Ukraine: Friedrich-Merz-Regierung will offenbar Offenlegung von Waffenlieferungen stoppen

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Nach drei Jahren weitreichender Transparenz wird die neue Bundesregierung die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine offenbar wieder größtenteils geheim halten. »Die Bundesregierung wird künftig die Kommunikation zur Lieferung von Waffensystemen deutlich reduzieren«, zitiert die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen.

Damit wolle man vor allem »dem Aggressor im Ukraine-Krieg militärische Vorteile verweigern«. Es gehöre zur »Taktik in der Kriegsführung«, öffentliche Debatten über Waffenlieferungen zu reduzieren.

Seit Juni 2022 Waffenliste im Internet

Damit kehrt die schwarz-rote Regierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) zu einer Praxis zurück, die es unmittelbar nach Kriegsbeginn unter der Ampelregierung von Kanzler Olaf Scholz auch schon gab. Der SPD-Politiker hatte am 27. Februar 2022 – drei Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine – entschieden, Waffen in das angegriffene Land zu liefern. Etwa vier Monate lang gab es kaum Kommunikation darüber.

Im Juni 2022 entschied sich die Bundesregierung dann nach öffentlichem Druck, eine detaillierte Liste mit allen Waffenlieferung online zu stellen. Bis heute werden auf bundesregierung.de alle gelieferten Waffen mit Stückzahl eingestellt . Dort steht zum Beispiel, dass Deutschland 25 Panzerhaubitzen, 121 Leopard-Panzer, 1050 bewaffnete Drohnen oder 478.000 Schuss Artilleriemunition geliefert hat.

Damit wollte die Regierung Scholz fortan den Nachweis erbringen, dass Deutschland der größte Waffenlieferant der Ukraine nach den USA ist. Die letzte Aktualisierung der Liste erfolgte am 6. Mai, dem Tag der Ernennung der neuen Bundesregierung.

Was erfährt der Bundestag noch?

Nun soll damit Schluss sein. Die neue Bundesregierung vollzieht offenbar eine Kehrtwende und hält die Waffenlieferungen wieder geheim, um eine »strategische Ambiguität« herzustellen, wie es im Fachjargon heißt: eine Mehrdeutigkeit, um dem Gegner das eigene Agieren zu verschleiern.

Wie der Bundestag künftig über die Waffenlieferungen informiert wird, wurde noch nicht kommuniziert. Zustimmen muss das Parlament anders als bei der Entsendung von Soldaten nicht. Vermutlich wird das Parlament aber in geheimer Sitzung des Verteidigungsausschusses über die Waffenlieferungen informiert.

Auch Taurus fällt unter die Geheimhaltung

Der Kurswechsel der Bundesregierung hat auch Auswirkungen auf eine heikle offene Frage der Ukrainepolitik von Friedrich Merz: Wird der Marschflugkörper Taurus geliefert oder nicht? Merz hatte im Wahlkampf betont, dass er zu einer Lieferung bereit sei, aber nur in Abstimmung mit den Bündnispartnern, die ähnliche Waffen schon geliefert haben oder darüber verfügen.

In Europa sind das Frankreich und Großbritannien. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte bereits am Dienstag beim Besuch von Merz in Paris auf eine Journalistenfrage nach einer möglichen deutschen Taurus-Lieferung gesagt, dass man über so etwas nun nicht mehr reden wolle. »Wir werden gegenüber den Ukrainern transparent sein, wir werden ihren Bedarf decken, aber werden so wenig wie möglich darüber sprechen«, sagte er. Das sei gut für den Schutz der Ukrainer.

»Deshalb haben wir beschlossen, dass wir in gewissen Bereichen keine eindeutigen Informationen geben«, sagte Macron. »Wir werden nicht in jeder Pressekonferenz über Waffenkategorien und Waffenmodelle sprechen. Denn es könnte durchaus sein, dass auch die russische Armee die Antwort auf Ihre Fragen hört.«

Hoffnung auf eine Feuerpause

Für Samstag ist ein Gipfeltreffen führender europäischer Politiker, Vertreter der sogenannten Koalition der Willigen, geplant. Das teilte der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit. »Wir bereiten uns darauf vor, in der Ukraine die Anführer der Koalition der Willigen zu treffen«, sagte Selenskyj in einer Rede per Videoschalte. Macron ließ offen, ob er persönlich an dem Gipfeltreffen teilnehmen wird. Es handle sich um ein Treffen, bei dem einige Politiker vor Ort seien und andere per Videokonferenz zugeschaltet würden, sagte Macron.

Der sogenannten Koalition der Willigen gehören unter anderem Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Polen an. Sie war im März nach dem Eklat zwischen Selenskyj und US-Präsident Donald Trump bei deren Treffen im Weißen Haus ins Leben gerufen worden. In der rund 30 Länder zählenden Gruppe werden zusammen mit Vertretern der Nato und der EU vor allem die möglichen Beiträge Europas zu einer Waffenruhe und zur Friedenssicherung in der Ukraine diskutiert.

Der neue Bundeskanzler Merz äußerte in diesem Zusammenhang die Hoffnung, »dass es über dieses Wochenende eine Verabredung gibt für einen Waffenstillstand in der Ukraine«. Daneben sprachen sich auch Frankreich und die nordischen Länder für die von Trump vorgeschlagene und von der Ukraine unterstützte bedingungslose Waffenruhe für 30 Tage aus.

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