Khartum ist die wichtigste Drehscheibe im Vielvölkerstaat Sudan und logistisch bedeutsam für das ganze Horn von Afrika. Mitten in der Hauptstadt treffen sich nicht nur die beiden großen Ströme Nordostafrikas, der Blaue und der Weiße Nil. Nur wenige Hundert Meter vom Zusammenfluss entfernt liegt auch der Internationale Flughafen. Khartum Airport. Er ist nun Sinnbild für den Zustand eines Landes, das keinen Weg aus dem Krieg findet.
Der Machtkampf zweier Generäle, der zum Flächenbrand eskalierte, hat die größte Vertreibungskrise der Gegenwart ausgelöst, zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht. Laut Schätzungen brachten die Kämpfe schon mehr als 150 000 Menschen den Tod, durch Beschuss, Krankheit, Erschöpfung, Hunger. Und der Luftraum, er gehört nicht mehr zivilen Passagieren, sondern militärischen Drohnen und Kampfjets, die Zerstörung über das Land bringen.
Die Armee wollte mit der Flughafenöffnung zeigen, dass sie alles im Griff hat in der Hauptstadt
Eine der Kriegsparteien, die sudanesische Armee (SAF) unter dem Kommando von General Abdel Fattah al-Burhan, wollte jetzt ein Zeichen des Aufbruchs setzen; wollte vorführen, dass sie alles im Griff hat in der Hauptstadt, die sie von ihrem Gegner, der Miliz Rapid Support Forces (RSF) vor einem halben Jahr zurückeroberte.
Nach dem Willen der SAF sollte der Flughafen am Mittwoch wieder dauerhaft öffnen für den zivilen Luftverkehr. Und tatsächlich meldeten mehrere Medien sowie ein von der Armee kontrolliertes Ministerium, dass die regionale Fluglinie Badr Air am Mittwoch mit der ersten Passagiermaschine seit Kriegsbeginn auf der Rollbahn in Khartum aufgesetzt habe.
Das Flugzeug kam aus Port Sudan, der Hochburg der Armee am Roten Meer. Die Flugsicherung unter Kontrolle der SAF nannte die Landung einen „wichtigen Schritt zur Erholung des sudanesischen Flugsektors“.
Etwas Wichtiges fehlte an Bord der Passagiermaschine: die Fluggäste
Nur meldete die Sudan Tribune unter Berufung auf mehrere Quellen, dass an Bord dieser Passagiermaschine etwas Wichtiges fehlte: die Fluggäste. Offenbar wollte die Armee einen Grad von Normalität vorgaukeln, den es so nicht gibt. Und so schnell wohl auch nicht geben wird, blickt man auf die militärischen Ereignisse des Vortags: Da hatte die RSF mindestens sechs Drohnen in die Hauptstadt geschickt, wie lokale Medien unter Berufung auf Augenzeugen berichteten.
Die RSF bekannte sich zu den Attacken. In manchen lokalen Quellen hieß es, dass auch Gebäude auf dem Gelände des Flughafens getroffen wurden, die Armee wiederum behauptete, die Angriffe der RSF abgefangen zu haben.
Mohamed Hamdan Dagalo, Chef der RSF und als Hemeti bekannt, will dem Gegner offenkundig den strategischen und psychologischen Vorteil nicht gönnen, den Flugverkehr am Airport Khartum wieder aufzunehmen. Dem Milizenchef ist vielmehr das Signal an die breite Bevölkerung wichtig, dass die SAF in den von ihr kontrollierten Gebieten keine umfassende Sicherheit für die Menschen garantieren kann.
Hemeti sieht jeden Airport, jede Drohne und jedes Flugzeug mit Nachschub für die Armee als „legitimes Ziel“
Und Hemeti beließ es nicht mit dem Beschuss von Khartum. Er säte weitere Angst mit einer Videobotschaft, die er nach den Angriffen auf die Hauptstadt, von einem unbekannten Standort aus, verbreiten ließ. Dabei formulierte er eine massive Drohung, die nicht nur im Sudan, sondern weit über die Grenzen hinaus Unruhe auslösen dürfte: Hemeti kündigte an, jeder Flugplatz, jede Drohne, jedes Flugzeug, das Nachschub an die Truppen der verfeindeten Armee SAF liefere, sei für seine RSF ein „legitimes Ziel“.
Was davon bloße Rhetorik ist, um sich aufzublasen, und was reale Bedrohung, bleibt schwer abzuschätzen. Sicher ist, dass Hemeti schon vor den jüngsten Attacken auf Khartum mit weitreichenden Drohnenschlägen von sich reden machte. Anfang Mai schickte er drei Tage lang unbemannte Flugkörper nach Port Sudan, der Hochburg der SAF und der von ihr ernannten Regierung. Der Großangriff auf die strategisch wichtige Hafenstadt am Roten Meer löst Schock aus und bewies, dass die RSF, mit ihrem finanzkräftigen Paten, den Vereinigen Arabischen Emiraten (UAE), die Kriegsführung im Sudan deutlich verändert hatte. Die RSF setzte nun zunehmend auf Kampfdrohnen mit großer Reichweite.
Im September berichtete die Agentur Reuters von zahlreichen Kampfdrohnen, die mittels Satellitenbildern in einer Gegend in Darfur gesichtet wurden, die von den RSF kontrolliert werden. Sie sollen eine Reichweite von 2000 Kilometern haben. Vorwürfe, dass diese Waffen mithilfe der Arabischen Emirate in den Sudan gelangten und womöglich auch mit technischer Hilfe von dort gesteuert werden, hat die Regierung in Abu Dhabi immer wieder zurückgewiesen.
Schon länger wird die Miliz massiv von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt
Dennoch haben die meisten Sudan-Experten wenig Zweifel an einer massiven Unterstützung der UAE für die RSF. Die Verbindungen reichen weit zurück, als die UAE und Saudi-Arabien Söldner für ihren Krieg in Jemen einkauften und Hemeti die nötigen Kämpfer liefern konnte. Auch sind die Emirate ein wichtiger Handelspartner für das Gold, mit dem die RSF, aber auch die SAF, ein Vermögen verdienen und so weitere Waffen und Kämpfer einkaufen können.
Die Drohnen-Angriffe auf Khartum gingen auch am Mittwoch und Donnerstag weiter, was die Chancen gering erscheinen lässt, dass der Flughafen bald wieder in Dauerbetrieb gehen kann. Im Gegenteil: Hemetis Botschaft wird auch in den Nachbarländern Unsicherheit stiften, inwieweit sie den Zusagen der Armee trauen können, dass künftige Flüge nach Port Sudan oder auch Khartum sicher sind.
Der RSF-Chef behauptete, die Drohnenattacken seien vor allem eine Reaktion auf vorausgegangene Bombardierungen in Darfur durch die Armee SAF. Womöglich haben seine Drohungen noch einen anderen Hintergrund: RSF-Truppen belagern seit 18 Monaten die Stadt El-Fasher in Darfur, die von der Armee und verbündeten darfurischen Gruppen gehalten wird. Es herrscht katastrophaler Hunger unter den Eingeschlossenen, doch Hemetis Kräfte wollen den Druck weiter erhöhen und verhindern, dass Lebensmittel aus der Luft abgeworfen werden, wie die Plattform Sudan War Monitor schreibt. Viele zivile Gruppen haben bereits Aufrufe für solche Lieferungen aus der Luft gestartet, doch nach Hemetis Drohungen sinkt die Chance, dass man den Belagerten auf diese Weise helfen könnte.












English (US) ·