Der schwedische Schauspieler Andreas Wilson war 22 Jahre jung, als das Internatsdrama „Evil“ ins Kino kam, und es machte überhaupt nichts, dass er in dieser Geschichte über Schüler, die Schüler quälen dürfen, einen Sechzehnjährigen zu spielen hatte. Im Gegenteil: Wilson trug als Erik Ponti den Film. „Reine Präsenz“, jubelten die Rezensenten und zogen als Vergleich etliche Leinwandgrößen heran.
Die sechsteilige Serie „Evil“, entstanden beim Privatsender TV4, schafft es allenfalls in die Kategorie „Highschoolserie, besonders krass“. Viel zu stark verlässt sie sich auf die Brutalitäten, die noch dicker ausgemalt werden als weiland im Film. Und dazu Unachtsamkeiten bei der Besetzung: Die Schauspieler sind noch einmal ein Stück älter als jene in Mikael Håfströms Kinofilm 2003.
Den Teenager Erik mimt nun der fünfundzwanzigjährige Isac Calmroth; nicht schlecht und trotzdem kein Wilson. Den liebenswürdigen Zimmergenossen Pierre spielt der sechsundzwanzigjährige Alexander Gustavsson (Henrik Lundström im Kino war nicht mal zwanzig), den Schreckensherrscher Otto Silverhielm vom „Rat“ der Primaner der über dreißigjährige Christian Fandango Sundgren.
Die Handlung beginnt mit einer Prügelei
Die Besetzung von Jugendlichen mit älteren Schauspielern ist nicht prinzipiell falsch. James Dean spielte den Teenager Jim Stark mit 24, Tobey Maguire als Peter Parker war 26 im ersten und 32 Jahre alt im dritten „Spider-Man“-Film.
Man darf es nur nicht merken, und beim Remake von „Evil“ merkt man es ständig an den ausgereiften, ja ausgehärteten Gesichtern. Die Geschichte, kein Törleß-Aufguss, sondern die Verfilmung des autobiographisch geprägten Romans „Das Böse“ von Jan Guillou, hat das nicht verdient. Sie spielt im Schweden der späten Fünfzigerjahre, das politisch von Sozialdemokraten (der Sportlehrer) regiert wurde, aber die konservative Elite verteidigt weiter das Gestern. Nicht von ungefähr gab es im Film eine Geschichtsstunde zum Thema Rassen und Gesichtsformen. In der Serie wurde daraus eine Englischstunde zu „anständiger“ Literatur.
Vieles ist allerdings auch zeitlos gültig und über Kulturgrenzen hinweg: das Männerbündische, das „Evil“ beschreibt und den Umgang solcher Männer mit Frauen nicht außer Acht lässt; die Gruppendynamik, die es seziert, die Hoffnung darauf, dass das scharfe Schwert des Rechts den ewigen Teufelskreis der Gewalt durchbrechen könnte. Wenn man es findet.
Trailer„Evil“
Die Handlung beginnt mit einer Prügelei: Ein Halbstarker aus Stockholm, Erik Ponti, schlägt einen Klassenkameraden blutig, er fliegt von der Schule und erhält in einem schnieken Internat die letzte Chance, sofern er nie mehr die Fäuste erhebt. Fatalerweise hat die Gewalt dort aber ihren Platz. Die Lehrer überlassen die Erziehung den ältesten Schülern, und die bestrafen im Rahmen der „Kameradenerziehung“ bereits kleinste Vergehen mit drakonischen Züchtigungen, von willkürlicher Schikane gar nicht zu reden. Aus Erik, dem Täter, wird Erik, das Opfer.
Das Vorbild des Internats
Was Erik schon kennt. Sein Vater Åke ist ein sadistischer Säufer (wie eine Karikatur gespielt von Gustaf Skarsgård, der im Film noch als Primaner Silverhielm glänzte). Er schlägt vor dem Zubettgehen noch gern mit der Hundeleine auf seinen Sohn ein und terrorisiert seine Frau.
Der Film benötigte für diese Familienhölle eine Handvoll markanter Szenen. Das Remake in Serienform (Buch: Fredrik T. Olsson, Regie: Erik Leijonborg) gibt ihm mehr Raum, weil die Mutter (Ruth Vega Fernandez) die Geschichte diesmal als starke Frau abschließen soll. Das geht in Ordnung, auch die verbreiterte Liebesgeschichte mit dem Küchenmädchen Marja (Thea Sofie Loch Næss), die außerdem zur Erzählerin befördert wurde.
Dass man aber vor Wut kochen würde wie damals im Kino – das kann niemand behaupten. Das Vorbild des Internats, „Solbacka läroverk“ in Stjärnhov südwestlich von Stockholm, wurde im übrigen 1973 geschlossen. Ursächlich dafür soll vor allem eine 1966 veröffentlichte Reportage des ehemaligen Schülers Jan Guillou gewesen sein.
Evil läuft um 21.50 Uhr auf Arte und in der Mediathek.