»Tatort« heute aus München: »Das Verlangen« im Schnellcheck

vor 2 Stunden 1
 Flatterhaftes Bühnenvolk

Kommissar Batic (Miroslav Nemec), Theaterpersonal: Flatterhaftes Bühnenvolk

Foto: Walter Wehner / BR

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Das Szenario:

Vorhang auf für falsche Gefühle und wahren Mord. Nachdem eine Schauspielerin während einer Aufführung von »Die Möwe« vergiftet zusammengebrochen ist, ermitteln die Grummler von der Mordkommission zwischen Illusionskünstlern, für die Täuschung und Betrug Teil des Jobprofils sind. Leitmayr (Udo Wachtveitl) raunt genervt: »Wir sind hier am Theater, hier hat jeder was mit jedem.« Batic (Miroslav Nemec) gibt sich empfänglicher für die am Haus praktizierten Einseifungstechniken. Besonders die Grande Dame des Theaters (Ursina Lardi) hat es ihm angetan.

Der Clou:

Anton Tschechow trifft Agatha Christie. Der zu großen Teilen im Residenztheater gefilmte Krimi huldigt am Anfang patent dem heiter-verzagten Ton, mit dem der russische Dramatiker von Betrug und Selbstbetrug erzählte. Hauptdarstellerin Lardi hatte mit Regisseur Andreas Kleinert und Co-Drehbuchautor Norbert Baumgarten zuvor schon für das freisinnige Erotikdrama »Sag mir nichts« zusammengearbeitet. Doch am Ende wandelt sich der »Tatort« in ein arg gediegenes und moralisches Mörderrätsel mit Aha-Effekt-Überführung. Nach Nonnen-Krimi, Landhaus-Kamelle und Berghotel-Knobelei droht der München-»Tatort« jetzt endgültig zur Miss-Marple-Schnurre zu werden.

 Gespielte Rolle und echte Person verschwimmen

Darsteller Lardi, Nemec, Wachtveitl: Gespielte Rolle und echte Person verschwimmen

Foto: Walter Wehner / BR

Der Auftritt:

Ursina Lardi als Theaterstar Gina Rohland. Schon der Rollenname ist eine Verbeugung – er bezieht sich auf die im vergangenen Jahr verstorbene US-Schauspielerin Gena Rowland, die zugleich tieftraurig und sehr komisch sein konnte. Lardi zieht in der Theater-Hommage alle Register ihres Könnens. Ihre Figur der Gina Roland konterkariert Gefühlsausbrüche auf der Bühne mit kleinen schnippischen Kommentaren. Gespielte Rolle und echte Person verschwimmen bei ihr verführerisch. Der Rest der Inszenierung kann dieses Niveau meist leider nicht halten.

Das Bild:

Zerstörte Illusionen. Bühnenarbeiter hauen in einem Hinterraum des Residenztheaters die Schnee und Eis simulierende Styroporkulisse eines inzwischen abgesetzten Weihnachtsmärchens kurz und klein.

Der Song:

»Oh Bondage, Up Yours« von X-Ray Spex . Der patent enervierende Netzstrumpfhosen-Wavepunk der Londoner Band um Poly Styrene läuft, als eine Theatermitarbeiterin auf dem Dach des Residenztheaters ihren Schmerz um die verstorbene Kollegin wegzupogen versucht.

Die Bewertung:

6 von 10 Punkten. Der Backstage-Krimi will sowohl Theater-Aficionados als auch Ratefüchse bedienen – beide Gruppen kommen nur halb auf ihre Kosten.

»Tatort: Das Verlangen«, Freitag (!), 2. Weihnachtstag, 20.15 Uhr, Das Erste

Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick

Foto: Marcus Höhn / NDR

Gesamten Artikel lesen