Supreme Court: Wie Donald Trump den Supreme Court instrumentalisiert

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Mit seinen Eilanträgen hält der US-Präsident den Supreme Court beschäftigt. Diese Woche dürfte unter anderem über das Geburtsortsprinzip entschieden werden. Ein Überblick

26. Juni 2025, 8:17 Uhr

 Zum Monatsende geht der Supreme Court in die Sommerpause, einige wichtige Entscheide stehen noch aus.
Zum Monatsende geht der Supreme Court in die Sommerpause, einige wichtige Entscheide stehen noch aus. © Matt McClain/​The Washington Post/​Getty Images

Es ist immer wieder dasselbe Spiel zwischen Donald Trump und dem Supreme Court: Gefällt ihm das Urteil eines Bundesrichters nicht und weigert sich ein Berufungsgericht, dieses aufzuheben, reicht er beim höchsten US-Gericht einen Eilantrag ein – und wegen der konservativen Richtermehrheit ist es durchaus wahrscheinlich, dass in seinem Sinne entschieden wird. Auf diesem Weg war es seiner Regierung beispielsweise möglich, trans Menschen vom Militärdienst auszuschließen. Zuletzt erlaubte das oberste Gericht dem Präsidenten auch die umstrittene Abschiebung von Migranten in Drittstaaten, ohne dass die Betroffenen Gelegenheit auf Einspruch haben.

Der US-amerikanische Rechtswissenschaftler Stephen Vladeck spricht mit Blick auf die Instrumentalisierung des Gerichts vom sogenannten shadow docket: Dringlichkeitsentscheide, die der Supreme Court häufig ohne mündliche Verhandlung und ohne ausführliche Begründung trifft. Schon während seiner ersten Amtszeit nutzte Trump die Form des Eilantrags deutlich häufiger als seine Vorgänger. Seit seiner Rückkehr ins Amt hat die US-Regierung nach einer Schätzung der Nachrichtenagentur Reuters etwa einen solchen Antrag pro Woche eingereicht, mehrheitlich wurde zu ihren Gunsten entschieden. 

Laut Rechtswissenschaftler Vladeck sollen die Notfallentscheidungen lediglich bis zu einer endgültigen Klärung Bestand haben. Das Problem sei allerdings, dass "später" nie komme, sagt Vladeck – weil dann ein anderer Präsident im Amt sei oder andere Politik gemacht werde.

Wie parteilich ist der Supreme Court?

Die derzeitig konservative Mehrheit im Supreme Court machte 2022 auch die hochumstrittene Aufhebung von Roe v. Wade möglich, einem Urteil, das Menschen das grundsätzliche Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch garantierte. Doch nicht immer liegt das Gericht mit Trump auf einer Linie: Im Mai hob es zwar den Schutzstatus für mehr als 350.000 venezolanische Migrantinnen und Migranten auf, verhinderte jedoch die Abschiebung von Venezolanern aus Texas, denen vorgeworfen wird, Mitglied der Gang Tren de Aragua zu sein.

Verkörpert wird die Unsicherheit des Trump-Lagers, ob man sich auf den Supreme Court nun verlassen kann oder nicht, von Richterin Amy Coney Barrett. Von Trump selbst ernannt, entfernt sie sich einer Analyse der New York Times (NYT) zufolge zunehmend von der erhofften Parteilichkeit. Unter anderem stimmte sie gegen Trumps Versuch, die Wahl von 2020 anzufechten. Wie die NYT schreibt, wird sie von Trump-Vertrauten deswegen spöttisch als "DEI hire" bezeichnet. DEI heißen in den USA die von der Trump-Regierung attackierten Diversitätsprogramme an öffentlichen Einrichtungen. In den Augen von DEI-Gegnern ist Coney Barrett eine Richterin, die nur wegen ihrer Mutterschaft und zwei Schwarzen Adoptivkindern ernannt worden sei.

Fällt der Anspruch auf Staatsbürgerschaft per Geburt?

Auf Barrett könnte es an diesem Donnerstag wieder ankommen, wenn der Supreme Court ein letztes Mal vor seiner Sommerpause zusammentritt. Der wohl größte offene Rechtsstreit, in dem eine Entscheidung erwartet wird, betrifft die sogenannte Birthright Citizenship, das Geburtsortsprinzip. Bisher sind alle Menschen, die in den USA geboren werden, automatisch US-Staatsbürger, getreu dem Bonmot "Born in the USA". US-Präsident Trump stört sich daran schon seit Jahren. Er argumentiert, ähnlich wie konservative Politiker anderer Länder, die USA verkauften sich damit unter Wert, die US-Staatsbürgerschaft sei ein "unbezahlbares Geschenk". 

Bei Amtsantritt im Januar unterzeichnete Trump deswegen ein Dekret, mit dem er den Erhalt der Staatsbürgerschaft vom Aufenthaltsstatus der Eltern abhängig machen will. Nicht nur Kindern, deren Eltern sich ohne Papiere in den USA aufhalten, soll demnach die Staatsbürgerschaft verweigert werden, sondern auch solchen, die keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis haben.

Es folgten mehrere Klagen und Berufungsverfahren, bis die US-Regierung auch in diesem Fall einen Eilantrag beim Supreme Court stellte. Das Besondere dabei: Das Gericht hörte die Argumente beider Seiten. Dabei wägten die Richter neben dem Staatsbürgerschaftsrecht auch ab, ob einzelne Bundesrichter überhaupt die Macht haben sollten, einen so grundsätzlichen Entscheid des Präsidenten mit einer einstweiligen Verfügung zu blockieren. Inwieweit das die Trump-Regierung interessiert, die sich schon heute mitunter wenig um geltendes Recht schert, ist fraglich.

Wer darf über queere Inhalte im Unterricht entscheiden?

Auch wenn die Eilanträge des US-Präsidenten den Supreme Court beschäftigt halten, wird in dieser Woche noch über andere Fragen entschieden. Unter anderem im Fall einer Schule im Bundesstaat Maryland, die es Eltern untersagte, ihre Kinder von Unterrichtsstunden fernzuhalten, in denen Bücher mit LGBTQI+-Inhalten thematisiert werden. Dagegen klagten Väter und Mütter muslimischer, katholischer und christlich-orthodoxer Glaubensrichtungen. Diese Eltern argumentieren, dass der Unterricht ihre religiösen Überzeugungen verletze. Die Schule wiederum nahm queere Themen in ihren Lehrplan auf, um Vielfalt und Inklusion zu fördern.

Das Urteil des Supreme Courts könnte zum Präzedenzfall werden in einer Zeit, in der in den USA landesweit sogenannte book bans diskutiert und Kinder- und Jugendbücher so zum Gegenstand des Kulturkampfes werden. Neben LGBTQI+-Themen steht dabei auch die Sensibilität für Rassismus und Diskriminierung wieder zur Disposition.

Wer hat Anspruch auf Zugang zu Planned Parenthood?

In einem weiteren gesellschaftspolitischen Fall geht es um den Zugang einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen zu medizinischen Dienstleistungen der Non-Profit-Organisation Planned Parenthood: Der Bundesstaat South Carolina hatte über das Sozialprogramm Medicaid versicherten Menschen untersagt, Planned-Parenthood-Einrichtungen aufzusuchen, weil diese auch Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Dort werden jedoch auch wichtige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, Verhütungsmittel und Schwangerschaftstests angeboten. Zudem ist Planned Parenthood nach eigenen Angaben überwiegend im ländlichen Raum präsent – wo ohnehin wenige andere Anbieter Medicaid-Patientinnen aufnehmen. 

Sollte der Supreme Court gegen Planned Parenthood entscheiden, würde das die Pläne der US-Regierung stützen, denjenigen Organisationen Gelder zu entziehen, die sich für Selbstbestimmungsrechte einsetzen und sich Trumps politischer Agenda nicht unterordnen. Bereits Ende März hatte die US-Regierung Planned Parenthood nach Medienberichten eine zweistellige Millionensumme an Fördergeldern gekürzt. Das vom Repräsentantenhaus im Mai verabschiedete Ausgaben- und Steuersenkungspaket (der sogenannte One Big Beautiful Bill Act) sieht eine Streichung sämtlicher Mittel für Organisationen wie Planned Parenthood vor.

Am 6. Oktober ist der Supreme Court zurück aus der Sommerpause. Dass bis dahin neue Eilanträge Trumps beim Gericht eingegangen sind, dürfte als sicher gelten. Das Spiel vor den Gerichten geht weiter.

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