Der Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat ein Problem im Stadtbild ausgemacht. »Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum«, sagte er vergangene Woche vor Journalistinnen und Journalisten, »alle bestätigen, dass das ein Problem ist.« Für ihn hat dieses Problem etwas mit Migration zu tun. Für die Töchter, die man nun ja fragen soll, nicht unbedingt.
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Dabei hat der Kanzler mit seiner Feststellung einen Punkt: Es gibt Probleme im Stadtbild. Eins davon betrifft weniger ein Gefühl von Unsicherheit auf der Straße, das manche Töchter aus ganz unterschiedlichen Gründen verspüren, sondern vielmehr die Zukunft: Gemeint ist der Klimawandel. Nur zeigen Merz und seine Regierung daran weniger bis gar kein Interesse.
In den Städten sind Flächen so versiegelt, dass sie bei Starkregen die Wassermengen nicht aufnehmen können, es drohen Überschwemmungen. Vielerorts gibt es zu wenig Schatten, wenn es im Sommer immer heißer wird, zu wenig Bäume, die kühlen könnten. Der Verkehr, der das Stadtbild oft prägt, gibt klimaschädlichen Verkehrsmitteln besonders viel Raum.
Straßen, auf denen Autos fahren, prägen das Stadtbild. Eine Spur, zwei Spuren, drei Spuren, viele Spuren. Im vergangenen Jahr hat der Verkehr sein Jahresemissionsbudget von 125,2 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten um 17,8 Millionen Tonnen überschritten, zu dem Ergebnis kam der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung. Der Wert lag sogar noch weiter über der Grenze als im Vorjahr.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler appellierten eindringlich an Merz’ Regierung, sie fordern einen »klimaschutzpolitischen Rahmen«. Ab 2030, so zeigten es Projektionsdaten, würden die Ziele für den Treibhausgasausstoß über alle Sektoren deutlich überschritten. »Das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 würde damit sehr deutlich verfehlt«, heißt es in ihrem Bericht. Dabei ist im Klimaschutzgesetz festgehalten, dass die Emissionen schrittweise sinken müssen, bis 2030 um 65 Prozent und bis 2045 um mindestens 88 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990.
Der Verkehr ist hierzulande für rund 20 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich, ein Großteil davon fällt auf den Straßenverkehr. Im Sinne von Töchtern und Kindern wäre es, ihnen einst eine Erde zu überlassen, auf der es sich gut leben lässt.
Andere Länder zeigen, wie Klimaschutz in Städten funktionieren kann und dass er ganz nebenbei oft auch die Sicherheit erhöht. Paris etwa hat Maßnahmen ergriffen, um die Stadt für Nicht-Autofahrende sicherer zu machen und den Schadstoffausstoß zu verringern. Dort gibt es gut ausgebaute Radwege und viele Zonen mit Tempo 30. Eine einfache Fahrt mit der Metro kostet in der Regel 2,50 Euro, eine Busfahrt 2 Euro. In Helsinki ist ein Jahr lang niemand im Verkehr gestorben. Auch dank des Ausbaus von Tempo-30-Zonen.
Von weniger Straßen in der Stadt und einem bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr profitieren würden alle. Töchter, Söhne, Kinder, Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Nicht-Eltern.
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Ihre Anika Freier
Redakteurin Wissenschaft

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