Amerikanischer Markenkaffee macht den Blick auf Nordkorea attraktiver. Das ist jetzt also bestätigt, nachdem die südkoreanische Grenzstadt Gimpo die neuesten Besucherzahlen ihres Aegibong-Peace-Ecoparks bekannt gegeben hat. Der Park, eröffnet 2021, liegt nahe der Demilitarisierten Zone (DMZ) auf einem Hügel am Fluss Jogang. Man hat von dort aus einen schönen Blick auf Felder und Häuser des anderen, verschlossenen Koreas. Und seit die US-Firma Starbucks im November an der Aussichtsplattform einen Coffeeshop eröffnet hat, brummt hier der Betrieb. Von Januar bis April kamen durchschnittlich 32 379 Menschen in jedem Monat, meldet die Stadt Gimpo laut der Nachrichtenagentur Yonhap – das seien mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.
Das ist dann wohl gelungene Tourismus-Politik. Denn genau diesen Zulauf sollte der neue Laden ja bewirken, wie die Stadt Gimpo zur Eröffnung erklärte. Aber nicht nur aus diesem Grund wollten die Südkoreaner das grün-weiße Logo aus der Konsumwelt des Nordkorea-Erzfeindes USA ins streng bewachte Grenzgebiet holen. Ein Zeichen wollten sie auch setzen gegen die aufrüstende Parteidiktatur des Machthabers Kim Jong-un. „Die Präsenz dieser ikonischen kapitalistischen Marke“ stehe für die „stabile Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel“ – das sagte Gimpos Verwaltung vergangenes Jahr der Nachrichtenagentur AP.
Americano gegen Atomwaffen – das ist ein neuer Dreh in der Friedensbewegung. Andererseits: Spricht das für die westliche Moral, wenn man bei doppeltem Espresso-Chip-Frappuccino und Erdbeer-Mascarpone-Sandkuchen über den Fluss vom reichen Südkorea aus auf das verarmte sozialistische Nordkorea schaut?
Man will sich die Lebenslust nicht verderben lassen
Ansichtssache. Vergnügen und Gastronomie nah an die undurchdringliche Grenze zu bringen, ist für Südkorea wohl auch der Versuch, sich vom Bruderstaat nicht die Lebenslust verderben zu lassen. Im Imjingak-Pyeonghwa-Nuri-Park der Grenzstadt Paju kann man zum Beispiel in der Nähe von Stacheldrahtzäunen und finsteren Wachposten Kettenkarussell fahren. Und seit ein Reiseveranstalter den Trip zum Aegibong als „DMZ-Starbucks-Tour“ verkaufen kann, verspricht er ein Erlebnis, „bei dem Abenteuer auf den einzigartigen Geschmack von Frieden und Koffein trifft“.
Die Stadt Gimpo sagt, der Coffeeshop sei nicht der einzige Grund für den Besucherboom. Man habe noch mehr dafür getan, zum Beispiel den Park einmal im Monat abends geöffnet. Und wer vor der Eröffnung des Kaffeeladens dort war, weiß: Schon damals war es schön, zum Observatorium hinaufzuspazieren, die Hügellandschaft am Fluss zu betrachten – und sich zu fragen, ob dieses kleine Stück Nordkorea, das man von hier aus sieht, nicht in Wirklichkeit eine Kulisse ist, mit der das Regime die Touristen am Aegibong täuscht.
Gimpos Bürgermeister Kim Byung-soo ist trotzdem noch nicht zufrieden. Er will „weitere Tourismus-Infrastruktur sichern“, um die lokale Wirtschaft zu beleben. Ob sein Ehrgeiz irgendwann auch die Speisekarte im neuen Coffeeshop mit Nordkorea-Blick erfasst, ist ungewiss. Aber eine Sahneschnitte „Kim Jong-un“ wäre ganz bestimmt ein Verkaufsschlager.