämpfen hat das russische Militär weitere Gebiete südlich und östlich der ukrainischen Stadt Pokrowsk besetzt. Das geht aus dem aktuellen Lagebericht (PDF) des Institute for the Study of War (ISW) hervor. Geolokalisiertes Videomaterial zeigt demnach, dass sie sich der Stadt inzwischen bis auf etwa zehn Kilometer genähert haben. Laut einem ukrainischen Militärsprecher greifen die russischen Streitkräfte dort mindestens fünfmal pro Tag mit Drohnen und kleinen Kampfeinheiten an.
Weitere Videoaufnahmen zeigen, dass russische Soldaten auch bei Welyka Nowosilka und südlich der Kleinstadt Kurachowe weiter vorangekommen sind. Westlich von Kreminna in der Region Luhansk eroberten die Ukrainer unterdessen verlorene Stellungen zurück.
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Russischer Angriffskrieg globalisiert sich
Russlands Krieg in der Ukraine ist längst "längst kein regionaler Krieg mehr", wie Verteidigungsminister Boris Pistorius kürzlich sagte. Westliche Partner unterstützen die Ukraine, während Wladimir Putin unter anderem aus dem Iran Unterstützung erhält. Spätestens mit der Entsendung von 12.000 nordkoreanischen Soldaten hat sich der Krieg in der Ukraine globalisiert, analysiert mein Kollege Matthias Naß.
Russland meldet Zerstörung von 22 ukrainischen Drohnen
Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben der Regierung in Moskau in der Nacht mehrere ukrainische Drohnen abgefangen und zerstört. Insgesamt seien es 22 Drohnen von ukrainischer Seite gewesen, hieß es. Zehn Drohnen seien über der Oblast Rostow im Süden abgeschossen worden, teilt das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit. Die übrigen wurden demnach über Belgorod, Woronesch, Kursk, Brjansk und Smolensk abgefangen.
Ukraine bittet Südkorea offenbar um Waffen
Eine ukrainische Delegation unter Leitung von Verteidigungsminister Rustem Umjerow ist laut Medienberichten in dieser Woche in Südkorea, um das Land um Militärhilfen zu bitten. Die Delegation habe sich mit Südkoreas nationalem Sicherheitsberater Shin Won Sik getroffen, berichtet die Zeitung Dong-A Ilbo.
Auch die South China Morning Post hatte zuvor von dem Besuch berichtet, unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Heute sind demnach weitere Treffen geplant. Das südkoreanische Verteidigungsministerium wollte den Besuch zunächst nicht bestätigen.
Südkorea, ein führender Waffenproduzent, steht unter Druck westlicher Länder, der Ukraine Waffen zu liefern. Sein nördlicher Nachbar und Feind Nordkorea unterstützt Russland mit Tausenden Soldaten.
Ukraine setzt Einsatz schadhafter Mörsergranaten aus
Die Ukraine unterbricht nach Angaben des Verteidigungsministeriums den Einsatz von schadhaften Mörsergranaten, die von der Armee bisher gegen die russischen Truppen an der Front verwendet wurden. Dies gelte, "bis die Ursachen der Fehlfunktion" ermittelt worden seien, teilte das Ministerium mit. Die ukrainische Nachrichtenplattform Dserkalo Tyjnia hatte zuvor gemeldet, dass "mindestens 100.000 Granaten" des Kalibers 120 Millimeter, die von einer ukrainischen Fabrik hergestellt worden seien, von der Front zurückgezogen worden seien.
Am Sonntag hatte ein bekannter ukrainischer Kriegsreporter die gleiche Zahl genannt und von einer "kriminellen Fahrlässigkeit" gesprochen. Dem ukrainischen Privatsender 1+1 zufolge begannen Soldaten Anfang November, sich über die Granaten zu beschweren. Demnach explodierte die Munition nicht, blieb im Mörser stecken oder fiel daneben.
Wie das Verteidigungsministerium nun mitteilte, wurde ein Teil der Munition beschlagnahmt und eine Untersuchung eingeleitet. Die defekte Munition werde durch Importe ersetzt. Mögliche Ursachen der Fehlfunktionen seien nach ersten Erkenntnissen Pulver von minderer Qualität oder falsche Lagerung.