
Halbfinal-Euphorie bei Nelson Weiper und Nick Woltemade
Foto:Beautiful Sports / Meusel / IMAGO
Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Szene des Spiels: Nach acht Minuten Spielzeit stürmte Rocco Reitz nach vorne, entwendete einem Franzosen in dessen Aufbaubewegung den Ball, beschleunigte sofort nach vorne auf Nick Woltemade. Der bediente den in den Strafraum mitgelaufenen Paul Nebel, und am Ende der Kombinationskette verwandelte Nebels Mainzer Teamkollege Nelson Weiper zur Führung. So schnell kann das gehen, wenn das Zusammenspiel einer Mannschaft in jeder Hinsicht funktioniert.

DFB-Torwart Noah Atubolu hat überall seine Hände im Spiel
Foto: Martin Divisek / EPAErgebnis des Spiels: Das U21-Team von Cheftrainer Antonio Di Salvo gewinnt in Kosice gegen Frankreich 3:0 (2:0) und steht damit im Endspiel der EM in der Slowakei. Die zwei lang aufgeschossenen Stürmer Nelson Weiper und Nick Woltemade trafen früh – aber eben nicht per Kopf, sondern mit dem Fuß. Weil sie es können.
Die erste Hälfte: Anfang des Monats hat das deutsche A-Team gegen Frankreich in der Nations League mit Chancen losgelegt wie die Feuerwehr, aber kein Tor erzielt. Der Nachwuchs machte es jetzt einfach andersherum, hatte zwei Tormöglichkeiten und verwandelte sie beide ohne Gnade. Erst staubte der Weiper ab (8. Minute), sechs Minuten später nutzte Woltemade einen Sekundenschlaf der französischen Abwehr zum zweiten Tor. Die DFB-Elf überstand danach ohne größere Probleme die Druckphase der Franzosen und steckte auch die frühe Verletzung von Abwehrchef Max Rosenfelder weg.
Die zweite Hälfte: Frankreichs Nationaltrainer Gerard Baticle, (für die Nerds: einst Uefa-Cup-Torschützenkönig der Saison 1992/93 mit AJ Auxerre) wechselte zweimal und sah sich nach 17 Sekunden fast durch den neu auf den Platz gekommenen Thiero Barry belohnt, aber DFB-Keeper Noah Atubolu war an diesem Tag nicht zu überwinden. Die Équipe Tricolore mühte sich, aber alles war bestenfalls gut gemeint. Die DFB-Elf hätte bei Kontern die Partie mehrfach endgültig entscheiden können, aber auch die Sat1-Kommentatoren konnten den Ball nicht hereinschreien. Der eingewechselte Brajan Gruda erlöste die Sat1-Crew in der Nachspielzeit mit dem dritten Tor.
Spieler des Spiels: Von Nick Woltemade war so viel die Rede, hier soll deswegen mal von Rocco Reitz gesprochen werden. Der Gladbacher rennt und grätscht und ackert unablässig, ist manchmal Kettenhund, manchmal Windspiel. Man nennt die Borussen bekanntlich die Fohlen, aber Reitz ist auch mal Ackergaul. Das, was Bundestrainer Julian Nagelsmann einen Worker nennt.

Rocco Reitz in typischer Aktion
Foto: David W Cerny / REUTERSWoltemade des Spiels: DFB-Stürmerdenkmal Miroslav Klose hat sich festgelegt: »Nick Woltemade kann ein richtig Großer werden.« Man könnte sagen, dazu fehlen höchstens noch zwei Zentimeter, dann hat er die zwei Meter erreicht. Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass dieser technisch so begabte Lulatsch in zwei Jahren noch beim VfB Stuttgart sein wird. Sechs Treffer in vier Einsätzen.
Wo ist denn der Chef? Vor der Partie hatte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig erst einmal eine Phantomdebatte zu beenden. Warum Julian Nagelsmann sich bisher nicht bei dem Turnier habe blicken lassen, hatte Sat1-Experte Markus Babbel bemängelt. Rettig konterte: »Markus, beim Stammtisch sammelst du damit natürlich Pluspunkte.« Völlig unverständlich, wie man Babbel mit dem Stammtisch in Verbindung bringen kann. Rettig beruhigte: Zum Endspiel wolle Nagelsmann kommen und am liebsten dann den Titel feiern. Wie das Chefs eben so machen.
Statistik des Spiels: Noah Atubolu vom SC Freiburg machte sein 21. U21-Länderspiel und ist damit, ja, auch das gibt es, nun DFB-Rekordtorhüter der wichtigsten Nachwuchsmannschaft. Das war vorher, sieh mal einer an, Manuel Neuer. Am Reklamierarm muss der so überaus zuverlässige Atubolu noch arbeiten.
Erkenntnis des Spiels: Im Endspiel wartet jetzt der Titelverteidiger England – das Team, das die Elf von Antonio Di Salvo in der Gruppenphase bereits besiegte, und zwar mit einer komplett durchrotierten Aufstellung. Es lockt am Sonntag in Bratislava der nächste EM-Titel nach 2021, damals mit einem gewissen Florian Wirtz. Weiß jemand noch den Torschützenkönig? Er hieß Lukas Nmecha.