SPD-Parteitag rechnet mit Klingbeil ab: Von allen guten Geistern verlassen

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Schrecklich. Monströs. Das Ergebnis für Lars Klingbeil bei seiner Wiederwahl als SPD-Parteivorsitzender – es haben all jene recht, die warnen, dass auch eine so stolze Partei mit großen Verdiensten um die Demokratie in mehr als anderthalb Jahrhunderten vergehen kann.

Und dann diese „Debatte“ auf dem Parteitag, die keine war. Es ging weniger inhaltlich als persönlich zur Sache. Da gibt es mal einen ziemlich klugen Beitrag – von Gesine Schwan, Kopf der Grundwertekommission –, der zum Nach- und Weiterdenken anregt, und ihr wird kleinlich das Wort abgeschnitten. Sehr unklug, das Parteitagspräsidium.

Puh, Philipp Türmer, der Juso-Chef – der klang wirklich den Tränen nah. Aber er wurde stärker. Türmer hat Klingbeil mit seiner energischen Rede bestimmt viel Zustimmung gekostet. Für weitere Inhalte gab es keine Zeit. Herrje.

Die Rede von Bärbel Bas war ja eher rührend als weiterführend.

Stephan-Andreas Casdorff, Editor-at-Large

Wie war das noch mit dem Anspruch, eine programmatische Partei zu sein? Als hätten die guten Geister die SPD verlassen. Die Rede von Bärbel Bas war ja eher rührend als weiterführend, und intellektuell auch eher nicht. Tim Klüssendorf, der neue Generalsekretär: Ein Peter Glotz, ein anstrengender, anregender Vordenker, ist er offensichtlich nicht. Dabei bräuchte die SPD so einen ganz dringend.

Schon die Mitglieder nehmen einiges übel

Manuela Schwesig war noch ganz gut, Hubertus Heil ganz nett. Aber er ist draußen und sie ganz damit beschäftigt, sich in ihrem Bundesland die AfD vom Hals zu halten. Da bleibt nicht viel Zeit. Arm, das alles. Das passt zum Klingbeil-Ergebnis.

Wie kann man so töricht sein, das Wahlversprechen zur Stromsteuersenkung für alle nicht einzulösen? Wie kann man Zumutungen – bei Krankenversicherung, Rente und Mieten – lapidar abhandeln, aber ganz oben den Selbstbedienungsladen eröffnen? Die Parteimitglieder nehmen übel, die Wähler nicht weniger.

Die SPD muss sich bei alledem nicht wundern, dass sie als abgehobene und elitäre Partei ohne jeden Esprit dasteht. Die Reden von Klingbeil und Bas waren ja nicht ganz und gar schlecht, aber die uninspiriertesten von Parteivorsitzenden seit Jahrzehnten.

Wo ist Hoffnung, wenn Gesine Schwan die inhaltlich Stärkste war? Wer denkt Sozialdemokratie? Wer stoppt die Sinnentleerung?

Wenn die SPD keine Antworten auf diese Fragen findet, zerstört sich die Partei auf Dauer selbst. Es ist ohnedies ein Wunder, dass sie noch regiert und in der Regierung durchaus mächtig ist. Nur: Machtversessen und machtvergessen – das ist Europas ältester Partei nicht angemessen.

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