Tommaso Debenedetti, der Mann hinter der Falschmeldung von Elfriede Jelineks Tod

vor 18 Stunden 2

Im vergangenen Jahr überraschte die frisch gekürte Literaturnobelpreisträgerin Han Kang auf X mit einem Dankesgruß an ihre Follower. Was damals Leser und Literaturbranche verwunderte, war nicht weniger die nüchterne Wortwahl, sondern die Wahl des Mediums: Bisher war nicht bekannt gewesen, dass Kang überhaupt einen Account auf der Plattform hat. Es dauerte dann auch nicht lang, bis sich die Beiträge als Fälschung entpuppten. Ihr Urheber war, wenn man das glauben kann, der Italiener Tommaso Debenedetti, nach eigener Aussage Lehrer für Literatur an einer Schule in Rom, ein wahrer Serientäter, was solche Fake News betrifft. Am liebsten verbreitet er falsche Todesnachrichten: Seit 2011 hat er schon mehrere Politiker (Baschar al-Assad, Franz Vranitzky) und diverse Päpste (Benedikt XVI., Franziskus) beerdigt, seine Lieblingsopfer aber sind Schriftsteller. Unter anderen mussten schon Cormac McCarthy, Milan Kundera, Herta Müller, Peter Handke und Hans Magnus Enzensberger dran glauben.

Auch Elfriede Jelinek hat Debenedetti schon einmal für tot erklärt, im Juli 2024, unter einem Fake-Account von Jenny Erpenbeck. Nun hat er dies noch einmal versucht: Heute, am 17. Juni 2025, meldet er den Tod der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin unter einem X-Account namens „Rowohlt AT“, der den Eindruck einer österreichischen Dependance des Verlags simulieren soll.

Kampfansage an den Journalismus

„Wer glaubt noch seine Falschmeldungen?“, fragte die österreichische Zeitung „Die Presse“ nach den Kang-Fakes. Heute taten es erstaunlich viele. Bevor der echte Rowohlt-Verlag die Meldung dementieren konnte (was er auf Nachfrage gern tat und berichtete, Jelinek sei "bei bester Gesundheit"), hatten Medien wie „Bunte“, „t-online“ oder die „Berliner Zeitung“ die Nachricht schon weiterverbreitet. Als Erstes war „Focus online“ darauf hereingefallen, womöglich gilt das bei einigen Kollegen noch als seriöse Quelle. Auch Pro Sieben, Web.de oder die „Neue Osnabrücker Zeitung“ meldeten Jelineks Tod, sogar der österreichische „Standard“, von dem man doch einen etwas direkteren Draht zur Schriftstellerin erwartet hätte.

Genau dies sind die Dynamiken, die Debenedetti vorführen will, wie er in Interviews gern erklärt. „Einerseits ist das ein Spiel, ein Amüsement“, sagte er etwa 2018 in einem Interview mit Tagesschau.de. Andererseits sei es „auch eine Kampfansage. Die Dinge, die im internationalen Journalismus nicht funktionieren, sollen ans Licht gebracht werden.“ In einem anderen Interview, das er 2018 per E-Mail mit der Website Katholisch.de führte, konkretisierte er: „Die Obsession mit exklusiven Meldungen, das Rennen gegen die Zeit um die erste Veröffentlichung von ‚Breaking News‘ ist katastrophal für den Journalismus, gerade in Zeiten des Internets.“

Man kann nicht ganz bestreiten, dass das heute wieder ziemlich deutlich wurde. Und doch ist die Überheblichkeit, mit der Debenedetti immer wieder Mechanismen „entlarven“ will, die längst bekannt sind, eine sehr lästige Anmaßung. Es gibt jedenfalls sehr viele Menschen, die ihn selbst gern für tot erklären würden. Aber wen würde das schon interessieren.

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