Trumps Museumspolitik: Die Burg wird kampflos übergeben

vor 1 Tag 4

Es gibt keine Könige in Amerika. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass das amerikanische Englisch für die Personen, die sich die oberste Weisungsbefugnis in akademischen Institutionen teilen, die Amtsbezeichnung „regent“ kennt. Der älteste Beleg im Oxford English Dictionary stammt aus dem Jahr 1790, als der Staat New York eine Korporation des Namens „The regents of the university of the state of New-York“ schuf, mit dem Gouverneur als Mitglied von Amts wegen. Im Ämterwesen der alten britischen Universitäten gab es den Titel „regent“, aber nicht für die Funktion der kollektiv wahrgenommenen Gesamtverantwortung.

Unter einer monarchischen Verfassung ist der Regent die Person, die an der Stelle des Monarchen handelt, wenn dieser an der Wahrnehmung der Amtsgeschäfte gehindert ist. In den Vereinigten Staaten, die ihre Angelegenheiten in permanenter Abwesenheit eines Monarchen regeln, ist das Regentenwesen der staatlichen Universitäten ein Instrument republikanischer Selbstverwaltung.

Nach diesem Vorbild wurde auch die Smithsonian Institution der Aufsicht eines „Board of Regents“ unterstellt, als der Kongress 1846 durch Gesetz diese Organisation zur Verwaltung des Vermächtnisses des englischen Mineralogen James Smithson konstituierte. Smithson hatte den Namen der Institution vorgegeben und den Zweck, dem er sein Vermögen zugeführt wissen wollte, als „die Vermehrung und Verbreitung des Wissens unter den Menschen“ bestimmt. Als der Stifter 1826 sein Testament machte, schien ihm dieses Anliegen in Washington am besten aufgehoben, in den treuen Händen der amerikanischen Regierung.

Entlassungen will man selbst vornehmen

Das Board of Regents der Smithsonian Institution hat nach seiner turnusmäßigen Sitzung am Montag vergangener Woche eine Erklärung veröffentlicht, wonach alle Personalentscheidungen vorbehaltlich der Aufsicht der Regenten Sache des obersten Administrators der Institution seien, der den Titel „Secretary“ führt und vom Board ernannt wird. Lonnie G. Bunch, dem seit 2019 amtierenden Sekretär, sprach das Board das Vertrauen aus.

Es reagierte mit seiner Mitteilung an die Öffentlichkeit darauf, dass Präsident Trump am 30. Mai in seinem sozialen Netzwerk Truth Social verkündet hatte, er habe Kim Sajet, die Direktorin der National Portrait Gallery, entlassen. Die Erklärung über die Personalho­heit innerhalb der Stiftung wurde als Akt des Widerstands gegen Trump und sogar als Kampfansage verstanden, auch weil das Board die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Institution hervorhob, die sie während ihrer gesamten bisherigen Geschichte behauptet habe.

Am Freitag, nur vier Tage nach Publikation der Erklärung, gab Kim Sajet ihren Rücktritt bekannt. Es war ein schlechtes Zeichen gewesen, dass das Board sie in der Stellungnahme nicht erwähnt und nicht auch ihr wie Bunch seine Unterstützung zugesichert hatte, den üblen Herabsetzungen ihrer Person durch den Präsidenten zum Trotz. Was immer hinter den Kulissen vorgegangen sein mag: Trump hat seinen Willen bekommen.

Zu einer gerichtlichen Prüfung der Frage, ob der Präsident die Smithsonian-Museen wie beliebige Bundesbehörden behandeln und die Kündigung einer Direktorin verlangen darf, wird es nicht kommen. Das Zustandekommen eines solchen Prozesses übersteigt ohnehin das praktische, verfassungspolitische Vorstellungsvermögen: Würde der Präsident vom Board of Regents verklagt, stünde ihm auf der Klägerseite sein Vizepräsident J. D. Vance gegenüber, und im Obersten Gerichtshof müsste sich dessen Vorsitzender John Roberts wohl für befangen erklären – Vizepräsident und Chief Justice sind Regenten kraft ihrer Ämter.

Englisches Geld ist das Fundament der Smithsonian Institution. Das Gebäude der Hauptverwaltung wurde von James Renwick Jr. in neogotischer Formensprache entworfen.Englisches Geld ist das Fundament der Smithsonian Institution. Das Gebäude der Hauptverwaltung wurde von James Renwick Jr. in neogotischer Formensprache entworfen.Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0

Bunch hat Sajet seinen Dank dafür ausgesprochen, dass sie das Museum über ihre Laufbahn gestellt habe. Er wisse, dass das keine leichte Entscheidung gewesen sei. Er weiß auch, sagt aber nicht, dass sie die Entscheidung nicht hätte treffen müssen, wenn es eine geordnete Verwaltung in Washington gäbe. Nichts stand der Fortsetzung ihrer Arbeit entgegen außer dem Missfallen eines einzelnen Mannes, der gemäß seinen Amtspflichten selbst der allerhöchste Sachwalter der Institution sein müsste. Nur unter einem privaten Patron oder einem König wäre es von den Spielregeln gedeckt, dass eine Laune die Karriere einer Museumsdirektorin beendet.

Der abgewiesene Maler klagt

Einer der achtzehn Gründe, die das Weiße Haus der Presse dafür nannte, dass Sajet sich als ungeeignet erwiesen habe, ist die Zurückweisung einer Leihgabe: eines allegorischen Porträts von Donald Trump, eines Acrylgemäldes mit den Maßen 488 mal 244 Zentimeter. Der Künstler Julian Raven hatte der National Portrait Gallery 2016 vorgeschlagen, sein Werk mit dem Titel „Unafraid & Unashamed“ als das offizielle Porträt auf Zeit für die traditionelle Sonderausstellung zur Feier der Amtseinführung zu wählen. Zu Ravens Überraschung erhielt er einen Anruf von Kim Sajet, die ihm die Gründe für die Ablehnung auseinandersetzte. Die Direktorin dürfte es für klug gehalten haben, einen besonders verrückten Trump-Apotheotiker, der sein Bild auch auf dem Wahlparteitag der Republikaner ausgestellt hatte, nicht mit einem Formbrief abzuspeisen, aber es erwies sich als unklug, weil Raven verbreiten konnte, was Sajet angeblich über Trump und sein Bild gesagt hatte.

Im Wahlkampf 2024 zeigte die National Portrait Gallery eine Ausstellung mit den ältesten Porträtfotografien von Präsidentschaftskandidaten.Im Wahlkampf 2024 zeigte die National Portrait Gallery eine Ausstellung mit den ältesten Porträtfotografien von Präsidentschaftskandidaten.National Portrait Gallery, Smithsonian Institution

In der Erklärung vom 9. Juni gelobt das Board of Regents, mehr für die Einhaltung der Grundwerte der Institution zu tun. Es hat daher den Sekretär angewiesen, die Direktoren zur Korrektur tendenziöser Darstellungen zu veranlassen und über die dafür notwendigen Maßnahmen Bericht zu erstatten – Personalveränderungen inklusive. Hier kam das Board dem Präsidenten entgegen und verlieh dessen Kampagne den Anschein sachlicher Legitimität, ohne mit einem Beispiel zu verdeutlichen, wo die Stiftungsmuseen den Grundwerten nicht gerecht geworden sein sollen. Dabei ist die Kritik des Präsidenten konkret genug: Trumps Exekutivanordnung mit der Überschrift „Restoring Truth and Sanity to American History“ vom 27. März erwähnt die Ausstellung „The Shape of Power: Stories of Race and American Sculpture“ des Smithsonian American Art Museum, das mit der National Portrait Gallery das Gebäude teilt.

Die Anordnung proklamiert das geschichtspolitische Ziel, die Wirkung einer „revisionistischen Bewegung“ rückgängig zu machen, die sich ein Jahrzehnt lang bemüht habe, die Geschichte der Nation umzuschreiben und ihre Prinzipien in ein negatives Licht zu rücken. Als Beleg für die von der Regierung Biden protegierte „zersetzende Ideologie“ einer Umstellung vom Nationalstolz auf eine Nationalscham wird die Skulpturenausstellung angeführt, die noch bis zum 14. September 2025 zu sehen ist, weil die Besucher dort darüber belehrt wurden, dass „die Bildhauerei ein wichtiges Instrument der Werbung für wissenschaftlichen Rassismus gewesen“ sei und dass Rasse keine biologische Realität sei, sondern ein soziales Konstrukt, „eine menschliche Erfindung“.

Vorauseilende Unterwerfung lohnt sich nicht

Das Entgegenkommen des Board of Regents wurde nicht honoriert: Kim Sajet war nicht im Amt zu halten. So hatte Trump schon die vorauseilende Unterwerfung der Columbia-Universität unter seine Säuberungs-Agenda nicht mit der Rücknahme der angedrohten Sanktionen belohnt. Es wiederholt sich ein Muster, das Bénédicte Savoy in einem Gastbeitrag des Feuilletons aufgrund ihrer New Yorker Erfahrungen beschreibt: Der Druck der Regierung legt es darauf an, die Angehörigen der Institutionen auseinanderzudividieren, unter anderem in diejenigen, die das Opfer des Ausscheidens bringen, und diejenigen, die durch Bleiben Schlimmeres zu verhüten meinen.

John Ahearn und Rigoberto Torres spendeten ihr 1992 geschaffenes bemaltes Gipsrelief „Jamese Jefferson and Gloria Bollock“ der Smithsonian Institution. Es ist in der von Trump angegriffenen Ausstellung des American Art Museum über Bildhauerei und Rassismus zu sehen.John Ahearn und Rigoberto Torres spendeten ihr 1992 geschaffenes bemaltes Gipsrelief „Jamese Jefferson and Gloria Bollock“ der Smithsonian Institution. Es ist in der von Trump angegriffenen Ausstellung des American Art Museum über Bildhauerei und Rassismus zu sehen.Anacostia Community Museum, Smithsonian Institution

Julian Raven verklagte die Vereinigten Staaten und das Leitungspersonal der National Portrait Gallery. Der von Trump ernannte Bundesrichter Trevor N. McFadden wies die Klage mit Beschluss vom 19. September 2018 ab und traf in diesem Zusammenhang wichtige Feststellungen über den rechtlichen Status der Smithsonian Institution. Seinem philanthropischen Gebaren zum Trotz sei der Museumsverbund „durch und durch eine Staatsinstitution“, vom Staat („government“) geschaffen, um Aufgaben, die der Staat sich gesetzt habe, zu erfüllen. Die Direktorin habe ihre despektierlichen Äußerungen über die Qualität von Ravens Kunst nicht als Privatperson getroffen, sondern in Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion. Es sei gewollt, dass die Direktion vollkommen frei über Erwerbungen entscheide; diese absolute Freiheit des ästhetischen Urteils wird dem Beschluss zufolge gerade durch die Eingliederung der Smithsonian-Verwaltung in den Staat garantiert. Die Smithsonian Institution ist nicht Teil einer der drei Staatsgewalten und steht trotzdem nicht außerhalb des Staatsapparats.

Ironisch beschreibt McFadden die singulär zusammengesetzte Leitungsstruktur der Organisation: Wie Zerberus weise sie Köpfe aus allen drei Zweigen des Staates auf, Exekutive, Legislative und Judikative, denn außer dem Vizepräsidenten und dem Oberrichter sitzen im Board of Regents Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses sowie kooptierte Bürger, die vom Kongress bestätigt werden müssen.

Die Unabhängigkeit, die im „Smithsonian Statement“ vom 9. Juni herausgestellt wird, hat keine juristische Realität, steht nur auf dem Papier ethischer Selbstverpflichtungen, die nicht fixiert werden müssten, wenn die damit bezeichnete Haltung sich durchhalten ließe. Das 1855 vollendete Gebäude der Zentralverwaltung der Smithsonian Institution auf der National Mall wird wegen der neogotischen Formen „The Castle“ genannt. Trutzburghaft ist nur die Fassade. Das Bellen des Höllenhundes am 9. Juni hat keinen Gebrauch der Beißwerkzeuge angekündigt.

Trump braucht den Hofmaler Julian Raven nicht. Er bot der Welt mit der Parade am Samstag ein lebendes Bild von seinem Platz in der Geschichte. Wenn der König zurückkommt, stehen die Regenten auf verlorenem Posten. Eine Machtprobe erübrigt sich. Nur das Volk kann dem Satz Geltung verschaffen, dass es keine Könige gibt.

Gesamten Artikel lesen