In Istanbul haben Tausende Menschen gegen die Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu vor 100 Tagen demonstriert. Vor der Stadtverwaltung riefen sie in Sprechchören Parolen wie „Gegen den Faschismus, Schulter an Schulter“ oder „Präsident İmamoğlu“. Zu der Kundgebung hatte seine CHP-Partei aufgerufen.
Der populäre Politiker und aussichtsreicher Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurde am 23. März verhaftet und abgesetzt. Zahlreiche weitere Personen aus seinem Umfeld und seiner Partei wurden in mehreren Festnahmewellen in Gewahrsam genommen. Seine Partei hat ihn trotzdem als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Die nächsten regulären Wahlen sollen 2028 stattfinden.
Der Protest fällt zusammen mit einem weiteren heftigen Schlag für die Partei von İmamoğlu: Am Morgen wurden in Izmir mehr als hundert Menschen wegen Korruptionsermittlungen festgenommen. Unter den Festgenommenen befinden sich laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auch der ehemalige Oberbürgermeister Tunç Soyer sowie der CHP-Provinzvorsitzende Şenol Aslanoğlu.
Izmir, die drittgrößte Stadt der Türkei nach Istanbul und Ankara, gilt als eine der wichtigsten Hochburgen der sozialdemokratischen CHP. Die Stadt hat sowohl wirtschaftlich als auch politisch starkes Gewicht.
Die CHP, derzeit größte Oppositionspartei der Türkei, sieht sich als Opfer einer von der Regierung instrumentalisierten Justiz. Präsident Erdoğan hingegen bekräftigt immer wieder die Unabhängigkeit der Justiz. Die CHP ging aus den vergangenen landesweiten Kommunalwahlen als stärkste Kraft hervor. Die AKP von Erdoğan landete erstmals in ihrer Geschichte nur auf dem zweiten Platz bei einer landesweiten Wahl.